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Ausgabe:

1932 Nr. 5

Spalte:

109-111

Autor/Hrsg.:

Freitag, A. (Hrsg.)

Titel/Untertitel:

D. Martin Luthers Werke. Kritische Gesamtausgabe. 40. Bd., III. Abt 1932

Rezensent:

Ficker, Johannes

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Theologische Literaturzeitung 1932 Nr. 5.

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lieh ist die verhältnismäßig geringe Benutzung englischer
Hss. (s. Hss.-Verzeichnis. Zu S. 24, Anm. 31 kann ich
mitteilen, daß ich im Mert. Coli. Ms. 134 in Oxford ein
weiteres Exemplar des Sentenzenkommentars Nik. v.
Occams gesehen und benutzt habe), zumal es sich um
viele englische Autoren handelt.

Diese geringen Anstände können jedoch den Wert
dieser Ausgabe nicht herabsetzen, wie man denn vor der
«n diesem Werke niedergelegten Forscherarbeit nur die
größte Hochachtung haben kann.
Gießen. J- F. Laun.

ILutherj: D. Martin Luthers Werke. Kritische Gesamtausgabe.
40. Bd. 3. Abt. Hrsg. v. A. Freitag. Die Bibliographien von
J. Luther. Weimar: H. Bühlau 1930. (V, 776 S.) 4U.

RM 48—; Hldr. 58—.

Man wird nicht ohne besondere Bewegung diesen
— leider buchtechnisch etwas zu beanstandenden' —
Band zur Hand nehmen. Denn er enthält Luthers
letzte Vorlesungen aus seinem Lebensbuche, mit dem
er seine volle akademische Arbeit begonnen hat,
und aus den Profeten. Der Behandlung einzelner
Psalmen 1532 läßt er hier während eines Jahres
(Herbst 1532 bis Herbst 1533 ) die geschlossene
Gruppe der Stufenpsalmen folgen („in quibus audiveritis
multas graves doctrinas et summas de omnibus articulis
totius Christianae religionis", 469 f.), danach, sogleich
mit einem Worte von seinem Tode beginnend, den 90.
Psalm, von dessen gegenüber seiner ersten (W. A. 4,
53 ff.) mächtig vertieften Auslegung er zu seiner letzten
großen Vorlesung, der über die Genesis, sich wendet,
„ut in verbo et opere Dei moriamur" (594). Diese unterbrach
er kurz durch die weihnachtliche über Jes. 9
(1543) und die zur Passion über Jes. 53 (1544). Den
Abschluß des Bandes bildet eine, wohl in die späteste
Zeit (1545) zu setzende Zufügung zu seiner von V. Dietrich
sehr frei herausgegebenen frühen Vorlesung über Hosea,
zu 13,14 (und 12 f.) in Verbindung mit 1. Kor. 15,55.
Man wird sich bei allen den behandelten Stücken auch an
ihre besondere liturgische Verwendung zu erinnern haben
. Es sind alles Auslegungen von hohem Werte, doch
sind sie in ihrer Textgestalt verschiedenwertig, entsprechend
ihrer verschiedenen Überlieferung: eigenhändig
von Luther ist der Schluß des letzten Stückes; zu den
Stufenpsalmen liegt Hörers Nachschrift vor, und zu
Ps. 90 außerdem noch Rörers sorgfältige, auch nachträglich
ergänzende Überarbeitung seiner Nachschrift.
Die anderen Stücke gehen auch auf Hörer zurück, sind
aber mit Ausnahme eines kleinen Teiles nur in den
Druckausgaben vorhanden, die von verschiedenen, in der
Hauptsache, wie auch die der Psalmen, von V. Dietrich
veröffentlicht sind, diese Drucke, wie auch hier die
fortlaufende Gegenüberstellung dartut, gründlich überarbeitet
. Immer aufs neue sagen wir Hörer für seine
Sorgfalt und die Behendigkeit seiner Feder Dank, daß er
uns, wie es nur irgend möglich war, die kostbare Ursprünglichkeit
auch dieser Kollegs erhalten hat, in dem
sprudelnden Fluß der Rede Luthers, ihrer quellenden
Wirklichkeit und persönlichen Unmittelbarkeit, auch vielfach
im deutschen Eigenklang, während der viel breitere
disserierende Stil Dietrichs die Lokalfarbe beinahe ganz
hat verschwinden lassen und die konkreten Beispiele
in Orten und Personen, auch die polemischen (Herzog
Georg, Erasmus, Zwingli, einzelne Schwärmer) entweder
verallgemeinert oder gar weggelassen und auch sonst
Luthers Urteile vielfach abgeschliffen hat (einige Proben
sind S. 477f. herausgegriffen). Er selbst fügt manches Eigene
zu. Der schon an der Herausgabe vorausgehender
Vorlesungen beteiligte H. Herausgeber, D. Freitag, ist
sorgsam den nicht durchweg einfachen Verhältnissen
der Überlieferung nachgegangen. Ich kann nicht verschweigen
, daß ich in manchem die Edition anders be-

1) Der Text ist mitten im Bande (Bogen 31 ff.) in einer etwas andern
Letter gedruckt und das von P. Jänke bearbeitete Register ist erst nachgeliefert
worden und fehlt deshalb in den gebunden bezogenen F.xemplaren.

handeln würde. Gewiß wird man auch einem lateinischen
Autograph Luthers möglichst seinen Charakter lassen.
Aber ich wiederhole (s. Theol. Lit. Zeitung 1931, Sp.
473): es ist irreführend, z. B. Stimülüs tüüs zu drucken.
Der Doppelpunkt und —strich ist bei L. nur das Vokal-
zeichen für u zum Unterschiede von n (s. auch Knaake
in W. A. 2, 686 Anm. und Kawerau ib. 3, 9). Und nicht
druckgeläufige Abbreviaturen im Texte stehen zu lassen:
qn, pt, über- oder vielmehr unterschreitet den Zweck
einer Ausgabe. Verfolgt man einen besondern Zweck:
Gegenüberstellung von Original und Druck, so gebe man
das besonders. Da wo es sich um dii minores oder gar
um Drucktexte handelt, scheint mir erst recht eine mehr
historische als bloß literal-grafische Methode richtiger,
z. B. in der Schreibung von anfangenden Klein- und
Großbuchstaben. Es erschwert das Lesen und es ist
ganz gewiß auch gegen Luthers Art, daß man z. B.
albis (== Elbe) druckt.

Gern hebe ich hervor, daß der H. Herausgeber in
der sachlichen Kommentierung bis zum Ende immer umfassender
verfahren ist und zumal den sprachlichen
Grundlagen und Bearbeitungen große Mühe zugewendet
hat. Wenn aus dem unbeschreiblichen Reichtum Luthers
nur einige wenige Einzelheiten berührt sein sollen, so
ist es nicht unwichtig, daß von L. außer den durchweg
befragten Autoren und dem Nachschlagewerke Perottis
als hebräische Gewährsmänner Felix Pratensis und Sebastian
Münster genannt werden. Der letztere auch nur
einmal; er gehörte für L. zu den „Ebraisten, die mehr
Rabinisch denn Christisch sind" (Enders 15, 274, s.
11, 313 ff.). Aber L. hat doch sein Bibelwerk' vor sich
gehabt, s. S. 664. 720, vgl. 621. 680. öfters ist von
L. das ebenfalls zitierte Fortalicium fidei benützt, doch
hier erst von der Auslegung von Jes. 9 ab. Es erscheint
mir nicht richtig, was der H. Herausgeber äußert (S.
669 Anm.), daß L. diese Schrift schon 1518 benützt
habe; für die angezogene Stelle reicht die Erklärung von
Lyra (zu Mat. 5, 21 und Ex. 20, 13) aus. L. hat den
Druck wohl erst bei seiner großen Auseinandersetzung
„Von den Juden und ihren Lügen" 1542 zur Hand bekommen
. Wiederholt haben L. auch jetzt noch die
Interpretationes Dominum hebr. der mittelalterlichen Bibel
gute Dienste getan (200. 502. 692). Nicht selten
weist L. ab, als hebräischer Grammatiker zu arbeiten und
zu gelten, aber er steht doch durchaus auf dem Grunde
sicherst beherrschter sprachlicher Wissenschaft, und von
hier aus erhebt er sich in seiner Rede zu Aussprüchen
unerhörter Kühnheit („Deus diabolus diaboli, mors mortis
, peccatum peccati, malum malorum", 376), und zu
Schilderungen höchster, atembenehmender Gewalt. In
wie erschütternder, fast körperlich gefühlter Wirklichkeit
ist das Urlied von der Vergänglichkeit Ps. 90 in der Vorlesung
nachgedichtet worden!' Das lebendig Persönliche
gibt sich auch in einer ganzen Reihe persönlicher Erinnerungen
Luthers aus seiner Frühzeit Ausdruck. Für
die dogmatische Terminologie sei auf die wiederholte
Verwendung von activa — passiva (resurrectio, victoria,
763 ff.) und für das Inhaltliche selbst auf die Ausführungen
über die communio naturarum in persona Christi
(zu Jes. 53, 1) hingezeigt. Ich möchte damit den Hinweis
auf Luthers Brief an Franz Groß verbinden (Enders
11, 134 ff.) mit der Erklärung des Glaubenssatzes:
„verum Deum pro nobis passum esse et inortuum" (vgl
ebenda 292).

Ein mehrfach Besonderes, in Manchem noch eine
Steigerung ist das Schlußstück des Bandes. Die Hosea-
stelle, bereits früher von L. öfters herangezogen, tritt
schon dadurch hervor, daß aus ihr das „Epitaphium"
Luthers, von ihm selbst öfters und dann unzähligemal
wiederholt, geformt ist. Damit spricht bei ihrer Behandlung
auch starker, persönlicher Anteil. Sie begegnet
außer in der Karfreitagsliturgie im Totenamt (in diesem
Zusammenhang auch von Paltz in der Coelifodina verwertet
), und in diesem hat regelmäßig auch 1. Kor. 15,55
seinen Ort. Beide Stellen sind von Staupitz, de imitanda