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Ausgabe:

1932 Nr. 7

Spalte:

161-162

Autor/Hrsg.:

Zwingliana. Mitteilungen zur Geschichte Zwinglis und der Reformation. 1931, Nr. 1/2. (Bd. V

Titel/Untertitel:

Nr. 5 u. 6.) 1932

Rezensent:

Bossert, Gustav

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161

Theologische Literaturzeitung 1932 Nr. 7.

162

des Klosterarchives, dessen Schätze nach der Säkularisation
nicht ohne Verschulden des klosterschwarzachi-
schen Registrators, Pater F. Ackermann, in alle Winde
zerstreut wurden. Desto verdienstvoller ist es, wenn nun
Pater Kaspar die noch auffindbaren Archivalien nach
ihrem jetzigen Standort in staatlichen, städtischen, kirchlichen
, klösterlichen und privaten Archiven sorgfältig registriert
und dadurch wie durch seine kritische Bewertung
aller Dokumente den Weg ebnet zur Abfassung
einer quellenmäßigen Geschichte der Abtei Münsterschwarzach
, die noch der Bearbeitung harrt und angesichts
der nicht geringen Rolle, die einst das Kloster
spielte, einen wertvollen Beitrag für die fränkische Geschichte
abgeben wird.
Ansbach.____K. Alt-

Zwingliana, Mitteilungen z. Geschichte Zwingiis u. d. Reformation
. Hrsg. v. Zwingliverein in Zürich. 1931 Nr. 1/2. (Bd. V,
Nr. 5/6.) Huldrych Zwingli z. Gedächtnis seines Todes am 11. Okt.
1531. 5 Vorträge v. F. Blanke, H. Escher, O. Farner, W. Köhler,
L. von Muralt. Zürich: Berichthaus 1931. (96 S. m. 1 Taf.) gr. 8°.
Auf Veranlassung der Pestalozzi-Gesellschaft wurden
zum Gedächtnis Zwingiis im Winter 1930/31 fünf
Vorträge in Zürich gehalten, die hier vorliegen. O. Farner
schildert Zwingli als Persönlichkeit und geht ein
auf die Frage der Bekehrung Z.'s; sie kulminiert in
dessen Pesterkrankung und ist erkennbar in Z.'s Selbstbeurteilung
und in der aufreibenden Hingabe an den
Dienst der Sache Gottes. Zu beachten ist auch die Auseinandersetzung
mit den Einwänden der katholischen,
lutherischen und modernen Kritik an Z., welche ihm
bald sein Vorleben, bald Ehrgeiz, bald die konfessionelle
Spaltung der Schweiz vorwerfen. Den Einwand
von vierter Seite, der täuferischen, berücksichtigt L. von
Muralt in seinem Aufsatz über Z. als Sozialpolitiker
; er schildert Z.'s Sozialpolitik als notwendige Folge
des neuerfaßten Verständnisses des Reiches Gottes. Sittengesetzgebung
, Schule und Armenpflege wurden Aufgabe
des Staats. Die Bauernbewegung verlief im Ganzen
friedlich, die Täuferbewegung machte um so mehr
zu schaffen. Die Kindertaufe wird staatliche Ordnung,
die Einführung der Kirchenbücher dient der Abwehr der
Täufer. Bis zur Aufhebung des Klosters Rheinau 1862,
ja bis zur Gegenwart wird die Auswirkung der Grundsätze
Z.'s nachgewiesen. H. Escher handelt von Z.
als Staatsmann. Schon seine Ausweisung aus Wien wird
in Beziehung gebracht zu seiner Vaterlandsliebe. Die
überragende Stellung Z.'s in der Zürcher Politik wird
gewürdigt und die Fortführung seiner Gedanken durch
Bullinger und Calvin nachgewiesen. Zu kurz weggekommen
ist die Rolle, welche Herzog Ulrich von Württemberg
als Mittelsmann zwischen Zwingli und Philipp
von Hessen spielte. Fr. Blanke bespricht Z.'s Beitrag
zur reformatorischen Botschaft und weist nach, was
Luther und Zwingli verbindet und unterscheidet in
Schriftverständnis und -auslegung,' in Theologie und
Abendmahlslehre. Dann wird deutlich gemacht, wie Z.
in der Bundestheologie und Abendmahlslehre Calvin
vorgearbeitet hat. Gegenüber Calvins Vorwürfen sucht
Bl. zu zeigen, daß auch Z. schon in seinen späteren
Schriften das Abendmahl als Gnadengabe gewürdigt
habe. Es ist Blankes Verdienst, daß er die Erörterung
der Abendmahlslehre Z.'s wieder in Fluß bringt. Das
Nachdenken über Schrift und Geist führte Z. nicht,
wie E. Seeberg meint, zum Spiritualismus, sondern
wie Bl. zeigt, zur scharfen Unterscheidung zwischen
Gott und Kreatur. W. Köhler untersucht Z.s
Glaubenserkenntnis (Fidei ratio) von 1530. K. sieht
in diesem rasch, aber meisterhaft entworfenen Abriß
der Zwinglischen Gedanken eine Antwort auf die
Schwabacher Artikel und die Vermahnung an die Geistlichen
, die Z. als Angriff Luthers gegen seine Lehre
empfand. K. zeigt, wie Z. bei der Ausarbeitung sich auseinandersetzte
vor allem mit den Marburger und Schwabacher
Artikeln und der Widerlegung der letzteren in
den 17 Artikeln Wimpinas u. Gen., daß ihm aber weder

i die Confessio noch die Confutatio, kaum die 404 Artikel
I Ecks vorliegen konnten. Vor allem handelt es sich um
i die Abendmahlslehre, aber auch das Los der ungetauften
; Kindlein und die als Aufrührer gekennzeichneten Täufer
finden ihren Platz in Z.'s Ausführungen. Nicht irgendwelche
Zeremonie charakterisiert die Einheit mit der
wahrhaft katholischen Kirche, sondern allein die Zugehörigkeit
zu Christus. K. sucht Z.'s Glaubensbegriff
abzugrenzen gegen den m. a. Katholizismus, den Huma-
I nisrnus und die Renaissance und aus dem Gottesge-
; danken Z.s seine von der römischen und lutherischen
verschiedene Auffassung des Abendmahls, der Kirche
und der Obrigkeit abzuleiten. Mit einer kurzen Schilderung
der Aufnahme des zwinglischen Bekenntnisses bei
i Katholiken und Lutherischen schließt K. seine Darlegung
, welche in den Anmerkungen noch dankenswerte
j Hinweise gibt.

Horb._G. Bossert.

Lfltgert, Prof. D. Wilhelm: Das Ende des Idealismus im Zeitalter
Bismarcks. Gütersloh: C. Bertelsmann 1930. (XIV, 480 S.)

' gr. 8°. RM 16- j geb. 18—.

Mit dem 4. Band gelangt Lütgerts großangelegte

• Geschichte des deutschen Idealismus zu ihrem Abschluß.
Das Ende der idealistischen Bewegung im Zeitalter Bismarcks
wird geschildert. Damit läßt sich das in seiner

1 Monumentalität erst jetzt deutlich heraustretende Werk

I voll übersehen. Der Eindruck verstärkt sich, daß dem
Ganzen doch eine fruchtbare und in ihrer Art zwingende

; Idee zugrunde lag. Denn nur so erklärt es sich, daß ein
ungeheuerer Stoff bewältigt und unter einen einheitlichen

' Gesichtspunkt gerückt werden konnte. Wir möchten
auch nicht verhehlen, daß wir mit L.'s Tendenz, trotz
gewisser Vorbehalte im Einzelnen, aufs Ganze gesehen
übereinstimmen.

1. Der 4. Band hat Rundung und Tragkraft genug,
um als selbständiges Ganzes existieren zu können. Ihm
eignen sowohl stofflich wie formal gewisse Vorzüge,

i die ihm im Rahmen des Gesamtwerks eine bevorzugte
Stellung sichern. Zunächst kommt ihm zu gut, daß er
das Zeitalter Bismarcks behandelt. Es ist immer reizvoll,

, eine Epoche geistesgeschichtlich betrachtet zu sehen, die
unmittelbar in die Gegenwart hineinwirkt, und in der die

i heute lebende ältere Generation noch persönlich verwurzelt
ist. Aber L. tut ein übriges, um die noch nicht
weit zurückliegende Zeit lebendig werden und zu uns
sprechen zu lassen. Seine Methode der statistischen Erhebung
, Belegstellensammlung und Quellenforschung er-

i weist sich gerade einer Geschichtsstufe gegenüber als
fruchtbar, die realistischen Charakter hat, in der sich die

I großen ideengeschichtlichen Bezüge schon weithin aufgelöst
haben und der Sachgehalt als solcher stärker zur
Geltung kommt. Dadurch, daß L. auch jetzt wieder

i eine Fülle von abseits liegenden und schwer zugänglichen
Quellen erschließt, bekommt das Zeitbild persönliche
und intime Züge, die es vorteilhaft gegen die üb-

I liehen klischeehaft-offiziellen Darstellungen abheben und

i auch Bekanntes in neuem Licht erscheinen lassen.

Im Einzelnen wird wieder eine Fülle von Stoffgebieten
behandelt. Die politische Gestaltung steht natur-

! gemäß im Vordergrund. Die Auseinandersetzung des
Idealismus und der mit ihm ideengeschichtlich zusammenhängenden
Erweckungsbewegung mit der Bismarck-

i sehen Realpolitik und dem Sozialismus, sowie die Parteistellungen
der geistigen Mächte im Kulturkampf erfahren
eine eindringliche Untersuchung, überall zeigt

1 sich ein Versagen der den Zeitproblemen nicht mehr gewachsenen
idealistischen Prinzipien. Das zweite Buch
begibt sich auf das Gebiet des geistigen Lebens. Es

1 schildert die abnehmende Bedeutung der Antike, die ja
ein Hauptelement der idealistischen Humanitätskultur

i war, innerhalb der deutschen Bildung, spricht von dem
epochemachenden Zusammenstoß des Idealismus mit der
Naturwissenschaft, der mit dem Sieg des Positivismus
endet, und begründet schließlich das Hochkommen des
deutschen und europäischen Pessimismus. Das dritte