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Ausgabe:

1933 Nr. 11

Spalte:

202-203

Autor/Hrsg.:

Meyer, A. O.

Titel/Untertitel:

Bismarcks Glaube im Spiegel der „Loosungen und Lehrtexte“ 1933

Rezensent:

Lerche, Otto

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201

Theologische Literaturzeitung 1933 Nr. 11.

202

Auf der Karte ist Sunthausen bei Trossingen als Martinskirche zu
streichen, dagegen bei Zepfenhan Sonthof mit S. Martin einzusetzen.
Horb. O- Bossert.

Beyer, Prof. Hermann Wolfgang: Die Geschichte des Gustav-
Adolf-Vereins in ihren kirchen- und geistesgeschichtlichen Zusammenhängen
. Zum 100 jährigen Bestehen des Evang. Vereins der
Gustav Adolf-Stiftung i. Auftr. des Centraivorstandes hrsg. Göttingen :
Vandenhoeck & Ruprecht 1932. (VIII, 260 S.) gr. 8°. = Evang.
Diaspora u. Volksdeutschtum. Forschgn. z Diaspora-Wiss., 1. RM 7—.

Beyers Buch, erschienen zur Hundertjahrfeier des
Vereins, geht weit über den Qehalt einer üblichen Jubiläums
-Festschrift hinaus. Es wirkt vielmehr als eindrucksvolle
Oesamtdarstellung eines Werkes, das, im
Wesen evangelischer Glaubensart wurzelnd, zu einem
Brennpunkt kirchlichen Lebens geworden ist. Die erstaunliche
Stoffülle, die es dabei zu meistern galt, ist
nicht nur übersichtlich gruppiert, sie ist auch sachlich
.gegliedert und auf die übergeschichtlichen Zwecksetzungen
des Geschehens ausgerichtet. Das geschieht durch
sorgfältige Aufzeigung der geistesgeschichtlichen Faktoren
neben den kirchenhistorischen Verbindungslinien,
die Leben und Wesen des evangelischen Liebeswerkes
geformt haben. So wird seine Entstehung aus dem
Geist der Romantik, die Prägung seiner Eigenart aus der
schöpferischen Kraft des deutschen Idealismus, seine
Sinngebung aus dem neuerwachten kirchlichen Sinn des
vorigen Jahrhunderts her deutlich gemacht. Die pietätvolle
milde Stiftung, der charitative Verein, die machtvolle
Organisation, die dem Begriff Diaspora Inhalt und
Farbe gibt, — das sind die drei Etappen der Entwicklung
. Die letztere als wichtigste stellt die Mission des
Gustav Adolf-Werkes ins rechte Licht: die Entschrän-
kung evangelischer Art aus der Enge der Landeskirchen-
tümer zu weltweiter Bedeutsamkeit, ohne daß doch die
hierin erst mögliche Diasporapflege irredentistische Bitterkeit
auslöst oder kirchenpolitische Aspirationen in der
Richtung eines protestantischen Rom wachruft. Damit
wird das protestantische Glaubenswerk zur eindrucksvollen
Darstellung dessen, was nach Gottes Ratschluß
evangelische Kirche in der Welt sein soll, es wird nicht
nur zu einem Kompendium evangelischer Kirchengeschichte
Deutschlands, sondern zu einem Symbol des
einzigartigen protestantischen Kirchenbegriffes einer unsichtbar
-sichtbaren Kirche. Auf seinem Boden haben die
großen kirchlichen Probleme des 19. Jahrhunderts ganz
konkrete Formungen und Lösungen erfahren: Aufklärung
und Orthodoxie, Konfessionalismus und kirchlicher
Einigungswille. Soll das deutlich gemacht werden, muß
neben den geistesgeschichtlichen Zusammenhängen ein
Stück deutscher Volksgeschichte, ein weites Gebiet der
Geschichte der Philosophie und Theologie mitberücksichtigt
werden. Es ist erstaunlich, in welch hohem
Maße bei aller gedrängten Kürze, das dem Verfasser gelingt
. Die Wirkungen der deutschen Kriege und Revolutionen
, der Einigung und Machtentfaltung des „zweiten
Reiches", deutschen Glanzes und deutscher Not, des
deutschen Schicksals vor und nach dem Weltkriege, der
Auswanderung aus dem Mutterlande und der Seßhaft-
werdung im Auslande gehören gleicherweise zu diesem
Bilde wahrhaft umfassender Zusammenschau der Dinge.
Über dem Vielen aber ist das dem theologischen Gewissen
des Verfassers Wichtigste nicht vergessen: daß
die Arbeit des Gustav Adolf-Vereins in der Tiefe recht
verstandener evangelischer Botschaft ruht. Daher der
Appell am Schluß des Buches, das Bekenntnismäßige der
Liebesarbeit richtig einzuschätzen. Zuletzt und im tiefsten
ist die Rechtfertigungslehre der Nerv der Gewissenhaftigkeit
, die Arbeit an des Glaubens Genossen tut.
Ihr entspricht eine „tapfer in der Welt stehende Theologie
des Glaubensgehorsams, die ihr irdisches Werk
tut im Horchen auf das vergebende Wort, allein um
Gottes willen".

Das Licht, das Beyers Buch von dieser prinzipiellen
Besinnung her auf die Diaspora fallen läßt, ist ein fast
durchweg günstiges. Ihre Geschichte wird als Glaubens
- und Leidensgeschichte gewertet, die Stimme der
Diaspora, die von Tausenden von Kanzeln und Pulten
zur Kirche der Heimat gesprochen hat, als besonders
wertvoll bezeichnet. Ehrfurchtsvoll ist vom Martyrium
um des Glaubens willen in Rußland und im Baltikum die
Rede. Vielleicht ließe sich einwenden, daß dem Buch
neben dieser positiven Bewertung der Diaspora eine noch
deutlichere Kennzeichnung auch ihrer Schwächen und
Schäden zu wünschen wäre. Das Gustav Adolf-Werk ist
ja nicht nur Sammelplatz für die Nöte und Hilfsquelle
für die Bedürfnisse des Auslandprotestantismus, sondern
auch die Kraftzentrale seines inneren Reichtums und das
Gewissen seiner evangelischen Reinheit. Es ist nicht nur
segensreich, es verpflichtet auch. Um das deutlich zu
machen, hätte getrost mehr Kritik geübt werden können
am Auslanddeutschtum wie an der außerdeutschen
Diaspora. Hier geht es nicht nur um Raumnot, sondern oft
auch um geistige Verkümmerung in fremder Umgebung.
Der Wert des Gustav Adolf-Werkes wird, wenn man
das in Betracht zieht, noch gewaltiger. So wäre einer
Neuauflage des Beyerschen Buches die Ergänzung in
dieser Richtung zu wünschen.
Riga.__V. Grüner.

Lohmeyer, w.: Die Erweckungsbewegung in Lippe im
19. Jahrhundert. Mit einem Anhang: Aus dem Leben der lippischen
Gemeinschaftsbewegung, insbes. deren Liederdichtung von K.
Wehrhan. 2. Aufl. Detmold: Meyersche Hofbuchh. 1932. (194 S.)
kl. 8°. RM 1.10.

Die Erweckungsbewegung, hier durchaus gleichzusetzen
mit der Überwindung des Rationalismus, setzte
in Lippe beeinflußt durch das benachbarte Ravensberg
etwas später ein als in der weiteren Umgebung. Sie
gewinnt dadurch besondere Bedeutung, daß sie sich nicht
mit einer unierten oder schlechthin evangelischen, sondern
mit einer seit Jahrhunderten bekenntnismäßig festgebundenen
reformierten Landeskirche auseinandersetzte,
die gewiß hier und da in Formen erstarrt und auf eingefahrene
Gleise gebannt war, die aber doch von dem
Wesen der neueren Zeit — Ersatz des Heidelberger
Katechismus durch Weerths „Leitfaden" — nicht ganz
unberührt bleiben konnte. So sind aus der Erweckungsbewegung
zurückgeblieben jene fünf lutherischen Gemeinden
des lippischen Landes, die in der Landeskirche
eine gerade in unseren Tagen wieder viel erörterte Rolle
spielen. L. zeigt, wie namentlich die Brüdergemeine
und der durch sie lebendig angefachte Missionssinn eine
evangelische Bewegung entstehen lassen; er schildert
die Tätigkeit und den Einfluß von Pastor Friedrich Konrad
Krüger — die Briefe der Fürstinnen Pauline und
Christine an Krüger werden im Anhange abgedruckt —
und zeigt den Durchbruch der Erweckung als Volksbewegung
mit dem Bauern J. B. Jobstharde in Wüsten.
Den Anschluß an größere Kreise findet die Bewegung
durch das Eingreifen der Elberfelder „Evangelischen
Gesellschaft" und ihres Agenten, des Pastors Steffann.
Mit dem betonten Anschluß der Ergriffenen an das konfessionelle
Luthertum verloren Kirchenleitung und Regierung
hier den Grund zum Vorgehen gegen die Bewegung.
Berlin.___Otto Lerche.

Meyer, A. O.: Bismarcks Glaube Im Spiegel der „Loosungen
und Lehrtexte". München: C. H. Beck 1933. (18 S.) 8". = Zeitwende
. Monatsschrift. Hrsg. v. T. Klein, O. Gründler, F. Langenfaß
. 9. Jahrg. 1933, L H. RM 1.80.
Meyer berichtet hier auszugsweise über Bismarcks
Verhältnis zu den „Losungen und Lehrtexten der Brüdergemeine
" — M. schreibt immer Brüdergemeinde —
aufgrund der Handexemplare aus dem Nachlaß des
Fürsten, die ihm der Enkel zur Verfügung gestellt hat.
Er teilt aber nicht mit, wie Bismarck diese Beziehungen
angeknüpft hat und seit wann er sie pflegte — daß ihm
Kleist-Retzow alljährlich die „Losungen" zu Weihnachten
schenkte, ist doch lediglich der Ausfluß einer vorhandenen
lebendigen Beziehung. M. stellt die Losungen
gleichwertig neben die Lehrtexte, während doch den
Losungen naturgemäß die stärkere Bedeutung innewoh-