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Ausgabe:

1932

Spalte:

153-155

Autor/Hrsg.:

Rahlfs, Alfred

Titel/Untertitel:

Septuaginta. X: Psalmi cum Odis 1932

Rezensent:

Eissfeldt, Otto

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153

Theologische Literaturzeitung 1932 Nr. 7.

den thrakischen Ares. Althellenisch sind sicher Zeus,
Hera, Poseidon, Hermes, Demeter. Als dorisch faßt W.
jetzt nur noch Karnos, nicht mehr wie früher Herakles.
Und da dieser als dorischer Heros gefallen ist, möge
man auch in Zukunft aufhören, immer wieder zu sagen,
das Wesentliche an dieser Gestalt sei: „Mensch gewesen,
Gott geworden; Mühen erduldet, Himmel erworben".
Einen ursprünglichen Monotheismus lehnt W. natürlich
mit Recht ab, wie jeder, der auch nur etwas von
der griechischen Religion versteht (S. 284): „Nachdrücklich
muß betont werden, daß nicht nur jeder Gedanke an
einen Monotheismus der Urzeit ausgeschlossen ist, sondern
auch neben den konkreten Göttern so etwas wie
ein gestaltloses höchstes Wesen überhaupt dem hellenischen
Empfinden und Denken fremd ist."

Die Besprechung dieser einzelnen Gottheiten nimmt
einen großen Teil des vorliegenden Bandes ein und gibt
Gedanken, die in der künftigen Diskussion werden beachtet
werden müssen.

Das Erscheinen des zweiten Bandes ist gesichert.
Er wird von G. Klaffenbach, der auch bei der
Drucklegung des ersten mitgewirkt hat, herausgegeben
werden.

Würzburg. Friedrich P f i s t e r.

Rahlfs, A.: Septuaginta. Societatis Scientiarum Gottingensis.

X. Psalmi cum Odis. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 1931.

(I, 366 S ) gr.8°. RM 32.20; geb. 35—.

Nach zwei bald stecken gebliebenen Ansätzen — der
1922 erschienenen Probeausgabe des Buches Ruth und
dem ersten, die Genesis enthaltenden Bande der von
der Privil. Württ. Bibelanstalt in Stuttgart verlegten
Septuaginta Ausgabe von 1926 — beginnt A. Rahlfs
jetzt das Werk, das endgültig seine über 30 Jahre sich
erstreckenden umfassenden Vorarbeiten krönen und' die
Septuaginta in ihrer ältesten erreichbaren Textgestalt
darbieten soll. Die Zahl und der Inhalt der in Aussicht
genommenen Bände sind dieselben geblieben, wie sie
von der Stuttgarter Ausgabe vorgesehen waren: I Genesis
; II Exodus, Leviticus; III Numeri, Deuteronomi-
um; IV Josua, Judicum, Ruth; V Regnorum I. II; VI Re-
gnorum III. IV; VII Paralipomenon I. II; VIII Esdrae
I. II, Esther, Judith, Tobit; IX Maccabaeorum I—IV;
X Psalmi cum odis; XI Proverbia, Ecclesiastes, Canti-
cum, Job; XII Sapientia, Siracides, Psalmi Salomonis;
XIII Duodecim Prophetae; XIV Jesaias; XV Jeremias,
Baruch, Threni, Epistula Jeremiae; XVI Ezechiel, Susanna
, Daniel, Bei et Draco. Aber die Ausgabe beginnt
nicht mit Band I, sondern mit Band X und wird auch
weiterhin zunächst die Bände der zweiten Hälfte, als
nächste IX Macc und XIV Jes, bringen, um so — eine
entschieden zu begrüßende Maßnahme — die in der
großen englischen Ausgabe von Brooke-McLean
noch nicht vorliegenden und dort auch wohl so bald
nicht zu erwartenden Bücher dem Benutzer darbieten
zu können. Obwohl das große, auf 250 Druckbogen
geschätzte und in der Erscheinungsweise seiner einzelnen
Bände auf einen Zeitraum von 20 Jahren zu verteilende
Werk in einer Zeit zu erscheinen beginnt, da
manchem der Mut, auf lange Sicht zu planen und zu arbeiten
, entschwinden möchte, darf man doch hoffen, daß
es in ununterbrochenem stetigen Fortschreiten seinem
Abschluß wird entgegengeführt werden können. Die
Vorbereitungen für die Erreichung dieses Ziels sind
jedenfalls getroffen, auch dadurch, daß dem Herausgeber
zwei jüngere Fachgelehrte, Werner Kappler und
August Möhle, mit ihrer ganzen Kraft als Mitarbeiter
an die Seite getreten sind.

Für eine Septuaginta-Ausgabe gibt es drei Möglichkeiten
. Man kann erstens eine Handschrift, etwa B, getreu
abdrucken und ihr im Apparat Varianten aus einer
kleineren oder größeren Zahl von anderen Handschriften
mitgeben, wie es Swete und auch Brooke-McLean
getan haben, ein Verfahren, das den Vorteil hat, daß

man es im Text und Apparat mit ganz präzisen, leicht
! nachprüfbaren handschriftlichen Angaben zu tun hat,
aber den Nachteil mit sich bringt, daß der Text eine
mehr oder weniger zufällige Einmaligkeit darstellt und
daß der Apparat ein chaotisches Nebeneinander text-
j kritisch wichtiger und textkritisch gleichgültiger Angaben
; enthält, dazu noch ohne textgeschichtliche Gruppierung.
Den zweiten Weg ist L a g a r d e in seiner Teilausgabe
des „Lucian"-Textes von 1883 gegangen, wo er eine
der durch die Überlieferung bezeugten und durch die
textgeschichtliche Forschung bestätigten Textformen dar-
j bieten wollte. Als Korrelat zu einem derartigen Text
I müß.e dann — eine von Lagarde in diesem Falle
| nicht gelöste Aufgabe — ein Apparat geliefert werden,
j der die Varianten in einer nach den übrigen Textformen
i geordneten Folge vorführt. Eine derartige Ausgabe wird
I den Erfordernissen der neueren textgeschichtlichen Er-
| kenntnisse gerecht und bringt, falls sie solide fundiert
j ist, irn Text und Apparat Größen, die wirklich einmal in
großen Kirchenprovinzen eine Rolle gespielt haben. Aber
i sie führt im Text und Apparat nicht oder vielfach
! nicht die Angaben bestimmter einzelner Handschriften
vor, sondern ein aus den vielen zu einer Gruppe gehörenden
Zeugen resultierendes mixtum compositum,
das nicht mehr als Wahrscheinlichkeitswert für sich in
Anspruch nehmen kann, und Lagarde's „Lucian"-
Text ist das beste Beispiel dafür, daß hier falsche Voraussetzungen
in der Beurteilung von Handschriften zu
einem völlig falschen Ergebnis führen können. Die dritte
Möglichkeit aber ist die von Rahlfs gewählte, der
unter Verarbeitung des gesamten Überlieferungsstoffes
bis zum ältesten überhaupt erreichbaren Text vordringen
und diesen darbieten, im Apparat aber die Lesarten der
einzelnen Textgruppen bzw. der einzelnen Handschriften
, soweit sie als Repräsentanten der Gruppen gelten
können, vorführen will.

Die 70 Seiten starken Prolegomena, die in § 1 die
verglichenen Handschriften, Übersetzungen und Kirchenväter
nennen; in § 3—5 die drei alten Textformen —
die unterägyptische (B, S), die oberägyptische (U, 2013)
und die abendländische (R) sowie die für sie inbetracht
kommenden alten Übersetzungen behandeln; in § 6 von
der Rezension des Origenes (2005, 1098, Psalt. Galli-
canum) und in § 7 von der Lucians (100 Handschriften
j beiHolmes-Parsons, Theodoret, Paulus von Telia)
sprechen; in § 8 sonstige Textzeugen (A, 1219, 55
und Fragmente) charakterisieren; in § 9 die Grundsätze
für die Gestaltung von Text und Apparat darlegen und
schließuch in § 10 einen Anhang über die „Oden" darbieten
, stellen die Grundlage dar, auf der die Psalmen-
Ausgabe selbst beruht. Das Wichtigste sind die vier
Prinzipien der Textgestaltung, die auf S. 71 f. genannt
I werden: 1. Gehen die drei alten Textformen — also die
unterägyptische, die oberägyptische und die abendländische
— zusammen, so ist deren Lesart aufgenommen.
Indes wird unter Umständen auch gegen sie entschieden,
dann nämlich, wenn sie alle drei einen als solchen
deutlich erkennbaren innergriechischen Fehler bringen,
wie 38, 6 jrcd.rnac statt TwXmaxaq. In solchen Fällen
wird nach 951 korrigiert. 2. Wenn die alten Zeugen voneinander
abweichen, wird die Lesart bevorzugt, die mit
OTgeht, z. B. tyEuöEi statt ön|>ei in 61,5. 3. Wenn die
alten Textformen von OTt abweichen, die jüngeren aber
mit OTt gehen, liegt der Verdacht nahe, daß diese nach 0H
korrigiert sind. Dann wird also gegen entschieden.
4. In zweifelhaften Fällen sind B und S maßgebend,
indes dann nicht, wenn sie ganz allein stehen.

Diesen Prinzipien entsprechend sind Text und Apparat
gestaltet, und zwar mit größter Sorgfalt und Peinlichkeit
.

Eine andere Frage ist die, ob diese Prinzipien als richtig
und als tragfähige Grundlage eines für Generationen
bestimmten Gebäudes anerkannt werden können. Da ist
zunächst zu sagen, daß es wohl möglich gewesen wäre, die
Grundlage noch breiter zu legen und neben den kop-