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Ausgabe: | 1933 Nr. 1 |
Spalte: | 8-9 |
Autor/Hrsg.: | Greeven, Heinrich |
Titel/Untertitel: | Gebet und Eschatologie im Neuen Testament 1933 |
Rezensent: | Weber, Hans Emil |
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Theologische Literaturzeitung 1933 Nr. 1.
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Seite gehabt! Ist man aber der Ansicht, daß er schon
viele theologisch belanglose Wörter behandelt hat, so
muß man bei Kittels Ankündigung: „die Zahl ist gegenüber
Cremer-Kögel stark vermehrt" doch einige Bedenken
haben, die Rez. schon jetzt auszusprechen für
seine Pflicht hält. Es besteht — entgegen Cremers ursprünglicher
und richtiger Einsicht — die Gefahr, daß
Wörter, die zwar im Zusammenhang eines theolog.
Satzes vorkommen, aber als solche keinen spezifisch
theolog. Gehalt haben, mit hineinschlüpfen und einen
Ballast bilden. Sie gehören in ein Speziallexikon, ein
theologisches Wörterbuch soll aber nur die zentralen und
wirklich, „von innen" gesehen, theologischen Begriffe behandeln
. Non multa, sed multum! Sonst stehen am
Ende Artikel da, welche bloß die Stichworte aus Preu-
schen-Bauer in ganze Sätze verwandeln, wenn es einmal
pointiert gesagt werden darf. Das scheint mir vor allem
für manche Personennamen zu gelten. Ob es bei Behandlung
der Präpositionen nicht ähnlich geht, muß die
Ausführung zeigen.
Endlich noch eine Bemerkung über das Wörterbuch
zum „Neuen Testament". Bei einer Begriffsgeschichte
ist das A. T. höchst wichtig. Ein entsprechendes
Werk für dieses ist aber nicht vorhanden. Da nun der
N. T.ler hier nicht „Fachmann" ist, so zieht er seine
Nachbarkollegen heran. Wie fruchtbar das sein kann,
lehrt der schöne Artikel äyan&m. Quell behandelt allein
auf 14 Seiten das A. T., dann folgen 21 Seiten von
Stauffer über die vorbiblische Gräcität, hellenistisches
und rabbinisches Judentum, sodann ausgiebig (Jesus,
Paulus, Jakobus, Johannes, nachapost. Zeit) das N.T.
Sicherlich eine Fundgrube des Wissens, fast eine Monographie
für sich mit 35 großen Seiten! Aber nun erhebt
sich die prinzipielle Frage: Muß ich in dem Umfange at.
und hellenistische Begriffsgeschichte studieren, um —
in einem Wörterbuch! — zu dem zu gelangen, was das
N.T. unter dy«™« versteht? Soll das neutest. Wörterbuch
zugleich das at.liche mit ersetzen, sodaß eigentlich
ein „biblisches" daraus wird? Es sei hier nur fürs erste
diese Frage gestattet. Man kann es auch noch von anderer
Seite her so sagen: Muß man erst in solchem
Ausmaß die Umwelt kennen lernen, um zu erfahren,
daß das N. T. das alles nicht meint, sondern etwas ganz
Anderes? (Das gilt besonders für die spezifisch „theologischen
" Begriffe des N.T.). Ko< me ich anders der
„inneren Lexikographie" nicht bei als daß ich das N. T.
sich von breitem Hintergrund (begriffsgeschichtüch, d. h.
aber z. T. religionsgescbichtlich) abheben lasse? Und
muß ich — wenn dem so wäre — in einem Neutest.
Wörterbuch alles, was gewissermaßen Vorstufe und Vorarbeit
ist, dem Leser vorsetzen? Ist das nicht noch ein
wenig „Historismus"?
Freilich ist daran Cremer schon schuldig geworden
, weil er entgegen seiner klaren Einsicht, die er
1867 hatte, aus dem Theologischen immer mehr ins
Begriffsgeschichtliche geraten ist. Wir würden also —
so paradox es klingen mag — im neuen Kittel den Abschluß
dieser Betrachtungsweise und damit dieser wissenschaftlichen
Epoche erreichen, welche in der vergleichenden
Religions- und Begriffsgeschichte virtuos war, um
dahinter — aus begrenzter Innenschau; denn man weiß
ja nun, was die „Umwelt" nicht bietet, — ein wirklich
„theologisches" Wörterbuch im engeren Sinne zu erstreben
. Anstelle der bis dahin oft genannten Psychologie,
die dabei eine Rolle spielte — Cremer spricht schon
1883 von einer „Abhandlung zur psychologischen Charakteristik
des neutest. Sprachschatzes", die er noch
schreiben wolle, aber ursprünglich seinem Wörterbuch
gern vorausgeschickt hätte. Man beachte doch, daß er
sich auf Schleiern'acher beruft! — müßte eine beschreibende
Phänomenologie treten, die nicht so sehr von
Sprachbildung und Sprachgebrauch, sondern von den
„Sachen" redet, die in den Wörtern stecken. Diese
Arbeit beginnt da, wo dieses Wörterbuch aufhört, und
sie geschieht aus einer Auffassung heraus, die nicht —
J wie Cremer — meint, daß „eine biblische Theologie in
lexikalischer Form unwissenschaftlich" sei. Aber dazu
ist wohl die Zeit noch nicht reif. Wenn das neue Werk
I von Kittel krönender Abschluß einer Epoche ist — daß
wir an einem Ende stehen, lehrt die eifrige Herstellung
von Encyklopädien auf nahezu allen wissenschaftlichen
Gebieten —, so enthält es ebenso sehr Keime des Zu- ;
künftigen, die sich weiter entfalten werden, wenn die
Zeit dafür gekommen ist.
Die hier aufgeworfenen Fragen sollen den Dank
für den Herausgeber und seine Mitarbeiter nicht mindern
, sondern ihnen allen zeigen, daß ihr Tun ernst
genommen wird. Dieses Verfahren — in einem streng
wissenschaftlichen Blatte — möge umso eher gerecht- '
fertigt erscheinen, als aus manchen Kirchenzeitungen
schon jetzt eitel Lob und Zustimmung erschallt.
Jena._Erich Eascher.
Greeven, Heinrich: Gebet und Eschatoiogie im Neuen Testament
. Gütersloh: C.Bertelsmann 1931. (220 S.) 8°. = Netttest.
Forschen. Hrsg. v. O. Schmitz. 3. Reihe. Beiträge z. Sprache u. Gesch.
d. urchristl. Frömmigkeit, 1. H. RM 7 — .
Die Greifswalder Dissertation von H. Greeven, angeregt
von K. Deißner, sucht das Verhältnis von Gebet
und Eschatoiogie vor allem bei Jesus und der Urge-
meinde (S. 10—132) und bei Paulus (S. 133—190) aufzuhellen
. Das johanneische Christentum und das Christentum
der werdenden Kirche werden (wie auch, m. E.
sehr problematisch, der Hebräerbrief bei Paulus) mehr
anhangsweise behandelt. Die Evangelienüberlieferung
wird „formgeschichtlich" betrachtet; doch versteht es
der Verfasser, bei weitgehender Preisgabe von Einzelberichten
, von der „Breite der Überlieferung" sich über
„ungeformte Erinnerung" den Rückgang zum Beten Jesu
zu sichern (vgl. 36, 23). Das Thema legt sich ihm in
zwei Fragen auseinander: welche Bedeutung hat die
Tatsache des Betens angesichts des heraufziehenden
neuen Äons? und wie drückt sich im Gebet aus, daß der
neue Äon im Anbruch begriffen ist? (S. 8). Die zweite
Frage führt vor allem zu sorgsamen Einzelerörterungen.
Als Beispiel sei die Besprechung des V. U. (S. 72 ff.) herausgehoben:
Urform enthält wohl Bitte um das Reich und Bitte 4 — 6, Erläuterung
der Reichsbitte durch die natürlich eschatologisch zu verstehende 1. und
3. Bitte, Sinne der letzteren Ergebung der Gemeinde in das, was die
Parusie für sie mit sich bringt.
Die erste Frage aber enthält das eigentliche Problem
in sich. Das Gebet kann und muß seine besondere
Stellung haben, weil die So%ax(t schon angebrochen sind
(131, vgl. 61, 86). Bei der Kennzeichnung dieser heilsgeschichtlichen
Lage beobachtet man die moderne Neigung
zu mathematischen und anderen Bildern: Jesus
„die Einbruchsstelle des neuen Äons in dieser Welt"
(54), der Geist „die Linie, in der sich die beiden Ebenen
schneiden", das Gebet „ein Abglanz des Künftigen, ein
Klang schon aus der andern Welt" (150). Das Thema
enthält die Aufgabe, am Gebet die neue Lage deutlich zu
machen. In der Urgemeinde erscheint das Gebet in
seiner Tatsächlichkeit als das Zeugnis dieser Lage vor
allem durch die Erhörungsgewißheit als den „Beweis"
i für den „Zugang zu Gott", „die Verbindung mit der
oberen, neuen Welt" (71). Paulus bietet die reflektierende
Begründung, indem er im Gebet den Geist als
„Teil des neuen Äons" und „Angeld" wirksam sieht
(142, 150, 161 1). Beide Beobachtungen sind sicher
wichtig. Aber sie bedürfen m. E. der Erläuterung. Wie
ist solche Erhörungsgewißheit möglich? wie ist sie begründet
, wie bekommt sie auch ihren Sinn durch die
Gottestat, die geschehen ist und geschehen wird, d. i.
durch das geschichtlich-eschatologische Evangelium? was
bedeutet „Zugang zu Gott"? Wie ist das Gebet ein
Zeugnis für das Leben „im Geist", d. i. für das „Sein in
Christo"? Ein weiteres Durchdenken dieser Fragen
muß die Bedeutung des Gebetes, muß seine Stellung in
; dem „endgeschichtlichen Geschehen", die durch jene
j beiden Beobachtungen zunächst nur als Tatsache festgestellt
ist, klären. Dabei wird auch der Zusammenhang