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Ausgabe:

1933 Nr. 11

Spalte:

198

Autor/Hrsg.:

Stasiewski, Bernhard

Titel/Untertitel:

Der heilige Bernardin von Siena 1933

Rezensent:

Lempp, Eduard

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197

Theologische Literaturzeitung 1933 Nr. 11.

198

Ausblick. Die Haupttendenz in der Literatur der letzten
50 Jahre sei leicht spürbar: Das Interesse an der Organisationsfrage
sei dem an der Kirchenfrage gewichen, die
Gemeinde der Kirche, die politischen Kategorien den
religiösen, der Gedanke eines Baues von unten dem eines
von oben. Daraus ergeben sich nun für L. drei Fragen.
1. Wie sind die unzweifelhaft vorhandenen Erscheinungen
, die den Korporationsgedanken vorauszusetzen scheinen
, zu betrachten? 2. Ist es überhaupt möglich, aus
dem Kirchengedanken eine Organisation herzuleiten?
3. Ist der Geist im Urchristentum Ordnung ausschließend
oder fähig, Ordnung und Recht zu schaffen?. Die Antwort
auf die erste Frage gewinnt L. durch Heranziehung
der, wie er sagt, „orientalischen Vorstellung" einer „beschließenden
ungleichmäßigen Versammlung", z. B. Acta
15, 22. Die nach moderner Deutung scheinbaren Mehrheitsbeschlüsse
und Mehrheitswahlen sind in Wahrheit
nur Zustimmungsakte einer nicht autonomen, sondern
beschränkten Gemeinde, beschränkt insofern, als dem
unterliegenden Teil nur die Wahl bleibt zwischen Zustimmung
, resp. Unterwerfung, oder Ausscheiden und
Spaltung. Ich verstehe diese fein durchgeführte Konstruktion
im Wesentlichen als eine Bestätigung von
Sohms Vorstellung. In den beiden andern Fragen aber
geht L. andre Wege, indem er den Gegensatz zwischen
charismatischer und rechtlicher Organisation und zwischen
Geist und Amt bestreitet. — Ich hoffe, durch dies
Referat einen Eindruck von der außerordentlich hohen
Leistung dieses Buches gegeben und die Notwendigkeit
einer eindringenden Beschäftigung damit bewiesen zu
haben.

Frankfurt a. M. Erich F o e r s t e r.

Frank, P Dr. Hieronymus: Die Klosterbischöfe des Frankenreiches
. Münster i. W.: Aschendorff 1932. (VIII, 190 S.) gr. 8°. =
Beiträge z. Geschichte d. alten Mönchtums u. d. Benediktinerordens.
Hrsg. v. J. Herwegen. H. 17. RM 8.75; geb. 10.25.

Eine sehr sorgfältige, auf spärlicher und vielfach unsicherer
Überlieferung ruhende Untersuchung aus der
Schule Levisons. Nachdem zuerst die kirchenrechtlichen
Voraussetzungen für das Vorkommen von Klosten-
bischöfen vorgelegt sind, werden nacheinander die wenigen
Beispiele der Wanderbischöfe, dann die auch seltenen
der Mönchsbischöfe, und dann die häufigeren der
Abtsbischöfe und endlich die Kloster- und Wanderbischöfe
in Bayern behandelt. Dazu kommt ein Exkurs
über die Echtheit der Klosterkunde Gregors V. für
S. Martin in Tours und ein Anhang über die älteste
Profeßurkunde der Abtei Reichenau.

Es handelt sich um die Auseinandersetzung zwischen
zweierlei kirchenrechtlichen Ordnungen und Auffassungen
: der römischen und der irischen. Die römische
Ordnung verlangte den monarchischen Episkopat in der
festumgrenzten Diözese, die irische kannte keine festen
Diözesen, wohl aber Klöster mit eigenen Bischöfen, von
denen auch die Mission auf das Festland ausging. Das
Streben der fränkischen Klöster nach Exemption von
der bischöflichen Gewalt begünstigte das Eindringen
irischen Einflusses, daher die vereinzelt vorkommenden
Wanderbischöfe, die neben ihrem Missionsbetrieb
in den Klöstern auf Verlangen Weihen erteilten, daher
die auch selten bezeugten Mönchsbischöfe d.h.
„Mönche mit Bischofsweihe, die der Jurisdiktion ihrer
nicht mit der Bischofsweihe ausgezeichneten Äbte weiterhin
unterstellt blieben" (S. 164), daher endlich die
häufigeren Fälle der Abtsbischöfe (nicht zusammenhängend
mit den Chorbischöfen) d. h. der von dem Diö-
cesanbischof völlig unabhängigen mit bischöflicher Weihe
und Jurisdiktion ausgestatteten Klosteräbte. Das Erstarken
der diöcesanbischöflichen Gewalt, das in der
fränkischen Kirche durch Bonifatius herbeigeführt wurde
, ist der Hauptgrund für das Aufhören der Klosterbischöfe
. Der monarchische Episkopat vertrug keinen
zweiten selbständigen Bischof innerhalb einer Diöcese
(S. 166). Das Schlußurteil F.'s lautet: „Die Klosterbischöfe
des Frankenreiches stellen eine kirchengeschichtliche
Episode dar. Wie sie nur bestimmten Zeitumständen
, dem Verfall der fränkischen Kirche einerseits und
der Jugendkraft der irischen peregrinatio andererseits
Entstehung und Verbreitung verdanken, so hat ihnen das
Erstarken des Diöoesanverbandes unter Bonifatius den
Untergang bereitet" (S. 168). Das Urteil dürfte richtig
sein.

Stuttgart. Ed. Lempp.

Staslewski, Lic. theol. Bernhard: Der heilige Bernardin von
Siena. Untersuchungen über die Quellen seiner Biographen. Münster
i. W.: Aschendorff 1931. (XI, 112 S.) gr. 8°. = Franziskanische
Studien, Beih. 13. RM 6.12.

In der Einleitung werden die wichtigsten Biographien
über Bernardin aus dem letzten Jahrhundert besprochen
, wobei Alessio's Schrift als das „eigentlich
wissenschaftliche Werk", das Buch von Ferrers Howell
als „die beste jüngste größere Biographie" bezeichnet
wird. Dann werden die Quellen dieser Biographien untersucht
zuerst die aus dem 15. Jahrhundert, wobei die
Viten vor der Kanonisation, dann die im Jahrzehnt der
Kanonisation, dann die Wundergeschkhten, endlich weitere
Nachrichten behandelt werden. Im zweiten Teil
des Buchs werden die späteren Bearbeitungen der
Lebensgeschichte in den Sammelwerken des Surius,
Wadding, der Bollandisten, sowie weitere spätere
Schriften besprochen. Das Ganze ist mit ausgebreiteter
Literaturkenntnis und sorgfältiger Akribie gearbeitet
und dient gewiß als treffliche Vorarbeit für
ein noch zu schreibendes Werk über den Heiligen. Aber
eins müßte dann noch vorangehen, nämlich eine Untersuchung
und Ausnützung der Schriften Bernardins, deren
kritische Ausgabe freilich noch fehlt. S. sagt im Vorwort
, die biographischen Ermittlungen aus den Werken
der Heiligen habe er „vorläufig zurückgestellt, sie scheinen
wenig ertragreich zu sein", aber wenn nicht für
den äußeren Verlauf der Geschichte, so doch für die
Darstellung seiner Denkweise müssen diese Quellen ersten
Ranges einen Ertrag geben und benutzt werden, darum
gehört ihre genaue Durchforschung zu den Vorarbeiten
für eine Lebensbeschreibung des Heiligen, wenn
auch nicht zu den Untersuchungen über die Quellen
seiner Biographen.
Stuttgart. Ed. Lempp.

Zwingliana. Mitteilungen z. Geschichte Zwingiis u. d. Reformation.
Hrsg. v. Zwingliverein in Zürich. 1932 Nr. 1 u. 2. (Bd. V, Nr. 7 u.
8.) Zürich: Berichthaus 1932. (64 S. m. 2 Taf.) gr. 8°. je Fr. 1.50.
Die beiden Hefte enthalten den Vortrag von L. v o n
Muralt über „Zwingiis dogmatisches Sondergut", den
er auf einem Tag freigesinnter Theologen in Zürich am
1. Febr. 1932 gehalten hat. Zuerst wird auf die mit
Luther gemeinsamen Gedanken verwiesen, dann die Differenz
in Abendmahlslehre, Christologie und Geistlehre
kurz berührt, um vor allem die Eigenart Z.s in seiner
Auffassung des Gesetzes, der Anthropologie, Religionsphilosophie
und Gotteslehre aufzuzeigen. Der Vf. betont
, daß Z. Luther nicht immer gerecht geworden sei,
daß er aber schärfer als Luther den positiven Wert des
Gesetzes erkannt habe und darin sei er der Vorläufer
Calvins geworden. In der Anthropologie wird der große
Abstand zwischen Luther-Calvin einer-, Zwingli andererseits
aufgezeigt und als erste Darlegung der zwinglischen
Lehre vom Erbresten die Schrift „Von der Taufe, von
der Wiedertaufe und von der Kindertaufe" vom Mai
1525 nachgewiesen. In der Religionsphilosophie zeigt
sich Z. als Schüler des Erasmus, der sich aber durch
die gottgegebene Wahrheit trotz der Symbolhaftigkeit
aller Begriffe unausweichlich ergriffen weiß. Auch in
der Gotteslehre zeigt sich Z. philosophisch bestimmt,
wie an seinen Abhandlungen und Predigten gezeigt wird.
Zahlreiche weniger bekannte Belegstellen werden wört-

j lieh angeführt. Miszellen besprechen die zwei Tafeln
mit einem Bild des Oswald Myoonius und der Zwingli-

i stube in der Schulei, nennen Kastl bei Altötting als Hei-