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Ausgabe:

1933 Nr. 1

Spalte:

3-4

Autor/Hrsg.:

Allgeier, Arthur

Titel/Untertitel:

Bruchstücke eines altlateinischen Psalters aus St. Gallen in codd. 1395 St. Gallen, C 184 Zürich u. 587 Wien. Untersucht u. hrsg 1933

Rezensent:

Muralt, Leonhard

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Theologische Literaturzeitung 1933 Nr. 1.

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Allgeier, Arthur: Bruchstücke eines altlateinischen Psalters !

aus St. Gallen in codd. 1395 St. Gallen, C 184 Zürich u. 587 Wien.

Untersucht und hrsg. Heidelberg: C. Winter 1929. (II, 142 S. m. j

4 Tat.) gr. 8°. = Sitz.-Ber. d. Heidelberger Akad. d. Wiss. Phil.-hist.

Kl. Jg. 1928/29. Abt. 2. RM 8—.

A. wünscht sich in seinem Buche „Die aitlateinischen
Psalterien. Prolegomena zu einer Textgeschichte der hie-
ronymianischen Psalmenübersetzungen" (Freiburg 1928) j
„als Kritiker Menschen, die selber lange ähnlich gearbeitet
haben". Zu diesen kann sich der Verf. nicht zählen.
Er hat die Besprechung trotzdem übernommen, um sich
einen Einb.ick in dieses Gebiet zu verschaffen und weil
die vorliegende Untersuchung einen Beitrag zur ältern
schweizerischen Kirchengeschichte darstellt. In der zitierten
Schrift gibt A. im 1. Teil einen Abriß der Geschichte
der Erforschung der altlateinischen Psalterien.
Die Hauptfrage, an die die Forschung schließlich herangekommen
ist, ist diese: „In welchem geschichtlichen
Verhältnis die Psalterien Veronense, Romanum, Gallica-
num, iuxta Hebraeos, Mozarabicum, Sangermanense und
Mediolanense zueinander stehen". Die Durchforschung
der in den verschiedensten Bibliotheken noch vorhandenen
altlat. Psalterien ergab, daß die Varianten eine
gewisse Grenze nicht überschreiten, sondern auf der
Basis bestimmter Typen bleiben, nämlich der soeben
genannten. Von ihnen muß die weitere Untersuchung
ausgehen. Um die Vergleichung zu ermöglichen, gibt
A. im 2. Teil in Form eines textkritischen Apparates
eine Nebeneinanderstellung dieser Texte und in 3. Teil
den Wortschatz der altlat. Psalterien. In der hier zu
besprechenden Schrift führt nun A. die Forschung weiter
durch die Untersuchung eines altlat. Psalters aus St.
Gallen. A. will nicht einfach weiteres Material aufschichten
, sondern den Text so aufarbeiten, daß der Zusammenhang
, in dem dieser Psalter steht, erkannt werden
kann. Die drei Bruchstücke des Psalters in St. Gallen,
Zürich und Wien überliefern etwa noch einen Sechstel
der ursprünglichen Handschrift. Paläographisch dürfte
sie nicht spater als im 8. Jahrhundert entstanden sein.
Im II. Teil vergleicht A. den Text mit den genannten
Typen. Gemessen an der Vulgata, in die das Psalterium
Gallicanum aufgenommen worden ist, erweist sich der
St. Galler Psalter als „noch ganz und gar der altlateinischen
Stufe angehörend" (S. 29). Durch sorgfältige
Nebeneinanderstellung der Varianten wird festgestellt,
daß der St. Galler Psalter dem Psalterium Romanum
und dem Psalterium Mozarabicum besonders nahe steht,
ersterem näher als letzterem. Korrekturen zeigen, daß
versucht wurde, den Text der Vulgata anzugleichen. Die
Tatsache, daß dieser Psalter einen Kompromiß zwischen
Ps. Romanum und Ps. Mozarabicum darstellt, deutet A.
als einen Hinweis auf die auch anderweitig nachweisbare
Erscheinung, daß im 7. und 8. Jahrhundert Spanien auf
Frankreich und den übrigen Kontinent eingewirkt hat.
Darin liegt die Bedeutung des St. Galler Psalters.

Wir erhalten einen vollständigen Abdruck des Textes, j
Um dem Leser Vergleichungen zu ermöglichen, stellt j
A. daneben den Text des Ps. Romanum, wie er in der i
Nachbarschaft von St. Gallen gebraucht wurde, näm- I
lieh nach dem Reichenauer Codex Aug. XXXVIIL Um
auch zu zeigen, wie der lateinische Text im engsten |
Zusammenhang mit dem LXX Text entstanden ist —
dürfte doch die älteste Form des lat. Ps. die Interlinearversion
gewesen sein —, gibt A. den griechischen Text !
ebenfalls aus einer Handschrift, die enge Verwandtschaft j
mit St. Gallen besitzt, nämlich das sog. Psalterium grac-
colatinum hibernicum A VII 3 der Universitätsbibliothek
Basel. Wir haben also in dieser Ausgabe einen Text j
vor uns, der uns ganz unmittelbar den Psalter vor Augen j
führt, wie er im Bodensee Kulturkreis des 8. Jahrhunderts
geb-aucht wurde. Daraus erhellt, wie die Forschung
A.'s nicht nur für die alttestamentliche Exegese und
die Liturgiegeschichte, sondern auch für die allgemeine j
Kirchen- und Kulturgeschichte dieser Landschaften von
Bedeutung ist.

Der Text des St. Galler Psalters ist buchstäblich wiedergegeben,
ohne Auflösung der Kürzungen und mit Angabe besonderer Zeichen.
Ich habe den Druck mit dem Zürcher Fragment kollationiert. A. stand
offenbar nur eine Photographie zur Verfügung; denn nach dem Original
lassen sich folgende Verbesserungen und Ergänzungen geben:

S. 96, Z. 1 war überklebt, ließ sich aber loslösen und lautet
„Canite initium mensis tubae in". Z. 12 ist anstatt „aqua" „aquas" zu
lesen ; das s ist übergeschrieben. S. 116, Z. 10 anstatt „dierü" „diaerü".
Z. 19 anstatt „operantur" „operant". S. 118, Z. 18 anstatt „nentes"
„nent". S. 126, Z. 10 sicher „populos". S. 130, Z. 3 anstatt „sonse"
„conse". S. 132 läßt sich im Original manches lesen, was offenbar auf
der Photographie nicht erkennbar war. Ich lese:
) s est hereditatem suä ,,**
) os in man ( ) s gentium
) unt eorü ( ) i oderant eos
) runt eos inimici eorum
5 ) i sunt sub manibus eorü

) uit eos (,♦* I ( ) autem ex
unt eum in consilium
ati sunt in suis iniqui
) t respexit eos cum tri
10 ) r cum exa < ) ret oratio

) Memor ( ) testamen
) penetuit e ( ) sedm mul
) sericordi ( ) suae et de
) isericord ( ) in conspectu
15 ) ui eos coeperant „,♦* Saluos

) ds noster et congrega
) nib:*** Ut confiteamur
) i sco et gloriemuMn_
) „,** Benedictus dns ds ishl
) qe in sehn et dicit omnis
[diese Z. fehlt bei A.J
20 ) t fiat *** «,♦* *»*

) Alleluia

) mini dno m bonus qn
[Z. 23-26 wie A.; ich zähle die Z. wie A.)
gregauit eos ***

Zürich. L. v. Muralt.

Theologisches Wörterbuch zum Neuen Testament. In Verbindg.
m. and. Fachgelehrten hrsg. v. Gerhard Kittel. 1.—4. Liefg. Stuttgart
: W. Kohlhammer 1932 (XVI, 256 S.) Lex. 8°.

Subskr. pro Liefg. RM 2.90.

Das Theologische Wörterbuch von H. Cremer, dessen
erste Auflage 1867 erschien und das von der 10. Auflage
ab in J. Kögel einen sachverständigen und Creiners
Erbe hütenden Bearbeiter fand, beginnt unter Gerh.
Kittels Führung in gänzlich neuer Gestalt zu erscheinen.
Es heißt jetzt nicht mehr „Cremer-Kögel", obwohl die
nachgelassenen Notizen Kögels mit verarbeitet worden
sind. Kittel glaubte, „das Kögel einst gegebene Wort
dieses Werk nicht verwaisen zu lassen" am besten dadurch
einzulösen, daß er „ein in jeder Hinsicht neues
Werk" zu schaffen sucht. Vielleicht ist es da, zumal
mit endgültigem Urteil bis zum Abschluß des Ganzen
zurückgehalten werden muß, angezeigt, eine grundsätzliche
Betrachtung anzustellen, welche die nun mehr als
60jährige Geschichte dieses Wörterbuches zu Rate zieht.
Wo stand einst Cremer, wo steht man heute? Ist die
heutige Arbeitsmethode unter allen Umständen ein Vorteil
oder läßt sich etwa auch ein Rückschritt gegenüber
dem, was Cr. vorschwebte, feststellen? Diese Betrachtung
mag mit einigen Äußerlichkeiten beginnen.

Die ersten Auflagen, welche Cr. herausbrachte —
dem Rez. steht die zweite von 1872 als älteste zur Verfügung
— umfaßten etwa 600 Seiten, die achte von
1895 hat schon das Tausend überschritten. J. Kögels
Bearbeitung der 10. Auflage (1915, das Vorwort dieser
in Lieferungen erschienenen Aufl. stammt aus dem Aug.
1910) hat 1230 Seiten Text, und wenn Kittels Ankündigung
einigermaßen innegehalten wird, bekommen wir
jetzt 30 Lieferungen zu je 4 Bogen d. h. 1920 Seiten,
bei einem Subskriptionspreis von 87 Mk. Ist es da vermessen
zu hoffen, daß hiermit der Gipfel an Akribie,
Umfang und — was heute auch eine Rolle spielt —
an Preis erklommen sein möge? Dazu kommt eine
grundlegende Wandlung in der Arbeitsmethode, die uns
die ungeheure Spezialisierung der biblischen Wissen -