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Ausgabe:

1933 Nr. 14

Spalte:

262-263

Autor/Hrsg.:

Dehio, Georg

Titel/Untertitel:

Geschichte der deutschen Kunst. Bd. I, 4. Aufl. Bd. II, 4. Aufl. Bd. III, 2. Aufl 1933

Rezensent:

Stechow, Wolfgang

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Theologische Literaturzeitung 1933 Nr. 14.

262

dert den energischen, kraftvollen Vormarsch der katholischen
Weltmission, die in der Tat ganz außerordentliche
Anstrengungen macht, die evangelische Mission i
zu überwinden. Mit Recht betont er: „es fragt sich, [
ob die Heimat der Reformation ihrer Sen- i
dung an die Menschheit sich versagen
will". Wenn in der heutigen Lage Kleinmut und Sorgengeist
vor der Zeitnot kapituliert, dann sind wir mit
unserm kirchlichen Leben gerichtet und aus dem großen
Geschehen in der Völkerwelt durch unsere Schuld ausgeschaltet
. Dr. Karl W o h 1 r a b läßt sehr lehrreich
uns hineinsehen in die Nöte der Seelsorge an den |
Schambala-Christen. Das ist für uns europäische Christen
beschämend. Denn wo gibt es solche Gemeindezucht
bei uns? D. Karl Ihmels bespricht das sehr
brennende Problem des höheren Schulwesens der Mission
in Indien, das so gut ausgebaut ist und doch so
wenig Wirkungen zu haben scheint, und setzt sich mit
dem Bericht der angelsächsischen Untersuchungs-Kommission
auseinander. Ihmels selbst betont die Wichtigkeit
der wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit dem
Geistesgut Indiens. Vom Erwachen der indischen Frauenwelt
weiß Dorothee Sarasin sehr Ergreifendes
und Bewundernswertes zu berichten. Daß das alles
heute möglich ist, zeigt, wieweit die Revolutionierung
der Völker schon vorgeschritten ist. Und wie nun die
Botschaft Gottes in diese gährende Welt hineinbringen?
Wie schwierig das ist, die Botschaft zu sagen, das wird
besonders deutlich aus dem Aufsatz von F. P a u 1 s e n,
der aus seiner Arbeit in Pakhoi in China erzählt. Alle
Aufsätze zeigen eine feine, geistige Höhenlage. Dies
Jahrbuch sollte in die Hände vieler gebildeter Laien
kommen. Vor allen andern sollten es alle Pfarrer lesen,
und dann sollten es alle Kirchenältesten und Gemeindevertreter
lesen, damit sie endlich lernen, was die Mission
tut und auch für das Leben der Kirchen selbst bedeutet.
Darum seien alle Leser auch dieser Zeilen herzlichst gebeten
, sich das inhaltlich reiche, im Preise so billige
Jahrbuch doch von der eingangs genannten Adresse kommen
zu lassen und verbreiten zu helfen. Es ist es wert.
Berlin. J. Witte.

Die Kirche und das dritte Reich. Fragen u. Forderungen deutscher
Theologen. I. u. II. Hrsg. v. Leopold K1 o t z. Gotha: L. Klotz 1932.
(138 u. 136 S.) gr. 8°. I: RM 2.40; II: RM 2.80; geb. 4—.

Es ist ein verdienstliches Unternehmen des Verlegers Klotz, der dem
ersten Band ein sehr sympathisch anmutendes Vorwort vorausschickt,
Theologen der verschiedensten theologischen und politischen Richtungen
zu Äußerungen über die religiöse und kirchliche Anschauungen des
Nationalsozialismus unter dem Titel „Die Kirche und das dritte Reich"
zu veranlassen. Diese Sammlung ersetzt viele der zahllosen Schriften,
die sich mit diesem Gegenstand befassen. In eingehender Weise werden
die Bedenken besprochen, die vom Standpunkt des „positiven Christentums"
aus, auf den der Führer die Partei gestellt hat, gegen die Theorie und
Praxis des N. anzumelden sind, es wird aber auch in manchen Beiträgen
das Positive und Erfreuliche an der Bewegung rückhaltlos anerkannt.
Eine starke Kritik an der Kirche und ihrem Leben, im einzelnen ganz
verschieden orientiert, klingt vielfach auf, aber auch heftige Besorgnis
vor dem Einfluß des N. auf kirchliches Leben und kirchliche Verkündigung
und damit der Abwendung der nicht nationalsozialistisch eingestellten
Kreise von der Kirche.

Daß sich über den ersten Band der N. Prof. Dr. Stark in sehr
heftigen Worten, die wie die Richtlinien der deutschen Christen den
zweiten Band eröffnen, beschwert ebenso wie Rosenberg in den Nationalsozialistischen
Monatsheften, namentlich über die Beiträge von Fuchs und
Heiler, er hätte auch u. a. Schenkel nennen können, ist verständlich und
berechtigt. Es kommen in diesem Band, aber auch im zweiten stark
die Kreise um die „Christliche Welt" zu Wort. Man ist da z. T. über
die Bewegung des N. und seine Erfolge auch bei kirchlichen Leuten
„erschüttert". Ganz abgesehen von wirklich ernstlichen Anstößen, die
christliche Besinnung berechtigt an ihm nimmt, weist man immer wieder
auf schlimme Entgleisungen und Brutalitäten des N. hin; von dem
viel schlimmeren Terror im Reichsbanner, Rotfront u. s. w., die sich
nicht damit abfinden können, daß sie nicht mehr allein das Recht auf
die Straße haben, die doch den Hintergrund für die Ausschreitungen der
N. bildet, wird nichts gesagt; so mißt man mit zweierlei Maß. Man
hat bei manchen Äußerungen den für einen Christen und Theologen
peinlichen Eindruck, daß die dem N. entgegengesetzte politische Einstellung
viel mehr das Wort führt als die Besinnung auf die Botschaft
Christi, so viel auch von ihr gesprochen wird. Es ist doch einfach
unverständlich, wenn Fuchs von der Bewegung der N. schreiben kann:
„Man will zuerst und vor allen Dingen, daß die bisher führenden Kreise
die äußerlich und innerlich führenden bleiben". Dabei findet sich auch in
dem ersten Band mancher ruhige und sachliche, ausschließlich am Evangelium
orientierte, die Bewegung des N. gerecht, würdigende Beitrag, so der
von Henneberger, Eger-Halle, Künneth, von Lüpke. Interessant die
Äußerungen von Wittig.

Im zweiten Band kommen auch Anhänger der Bewegung ebenso
wie die theologische Jugend, auch Frauen zu Wort. Daß viele ernste
Bedenken gegen den N. durch den Beitrag von dein auch literarisch
vielfach in der Bewegung hervorgetretenen Wienecke, der sehr an der
Oberfläche bleibt, entkräftet werden, kann kaum behauptet werden.
Ernsteste Beachtung verdient die den N. stark bejahende ausführliche
Darlegung von Hermann Dörries, ebenso die von Stephan. Dem gegenüber
bringt auch der zweite Band Äußerungen wie die von Classen, die
beim N. alles schwarz in schwarz malen und keine Spur Verständnis
für ihn aufbringen.

Seit dem Erscheinen der beiden Bände hat sich bis Februar das
politische Gesicht Deutschlands und die Rolle, die der N. spielt,
verschiedentlich gewandelt; das tut der Aktualität der beiden Bände
keinen Abbruch.

Halle/Saale. Wilhelm Usener.

Dehio, Georg: Geschichte der deutschen Kunst. Bd. I: Das

frühe und hohe Mittelalter bis z. Ausgang der Staufer. Die Kunst
des romanischen Stils. 4. Aufl. Bd. II: Das späte Mittelalter von
Rudolf von Habsburg bis zu Maximilian I. Die Kunst der Gotik.
4. Aufl. Bd. III: Die Neuzeit von der Reformation bis zur Auflösung
des Alten Reichs. Renaissance und Barock. 2. Aufl. Berlin: W.
de Gruyter fcV. Co. 1930/31. (Bd. I: Textteil 375 S., Abbildungsteil
277 S. m. 500 Abb.; Bd. II: Textteil 358 S., Abbildungsteil 392 S.
m. 720 Abb.; Bd. III: Textteil -131 S., Abbildungsteil 482 S. m.
731 Abb.) Lex. 8°. Bd. I u. II: je RM 27-; geb. 35—; Bd. III:

RM 32—; geb. 40—.

Was beim Lesen dieses großartigen Werks — eines
der großartigsten, die die Kunstgeschichtsschreibung
kennt — immer wieder am meisten zur Bewunderung
zwingt, ist das unerschütterliche Verantwortungsgefühl
Dehios gegenüber den beiden höchsten Gütern, die er
kannte: Wahrheit und Volk. Strengste Wissenschaftlichkeit
und glühendster Enthusiasmus haben in wenigen
Büchern eine so wunderbare Synthese gefunden; sie ist
nur möglich bei einem Charakter von solcher Größe.
Nirgends eine Schwäche durch Verdeckung von Schwächen
der nationalen Anlagen und Verwirklichungen; in
ihrer Aufhellung aber die Bekundung heißer Teilnahme;
und eine große Macht des Wortes zur Feier des Gelingens
. „Mein wahrer Held ist das deutsche Volk",
dies das ausdrückliche Bekenntnis Dehios; wir dürfen
hinzufügen: „und die Wahrheit", deren Ritter ohne
Furcht und Tadel er war. „Glühend und streng", diese
Worte Peter Cornelius' über Dürer zitiert Dehio; sie
bezeichnen seinen eigenen Charakter im Dienste an Volk
und Wissenschaft.

Sein Bekenntnis, daß der wahre Held des Buches
das deutsche Volk ist, bedeutet zugleich, daß hier keine
Geschichte der Augen dieses Volkes, sondern seines
Geistes gegeben wird, soweit er sich in den bildenden
Künsten manifestiert. Dies ist entscheidend, denn
dadurch erhält dies Buch seine unvergleichliche innere
Fülle, der gegenüber jede Abstraktion auf das reine
„Sehen" hin kahl und leer erscheint. Diese Kunst ist
Ausdruck des Volkstums und damit ein — freilich überaus
eigenwillig bewegter — Kontrapunkt zur deutschen
Geschichte; keine „Illustration" zu ihr im Sinne
veralteten Brauchs, sondern ihre geistige Sublimierung

— wenigstens in entscheidenden Perioden. Nicht immer

— und hier liegt bewußte Beschränkung vor; in anderen
Perioden geben Dichtung und Musik wesenhaftere
Deutungen deutschen Geistes; aber diese Beschränkung
ist weise, und auch was innerhalb ihrer zutage tritt,
ist von einzigartiger Kraft — oder doch von einzigartigem
Aufschlußreichtum. Das Auf und Ab dieser Geschichte
deutschen Bauens und Bildens (das erstere ist
Kernstück Dehios zu allen Zeiten) vermittelt mehr und
Wahrhaftigeres von deutschem Wesen als das meiste,