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Ausgabe:

1933 Nr. 1

Spalte:

268-271

Autor/Hrsg.:

Volz, Paul

Titel/Untertitel:

Mose und sein Werk. 2., völlig neubearb. Aufl 1933

Rezensent:

Meinhold, Johannes

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Theologische Literaturzeitung 1933 Nr. 15/16.

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Widersprechen befürchten zu müssen, konstatieren, eine
auch nur halbwegs befriedigende Gesamtdarstellung des
Yoga gebe es überhaupt nicht, so daß wer über diesen
Gegenstand sprechen wolle, sich den Stoff recht mühsam
selbst zusammentragen müsse. Gomperz hat das getan
und es auf Grund von Übersetzungen übernommen, den
Yoga vom philosophiegeschichtlichen Denken her darzustellen
. Von einem Nichtindologen war das nicht geringer
Wagemut. Es ist dankbarst zu begrüßen und aller-
freudigst jetzt wohl von Gomperz begrüßt, daß nunmehr
ein wirklicher Fachmann sich an die gleiche Aufgabe gemacht
hat: Garbes Nachfolger auf dem Lehrstuhl der
Indologie und Religionsgeschichte an der Universität
Tübingen, J. W. Hauer. Sein Buch, einstweilen nur
Teil I des Gesamtwerks, hat seinen Vorläufer in einem
bereits 1922 von ihm erschienenen: „Die Anfänge der
Yoga-Praxis im alten Indien".1 Wurde von Hauer in
diesem hauptsächlich die Vorgeschichte des Yoga behandelt
, so hat er 1931 in der ersten Nummer der eingangs
erwähnten Zeitschrift einen (in dem vorliegenden Buch
S. IX—XVII wiederabgedruckten) einführenden Aufsatz
veröffentlicht, mit dem es darauf abgesehen ist, zu zeigen
, daß der Yoga von uns nicht nur archäologisches,
rein historisches Interesse beanspruchen könne, sondern
von nicht geringer praktischer Heutebedeutung für uns
sei. In welcher Hinsicht das? Der Kundige mag die
Antwort auf diese Frage schon ersehen aus der Widmung
, die der erschienene Teil I (Einleitung. Zur Geschichte
des Yoga und zu seinen Texten. Mit einer Verdeutschung
der sogenannten Yoga-Merksprüche des Patau
, jali) trägt: „C. G. Jung, dem Erforscher neuer Wege
zum Menschen." Der Psychoanalyse unseres Westens
mit ihrer Entdeckung der Tiefenschichten in der menschlichen
Seele und der auf ihr sich aufbauenden Psychotherapie
soll hier Sukkurs aus dem Osten, aus der Geisteswelt
des alten Indien, zugeführt werden. „Wem es
nicht gegeben ist, im Zurückgehen auf Institutionen und
heiliges Dokument im Schoß der Kirche oder unter dem
Schutz einer neuen Theologie die letzte Sicherheit zu
Leben und Schaffen sich schenken zu lassen, dem bleibt
nur der Weg nach Innen. Er muß den Versuch wagen,
in eigener Erfahrung zu den Gründen des Seins vorzudringen
. Der Yoga verspricht Hilfe bei diesem Versuch.
Er schätzt bewußte Erfahrung, rationale Arbeit und
Überlieferung nicht gering. Aber darüber hinaus will er
den Menschen vorbereiten, daß er selbst die letzten, welttragenden
Kräfte erfährt. Begegnung mit ihnen ist das
hohe Ziel des Yoga." Schon diese Zitierung wie das unmittelbar
vor ihr von mir Vermerkte wird genügen,
zwei verschiedene Kreise von Interessenten auf die für
sie außerordentlich wichtige Veröffentlichung aufmerksam
zu machen. Sie werden finden, das neue Buch von
Hauer ist nicht eben leichte Lektüre. So sehr es dem
Verfasser offensichtlich anliegt, seine orientalistische
Wissenschaft zu fruktifizieren für die Seelenführung
seiner abendländischen Zeitgenossenwelt, so wenig bringt
er, eine wirkliche Forschernatur, es fertig, den exakten
Philologen und kritischen Historiker, der er ist, zu verleugnen
. So aber bietet sein Buch auch dem Indologen,
dem das dem Verfasser am Herzen liegende pädagogische
, um nicht zu sagen seelsorgerische, Interesse abgeht
, nicht wenig die Forschung Förderndes und Anregendes
. Ich stehe nicht an, zu sagen: es bietet nicht
wenig selbst den Indern, die hier wieder einmal bei
einem europäischen Meister in die Schule gehen können,
um sich klarer zu werden über ihr eigenes geschichtliches
Geistesleben. Recht deutlich tritt hervor, daß im Yoga
sehr verschiedene Entwicklungsphasen zu unterscheiden
sind, die von den ersten Anfängen an bis zu der heutigen
Entartung verfolgt werden. (Kap. 1. Die Urelemente
des Yoga in der vedischen Zeit. Kap. 2. Der Yoga in

1) Insofern dem Yoga Elemente zugeflossen sind, die der Ketzerbewegung
der Vrätya, nichtbrahmanischer Geweihten, entstammen, ist
hier auch zu denken an Hauers Werk „Der Vrätya, I. Bd. Die Vrätya
als nichtbrahmanische Kultgenossenschaften arischer Herkunft" (1927).

den Upanisaden. Kap. 3. Yoga und der Buddhismus und
Jinismus. Kap. 4. Der Yoga im Mahäbhärata: a) Die
Bhagavadgitä, b) Das XII. Buch des Mahäbhärata. Kap.
5. Das Yogasütra, seine Zusammensetzung und seine
Geschichte. Kap. 6. Die Texte des pätanjalayogasütram.
Kap. 7. Der Yoga nach der Zeit des Yoga-Sütraj
a) Grundlinien der Entwicklung, b) Kommentare zum
Yoga-Sütra, der Hathayoga, Vijnänabhiksu.) Worauf es
Hauer aber vornehmlich ankommt, das ist die eigentlich
klassische Form des Yoga, d. h. des Yoga, wie er in den
ersten Jahrhunderten nach Christus zur Reife kam, des
Yoga, dessen erstmalige Blüte in die Zeit des Buddha
fällt und für dessen Lehre von großer Bedeutung gewesen
ist. In ihm vornehmlich will er die Elemente sehen,
die als kräftige Anstöße in unserer geistigen Lage
wirken können.

Der noch zu erwartende zweite, das Werk Hauers
abschließende Teil — sein Herauskommen stellt der Verlag
schon für das Frühjahr 1933 in Aussicht — soll die
zusammenfassende systematische Darstellung des Yoga
als Heilweg bringen. Nicht in diese Darstellung einbezogen
soll der tantrische Yoga sein. Doch trägt sich
Hauer mit der Absicht, auch ihn in nicht allzu ferner
Zeit auf Grund der jetzt von Sir John Woodroffe (Avalon
) erschlossenen Quellen zu behandeln. „Abgesehen
von der Bedeutung dieser Richtung des Yoga für die
Erforschung des nordindischen Sivaismus wird wohl
seine Kenntnis auch ein nicht Geringes beitragen zur
Aufhellung der unterbewußten Bereiche in der menschlichen
Seele und ihrer Funktionsgesetze."
Leipzig. H. Haas.

Volz, Paul: Mose und sein Werk. 2., völlig neubearb. Auflage.
Tübingen: J. C. B.Mohr 1932. (VII, 143 S.) 8°. RM 5.40.

Seit Erscheinen der ersten, einstmals als Habilitationsschrift
eingereichten, Auflage dieses Büchleins sind
25 Jahre verflossen. Daraus ergibt sich fast ohne Weiteres
die Vermutung, daß diese 2. Auflage geradezu ein
neues Buch geben wird. Das trifft auch zu, sowohl was
die Form als was den Inhalt betrifft. Der Stoff ist folgendermaßen
geteilt: zunächst wird die Methode der
Untersuchung festgestellt (S. 1 —10). Es genügt nicht
die traditionsgeschichtliche Methode, wie sie etwa in
dem Werk von Greßmann „Mose und seine Zeit" (1913)
geübt wurde. Auch der Glaube der Erzväter, um den sich
vornehmlich Alt („Der Gott der Väter" 1929) bemüht
hat, kann uns kein rechtes Licht über die Religion des
Moses geben, da ja das Dunkel dieses Gebietes trotz
eifrigsten Bemühens kaum erhellt worden ist, und zudem
keine gerade Linie von Väterglauben zu dem Glauben des
Moses führt, sintemal durch die Berufung des Moses
ein innerer Umbruch erfolgte. Von größter Bedeutung
ist die religionsgeschichtliche Vergleichung, ist ein Hinblick
auf die auch in religiöser Hinsicht bedeutsame
hochstehende Kultur, wie sie aus ägyptischen und babylonischen
Quellen uns entgegentritt und wie sie gewiß
auch für das Werk des Moses, der zu ihr irgendwie
Stellung nehmen mußte, wichtig war. Auch das profan-
geschichtliche Verfahren (Ed. Meyer, Die Israeliten und
ihre Nachbarstämme 1906) wie das sociologische (M.
Weber, Das antike Judentum 2 1923) kann und muß
berücksichtigt werden, wenn auch mit Zurückhaltung.
Denn es handelt sich bei Mose doch um ein religiöses
Erleben und Handeln. Dabei stößt man immer auf ein
letztes Geheimnis, zu dem man nur von den sichtbaren
Niederschlägen und geschichtlichen Wirkungen der Erlebnisse
des Moses und seiner Schaar wird vordringen
können. So ergibt sich die Methode des Rückschlusses.
Da kommen zunächst die religiösen Führer, die Propheten
in Frage, die doch auf dem Grunde stehen und
wirken, den Moses gelegt hat, kommt die offizielle und
volkstümliche Religion insbesondere in ihrer Sonderart
gegenüber den anderen zeitgenössischen Religionen in
Frage, dürfen auch die Abfallserscheinungen nicht übersehn
werden, da mit dem, was als Abfall gewertet