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Ausgabe:

1933 Nr. 12

Spalte:

211-212

Autor/Hrsg.:

Schlatter, Adolf

Titel/Untertitel:

Der Brief des Jakobus 1933

Rezensent:

Seesemann, Heinrich

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211

Theologische Literaturzeitung 1933 Nr. 12.

212

So scheint mir — um nur einiges zu nennen — die Spannung
zwischen der positiven Bewertung des Reichtums
und dem Wissen um seine Gefährlichkeit, zwischen dem
Bejahen des Reichtums und dem Kampf gegen den
Reichtum nicht genügend scharf herausgearbeitet zu sein;
die Differenz, die sich zwischen Philos Neigung zur
Askese und seiner Sozialethik auftut, ist gar nicht beachtet
. Mancher Abschnitt ist reichlich knapp ausgefallen,
so z. B. ist die für die damalige Zeit doch aktuelle Frage
der Ehescheidung, mit der sich Philo eingehend beschäftigt
, in den ganzen Erörterungen über Familie, Ehe u.
dgl. nicht erwähnt. Verf. sieht Philo richtig in seinem
Zusammenhang mit der hellenistischen Philosophie. Aber
ich vermisse weithin in der Untersuchung einerseits ein
klares Herausstellen der Unterschiede der hellenistischphilosophischen
von den jüdischen Motiven wie anderseits
die Beachtung der Konvergenz des griechischen und
jüdischen Denkens, die es Philo möglich machte, sein
jüdisches Empfinden hellenistisch zu unterbauen und
sein hellenistisches Verstehen vom Judentum her zu
vertiefen. Wenn das mehr herausgearbeitet worden wäre
— Ansätze dazu fehlen nicht —, dann wäre der Schlußabschnitt
, der m. M. n. sehr mit Recht Philos Hauptbedeutung
in seinem Bestreben sieht, eine Synthese von
jüdischem und hellenistischem Geist zu schaffen, noch
besser begründet gewesen und würde noch überzeugender
wirken. Trotz dieser Ausstellungen muß das viele
Gute und Gründliche, das die Arbeit bietet, anerkannt
werden. ' 1

Breslau. Herbert Preisker.

Schlatter, D. Dr. Adolf: Der Brief des Jakobus. Stuttgart:
Calwer Vereinsbuchhdlg. 1932. (304 S.) 8°. RM 11-; geb. 14—.
Vor zwei Jahren zeigte ich in dieser Zeitschrift A.
Meyer „Das Rätsel des Jakobusbriefes" an (ThLZ
1931 S. 318 ff.). Ich erklärte mich damals mit den
Ergebnissen dieses Buches, das bekanntlich eine jüdische
Alfegorese auf Jakob und seine 12 Söhne als Grundlage
des Jakbr. ansieht, im wesentlichen einverstanden;
diese Zustimmung muß ich auch heute noch aufrecht erhalten
; bei mehrmaliger Durcharbeitung des Jakbr. ist
es mir immer klarer geworden, daß nur der von Meyer
eingeschlagene Weg zum Verständnis des Briefes führen
kann. — Nun liejrt ein neues, umfassendes Werk zum
selben Brief von Schlatter vor, das zu völlig entgegengesetzten
Ergebnissen führt, aber auch schon von
völlig entgegengesetzten Voraussetzungen ausgeht. Ich
gebe gerne zu, auch aus diesem Buch gelernt zu haben; es
ist bekannt, ein wie großer Meister der Exegese Schlatter
ist. Und die sprachlichen Beobachtungen, insonderheit
die Nachweise der Berührungen der Sprache des Jakbr.
mit Josephus, die Schi, wie kein anderer zu bieten vermag
, sind äußerst lehrreich. Den Grundvoraussetzungen
des Buches und vielen Einzelheiten vermag ich jedoch
nicht zuzustimmen. Es wäre nun unbillig, dem Verf.
hier in allen Punkten, in denen ich ihm nicht folgen
kann, zu widersprechen. Ich glaube, dem Buch am ehesten
dadurch gerecht zu werden, daß ich seine Anschauung
vom Jakbr. ohne weitere Kritik wiedergebe:
Verfasser des Schreibens ist der Herrenbruder Jakobus
, der in der Zeit zwischen der Hinrichtung des
Apostels Jakobus durch Agrippa und seinem Tode den
Brief in Jerusalem verfaßte. In diesen 20 Jahren hatte
die Christenheit in Palästina Frieden. Dieser Friede
war nur dadurch möglich, daß die Christen alles dafür
einsetzten, mit den Juden ein Auskommen zu finden und
ihnen kein Ärgernis zu bieten. Empfänger des Briefes
sind die Juden in der Diaspora. Wohl sucht Jakobus
mit seinem Wort zuerst den Christen, den, der mit ihm
den Glauben an Christus teilt, zu treffen; aber er sondert
den Christen nicht von seinem Volkstum ab. An die
Juden und Judenchristen der Diaspora, die sich auch
hier, wie in Jerusalem, noch nicht getrennt hatten, ist
das Schreiben gerichtet. Von hier aus erklärt sich nun auch
seine Haltung: Jak. formt sein Wort von einem Standpunkt
von dem aus mit allen ein fruchtbarer Ver-

! kehr hergestellt werden kann; er ist durchweg bemüht,
kein Ärgernis zu bieten, eingedenk des Gebotes Jesu:
„ihr sollt sie nicht ärgern" (Mth. 17, 27). Darum tritt
der Name Jesu im Schreiben in den Hintergrund; seine
häufigere Erwähnung hätte die Juden nur vor den Kopf
gestoßen und Ärger verursacht. Trotzdem ist aber das
j ganze Schreiben vom Glauben an Jesus durchwoben; das
wird in der Exegese immer wieder gezeigt. — Der Brief
ist jedoch nicht als Missionsbrief gemeint; er setzt vielmehr
voraus, daß die Judenschaft ihre Wahl getroffen
hat. Dennoch konnte Jak. auf die evangelisierende Kraft
des Wortes hoffen, wenn eben der Jude wahrnahm, was
christliche Frömmigkeit sei.

Soweit die Grundposition, von der aus Schi, den
Brief deutet. An Einzelheiten sei noch erwähnt: 1. der
Nachweis vom Anschluß des Jak. an Jesus. 2. Die Betonung
der Gemeinschaft des Jak. mit Matth, (hier ist
der Beweis bemerkenswert, daß Jak. auch den Matth.
28, 19 genannten trinitarischen Taufbefehl gekannt haben
muß). 3. Die Bestimmung des Verhältnisses zwischen
Jak. und Paulus (schon wegen Gal. 2, 9 kann
kein grundsätzlicher Widerspruch zwischen beiden bestanden
haben; von hier aus ist dann auch die Exegese
von Jak. 2,14—26 bestimmt). 4. Der Nachweis der Abhängigkeit
des 1. Petr. von Jak. 5. Die Hervorhebung
der Gemeinschaft zwischen Jak. und Johannes. Die besondere
Berücksichtigung der sprachlichen Merkmale des
Briefes erwähnte ich schon. Ihnen sind ein bes. Kapitel
, sehr zahlreiche Anmerkungen und ein Register
über den Wortschatz des Jak. gewidmet.

Güttingen. H. Seesemann.

Habel, Prof. E.: Mittellateinisches Glossar. Unter Mitwirkune
v. Studienrat F. Gröbel hrsg. Paderborn: F. Schöningh 1931.
(VIII, 432 Sp.) gr. 8°. RM 6—; geb. 7.40.

Ein handliches und billiges Glossar war bei dem
Aufblühen der mittellateinischen Philologie ein Bedürfnis
. Seit 1925 liegt für die liturgische, biblische und
kirchenrechtliche Latinität das , Kirchenlateinische Wörterbuch
* von A. SIeumer vor; auch die neue Ausgabe
des ,Heinichen' kommt manchen Wünschen in dieser
Hinsicht entgegen. Der Eigenart des späteren mittellateinischen
Schrifttums wird Habels Glossar in viel
höherem Grade gerecht. Es kann und will dem Forscher
weder den Du Cange noch den Dieffenbach ersetzen
. Aber für allgemein kulturkundliche und in gewissem
Umfange auch für die besonderen theologischen
Bedürfnisse reicht es aus. Als Einführung in die Wirrnisse
der mittellateinischen Wortbildung und Schreibung
ist es ein zuverlässiger Führer.

Die Darbietung wählt die knappste Form. Dem
lateinischen Worte folgt die Aufzählung seiner mittelalterlichen
Bedeutungen; vielfach tritt hinzu ein Hinweis
auf die Herkunft des Wortstammes. Die weise Beschränkung
auf das Allernötigste ermöglicht ein rasches
Auffinden. Der Umfang der ausgeschöpften Literatur
i ist allerdings recht gering; namentlich angeführt sind
etwa dreißig Quellenwerke; in Wirklichkeit aber sind
noch eine Reihe anderer Werke herangezogen worden.
Die Auswahl der Texte ist vom philologischen Standpunkte
aus wohl überlegt; es handelt sich fast durchweg
um Werke, die in guten kritischen Ausgaben der
letzten Jahrzehnte vorliegen. Die im Glossar gebotenen
Wörter sind also in ihrer Überlieferung und Schreibung
einwandfrei gesichert. Von der kulturgeschichtlichen Seite
her werden sich aber gegen die Auswahl Bedenken
erheben. Das Zeitalter der Karolinger ist stiefmütterlich
bedacht. Die Zeit der sächsischen, fränkischen und
der Staufferkaiser ist dafür reichlich herangezogen. Nicht
berücksichtigt ist der Ludus de Antichristo und die
spätere Dramatik, ebenso fehlen Gesta Romanorum,
Petrus Alphonsi, Septem sapientes und die andere Novellen
- und Exempelliteratur; die Gesundheitslehre ist
nicht vertreten (Scola Salernitana) und insbesondere
vermißt man die Benützung der scholastischen Literatur
. Auch einzelne Werke der frühesten Renaissance