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Ausgabe:

1933 Nr. 12

Spalte:

221-222

Autor/Hrsg.:

Quervain, Alfred de

Titel/Untertitel:

Das Licht scheint in die Finsternis. Predigten 1933

Rezensent:

Haun, Fritz

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221

Theologische Literaturzeitung 1933 Nr. 12.

222

schichtlich nach. Luther weist den Eltern die religiöse
Erziehung der Kinder zu. Es geht ihm freilich vor
allem um den Katechismus. Wo die Eltern versagen,
soll eine „sonderliche Gemeinde" diese Erziehung an
den Kleinen tun. Die nachlutherischen Kirchenordnungen
versagen zumeist. Auch Zwingli versagt. Da tritt die
Schule ein und führt Luthers Werk an den Kleinen
weiter. Erreicht aber nicht, was Luther will, weil sie
sich allmählich von der Kirche löst, Religion als „Unterrichtsfach
" setzt und das Gottesdienstliche in der Kinderunterweisung
bei Seite läßt. Der Pietismus versagt.
Die Aufklärer haben erst wieder bei Luther angeknüpft.
„Die Schule ist ihnen Trägerin der religiösen Unterweisung
der Kleinen; Pestalozzi hat die Pflicht des
Hauses aufs neue ernstlich auf den Plan gerufen;
Schleiermacher hat den Weg zur Kirche gewiesen (S.
43). Hier bei der Aufklärung ist wirklich Sorge um
religiöse Erziehung der Kleinen. Aber die Kirche versagt
Immer noch. Erst die Not lehrt eingreifen. Noch nicht
die Kirche. Sondern die Innere Mission. Die Sonntagsschule
entsteht. Nun wird die Kirche endlich hellhörig
und besinnt sicli auf ihre Pflicht: der Kindergottesdienst
blüht auf, der ohne jede Nebenabsicht „um der Jugend
willen da sein, (muß) nur weil ihnen die Kirche solche
Gottesdienste schuldig ist". Ich habe aus dieser kleinen
Untersuchung Manches gelernt. Sie bringt den historischen
Beweis, daß die Kirche Kindergottesdienst — und
nicht Sonntagsschule zu halten und zu pflegen hat. Daß
diese Streitfrage, die immer noch nicht schweigen will
und am Ende in den Großstädten mit ihrer „Gottlosigkeit
der Kleinen" neue Nahrung findet, historisch klar
beantwortet wird, darin liegt für die Praxis ein nicht
geringes Verdienst dieser kleinen Schrift.

Bonn. F- Haun.

Quervain, Alfred de: Das Licht scheint in die Finsternis.

Predigten. Bern: Ootthelf-Verl. [1932]. (154 S.) 8°. RM 3.20.

Wenn man von de Quervain wissenschaftlichen Werken
kennt, ist man überrascht, wie einfach er in seinen
Predigten zu sprechen vermag und wie praktisch er ist.
Er packt alle Dinge des täglichen Lebens an. Ehe,
Familie, Verhältnis von Mensch zu Mensch, Reiche und
Arme, Fromme und Gottlose im Verkehr miteinander,
die Gemeinde und ihre Parteiungen, Volk und Vaterland
, die Gefallenen und die Hinterbliebenen, Arbeit
und Alltag. — Kurz in diesen 19 Predigten spürt man
den Pfarrer, der von der Not seiner Gemeinde weiß
und Seelsorge auf der Kanzel aus der Not des Miterlebens
und Miterleidens treiben will. In diesem Sinn
sind es keine „akademischen Reden" sondern wirklich
Predigten aus der Gemeinde heraus für die Gemeinde.
Freilich Qu. verlangt viel und setzt ein scharfes und
angestrengtes Mitarbeiten während des Hörens voraus.
Darum habe ich den Eindruck, diese Predigten wirken
beim Lesen mehr als beim Hören. Ich habe manchen
Gedankengang zweimal gelesen, um völlig zu wissen
was Qu. will. Wenn diese Predigten so gehalten wurden
wie sie im Druck vorliegen, fürchte ich ging das Feinste
oft über die Köpfe hinweg. Man kann auch bei den
„gebildeten" Hörern unserer Predigten nicht zu viel
voraussetzen. In ihrem religiösen Denken sind sie oft
noch sehr auf der Anfangsstufe und können „feste
Speise" noch nicht vertragen. Und es ist sehr feste
Speise, die Qu. vorsetzt. Schon von seiner theologischen
Haltung aus. Alle Dinge dieser Wirklichkeit, alle Werte
des Lebens in Beruf und Haus, in Familie und Volk
stehen in der „gefallenen Schöpfung". Und darum mehr
oder weniger im Bann der Sünde. Über dem Allen steht
unbedingt und unerbittlich die Souveränität Gottes. Es
ist seine Gnade, daß wir noch nicht gar aus sind und
daß wir in diesen menschlichen Beziehungen als Schaffende
und Sorgende und Genießende stehen dürfen.
Aber alle Spannungen die doch immer wieder entstehen
, alle Nöte und Zerrissenheiten des eigenen Lebens
und des Lebens miteinander können nur durch eine
Tat gelöst werden: durch unbedingten Gehorsam gegen

Gottes Wort und seinen Befehl. Und dieser Gehorsam
ist wiederum Gnade. Mit eiserner Schärfe und unerbittlicher
Wahrheit wird das immer und immer wieder
gesagt. Das gibt den Predigten ihren Ernst und ihre
Kraft. „Das Licht scheint in die Finsternis" hat Qu.
seine Sammlung genannt. Alles in dieser Welt unterliegt
der Finsternis. Nur bei Gott und von Gott stammt
das Licht. Und er allein kann es hell machen. Richtig.
Aber es fehlt mir das „Wandeln im Licht". Die Freude
am Licht und aus dem Licht. Es fehlt mir bei aller unermüdlichen
Betonung der Souveränität Gottes der Vater
, den wir bitten sollen — und dürfen, „wie die lieben
Kinder ihren lieben Vater bitten". Luther wird oft und
gerne zitiert — doch sind die Predigten ganz von Calvin
aus gesehen, dessen Worte auch oft angeführt werden
. Die Predigten handeln von der Finsternis, die nur
durch Gottes Licht erleuchtet werden kann. Weniger
von dem Licht, das in die Finsternis scheint. Haben wir
nicht auch grade jetzt wieder die Pflicht dem Menschen
von heute das Frohmachende des Evangeliums ganz
froh zu sagen? All diese Bemerkungen zeigen, daß
wir es in Qu. Predigten mit einer besondern Gabe zu
tun haben, die sich weit über so manchem Predigtband
erhebt. Man kommt so leicht von diesen Predigten nicht
los — und doch wünschte man noch ein Letztes gesagt.
Die ersten 7 Predigten behandeln die Geschichten aus
dem 1. Mosebuch 2, 4 u. 22 (zum Volkstrauertag, die
Geschichte von der Opferung des Isaak sehr ernst und
fein, mit tiefen Worten über den Tod der Helden und
die Zerrissenheit unseres Volkes), 3 Predigten behandeln
Jesu Versuchung nach Matth. 4. Aus den Evangelien
wird noch die Geschichte vom reichen Jüngling
behandelt. Dann 4 Predigten aus der Apostelgeschichte,
eine über Rom. 14,5. 17, zwei über Stellen aus dem
Jakobusbrief und die letzte über Ps. 127. Eine reiche
Gabe, zu der man gerne immer wieder in stillen Stunden
greift.

Bonn._F. Haun.

Beil, Dr. Josef: Das kirchliche Vereinsrecht nach dem Codex
Juris Canonici mit einem staatskirchenrechtlichen Anhang. Paderborn
: F. Schöningh 1932. (134 S.) gr. 8°. = Oörres-Oes. z. Pflege
d. Wissenschaft i. kathol. Deutschland. Veröff. d. Sektion f. Rechts- u.
Staatswiss., 60. H. RM 6.50.

Das Vereinswesen der katholischen Kirche unterscheidet
sich von dem der evangelischen Kirche in
rechtlicher Beziehung vor allem dadurch, daß es nicht
nur Vereinigungen kennt, die durch freien Zusammenschluß
von Kirchengliedern zur Förderung religiöser,
geselliger, sozialer, wissenschaftlicher und ähnlicher
Zwecke im Sinne der Kirche entstanden sind und, wenn
auch in mannigfacher Verbindung mit kirchlichen Organen
, ihre Angelegenheiten selbständig leiten, sondern
auch eine Fülle von Vereinigungen umfaßt, die als
kirchliche im Rechtssinne der kirchlichen Organisation
fest eingegliedert sind. Mit den letzteren hat es das
katholische kirchliche Vereinsrecht, wie es vor allem
in den can. 684—725 des CJC kodifiziert ist, und dessen
Darstellung die vorliegende Münchener juristische Dissertation
unternimmt, in erster Linie zu tun. Die Aufgabe,
die sich der Verfasser mit der Darstellung stellte, war
keine ganz leichte, da eine ausführliche Bearbeitung bisher
nicht vorlag und die Materie mancherlei Schwierigkeiten
bietet. Sie liegen zu einem nicht geringen Teil
indem auch im CJC noch nicht ganz beseitigten Schwanken
der Terminologie (Mehrdeutigkeit wichtiger Begriffe
wie z.B. sodalitium,confraternitas, associatio erec-
ta), das in der Abfassung des CJC durch verschiedene
Kommissionen und in dem Charakter des CJC als einer
Kodifizierung älteren Rechts begründet ist. Die Arbeit
gliedert sich in zwei Hauptteile. Der erste behandelt
als allgemeines Vereinsrecht Begriff und Arten der Vereine
, ihre Entstehung durch Gründungsvertrag und Approbation
oder formelle Errichtung, ihre Assoziationsformen
(Körperschaft und Gesellschaft), ihre Rechtsfähigkeit
, ihr Verhältnis zum Ortsordinarius, ferner Mitgliedschaft
, Organe und Auflösung. Von besonderem