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Ausgabe:

1932 Nr. 8

Spalte:

174-176

Autor/Hrsg.:

Turner, Cuthbertus Hamilton

Titel/Untertitel:

Ecclesiae Occidentalis Monumenta Juris Antiquissima. Tom. I, fasc. 2, pars 3 1932

Rezensent:

Dörries, Heinrich

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Theologische Literaturzeitung 1932 Nr. 8.

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men hat. Und so ist durch vereintes Wirken dem altgewohnten
Buch eine neue Gestalt gegeben. Jülicher selbst
hat Paulus und seine Briefe sowie die immer einzigartigen
Meisterstücke seines Werkes, die Geschichte des
Kanons und des Textes bearbeitet. Fascher hat die
Pastoralbriefe und alles Übrige übernommen. Der Umfang
des Textes ist bei gleicher Ausstattung um 46 Seiten
gestiegen, aber die Energie der Neuschöpfung reicht
viel weiter, als diese Zahl erkennen läßt.

Jülicher hat mit größter Sorgfalt die bedeutsamen
Neuerscheinungen verfolgt und sie in angemessener
Weise zur Geltung gebracht. Die Chronologie des Paulus
wird auf die neue, durch die Gallioinschrift gebotene
Basis gestellt, aber sie hat keine durchgreifenden Änderungen
erfahren — wie es ja auch der Sachlage entspricht
. Jene Inschrift hat unsere Kenntnis nicht umgestellt
, sondern nur das bereits vorher als wahrscheinlich
erkannte in engere Grenzen gefaßt. J. setzt jetzt die
Bekehrung des Paulus ins Jahr 33 (statt früher 35), das
Apostelkonzil 49 (statt 52), die Gefangennahme 58
(statt 59), und die Romreise ist bei ihrem alten Ansatz
auf Herbst 60 geblieben. Die Hypothese einer ephesi-
nischen, durch Gefangenschaftsbriefe bereicherten Gefangenschaft
des Paulus lehnt J. ab, wie ich meine mit
Recht. Der spanischen Reise Pauli und meinen petrinischen
Reisehypothesen steht er skeptisch gegenüber.
Seine Erklärung über die Gründe für den abrupten
Schluß der Apostelgeschichte ist jetzt vorsichtiger formuliert
, wenn auch sachlich unverändert. In der speziellen
Kritik der Schriften finden wir bei II. Thess. eine
sorgfältige Auseinandersetzung mit Harnacks Hypothese
und in Fortführung der dabei angestellten Erwägungen
jetzt im Gegensatz zu früher die Entscheidung für Un-
echtheit des Schreibens. Beim Galaterbrief vertritt J.
nun die Nordgalatische Hypothese auch noch, aber
nicht mehr ganz so bestimmt wie früher: was mich
wunder nimmt, denn mir ist es gerade umgekehrt ergangen
, und „Südgalatien", was es gar nicht gibt, erscheint
mir heutzutage indiskutabel. Die Theorie Lüt-
gerts, die Ropes jüngst wieder aufgenommen hat, es
sei in Galatien auch ein pneumatischer Libertinismus
festzustellen, findet J.s Beifall nicht. Beim II. Cor.
vertritt J. jetzt die Annahme einer Interpolation von
6, 14—7,1: wobei aber der Versuch, dies Stück ebenso
wie andere Teile des Briefes einem andern, verlorenen
Paulusbrief zuzuschreiben, zurückgewiesen wird. Ich vermisse
hier sowohl wie bei andern Interpolationsannahmen
die Mitteilung, in welchem Exemplar wir uns diesen
Zusatz eingetragen zu denken haben. In dem der Gemeinde
, also im Original? Oder im Exemplar des Ur-
sammlers? Oder in einem späteren der schon ausgebreiteten
Sammlung? Wenn die Kritiker das bei jeder
derartigen Hypothese angäben und man dann die Antworten
zusammenstellte, würde das ganze Problem neu
gestellt werden und in seinem Zusammenhang mit
Kanon- und Textgeschichte erscheinen. Das wäre ein
Gewinn für unsere Erkenntnis. Gegen Windisch hält J.
an der Zusammengehörigkeit von Kap. 8 und 9 fest,
während er der Vierkapitelbrief-Theorie jetzt freundlich
gegenüber steht. In der Kanongeschichte hat der Abschnitt
über Marcion unter dem Einfluß von Harnacks
großer Monographie eine völlige Neugestaltung und Bereicherung
erfahren, und in der Textgeschichte dürfen
wir uns nun eines Berichts über die Probleme der Itala
erfreuen, den niemand so knapp und inhaltsreich geben
konnte wie J.

Fascher gibt in dem einleitenden Paragraphen 2
sehr erwünschte Erweiterungen: er spricht kurz über
Formgeschichte, rhythmische Theorien, und ausgiebig
über Schallanalyse. Sodann behandelt er mit erfreulicher
Breite die Versuche, die Geschichtlichkeit Jesu zu
leugnen bis hin zu den frechen Schwindeleien des Benan-
briefes und verwandter Erzeugnisse. Bei den katholischen
Briefen werden die Vermutungen über eine ürund-
schrift des I. Petr. ausführlicher behandelt und bei Jac.

die neue Hypothese A. Meyer's sorgfältig und halb zu-
I stimmend erörtert. Die Formgeschichte wird bei der
Behandlung der synoptischen Frage S. 347—349 u. 368 f.
noch einmal kurz gewürdigt, bei Markus der unechte
Schluß durch das neue Material beleuchtet, und bei der
johanneischen Frage die Unsicherheit aller Lösungen
] eindrucksvoll betont. Aber im großen und ganzen ist
| Fascher dem Text der 6. Auflage mit größter Pietät
gegenübergetreten. Und das ist zwar menschlich verständlich
, aber um der Sache willen nicht zu loben: denn
es bleiben nun namentlich bei der synoptischen Frage,
. dem Johannesevangelium, der Apostelgeschichte und der
! Apokalypse nicht unerhebliche Desiderata, deren Erfüllung
den Wert des klassischen Buches in der neuen
i Form noch höher gesteigert hätte. Und zu dem Zwecke
hätte F. schon eben so rücksichtslos den Text neuge-
i stalten dürfen, wie es Jülicher selbst mit vollem Erfolg
I getan hat.

Berlin. Hans Lietzmann.

Turner, C. H.: Ecclesiae Occidentalis monumenta Juris anti-
quissima. Tom. I, fasc. 2, pars 3. Oxford: Clarendon Press 1930.
(p. 444—624). 42 sh.

Strewe, Lic. Adolf: Die Canonessammlung des Dionysius
Exiguus in der ersten Redaktion. Berlin: W. de Gruyter &
Co. 1931. (VIII, 107 S.) gr. 8°. = Arbeiten z. Kirchengesch., hrsg.
v. E. Hirsch ti. H. Lietzmann, 16. RM 10 — ; geb. 11.50.

Der ursprüngliche Plan des bekannten englischen
Werkes ging auf die Herausgabe der griechischen Konzilsbeschlüsse
des IV. und V. Jahrhunderts, soweit sie
die Grundlage des lateinischen Kirchenrechts geworden
| sind. Das hieß zugleich, die große Zahl der Übersetzungen
aufzusuchen und ihrer Geschichte nachzugehen. Der
f. Band brachte mit den Apostolischen Canones des
{ Dionysius Exiguus vor allem die Nizänische Überliefe-
: rung, Symbol und canones. Er sollte in weiteren Heften,
zu denen auch das vorliegende gehört, Material liefern,
j das sich in Gallien, Alexandrien und Rom mit Nicäa
verbunden hat oder dessen Fortleben in den Dekreten
■ der Päpste bis auf Leo I. dokumentiert. Der II. Band
ist dann den Übersetzungen der Konzilsbestimmungen
[ von Ankyra bis Chalkedon gewidmet; davon sind vier
< Konzile bereits gedruckt, zwei weitere sind ,in promptu',
] während die Herausgabe der canones von Ephesus und
Chalkedon, der beiden noch übrigen Synoden, von T.
selbst unter Hinweis auf E. Schwartz' Konzilienwerk als
[ minder erforderlich bezeichnet wird. Da die Fortführung
des großen Unternehmens gesichert scheint (dazu Burkitt
im Journal of theological studies XXXII 1931 p. 118:
| we may hope that the Notes of Turner's Birkbeck-
Lectures, delivered at Trinity College, Cambridge, two
years ago, will be found to contain Prolegomena to the
still unfinished series), und das gallische Supplement
i noch von Turner als nahezu fertig bezeichnet wurde
(non nulla restabant adhuc polienda, und es wird schon
; mit Seitenangabe darauf verwiesen, p. 622), so darf man
j hoffen, in absehbarer Zeit, das Gesamtwerk abge-
I schlössen zu sehen. Ist dann der im 1. Heft ausgesprochene
Wunsch, auch die spanischen, gallischen, afrikanischen
Synoden des IV. und V. Jahrhunderts vollständig
zu edieren, nur zu einem Teil verwirklicht worden
, so ist der eigentliche Plan dann doch durchgeführt,
und noch reichhaltiger und interessanter als es einst in
i Aussicht gestellt wurde.

Der zuletzt erschienene Teil enthält die canones von
I Serdica (diese Schreibart verdient nach T. den Vorzug)
| und die gasta de nomine Apiarii. Die Anordnung T.s
j läßt Serdica als Anhang zu Nicäa erscheinen. Sie folgt
j damit dem ältesten römischen Brauch, der die für die
| römischen Jurisdiktionsansprüche so günstigen canones
; unter die Autorität der Konstantin-Synode stellte. Wäh-
j rend es später üblich wurde, sie hinter das Corpus der
griechischen Synoden zu verweisen, gibt der beste Text-
; Zeuge, die Handschrift von Christi, ihnen diesen bevor-
' zugten Platz. Der Anschluß der afrikanischen Apiarius-
! Verhandlungen ist dadurch geboten, daß sie die älteste