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Ausgabe:

1932 Nr. 4

Spalte:

83-85

Autor/Hrsg.:

Mingana, A.

Titel/Untertitel:

Apocalypse of Peter (in Bulletin of the John Rylands Library XIII - XIV) 1932

Rezensent:

Bauer, Walter

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Theologische Literaturzeitung 1932 Nr. 4.

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nung für die Bilder des Apok. allein in betracht kommt)
und hellenistischer Astrologie völlig unzutreffend ist, da
die orientalische Vorstellungswelt durchaus astrologisch
bestimmt und die „hellenistische" Astrologie auf der
babylonischen, also orientalischen Astrologie beruht. Es
ist gewiß auch hier ein Verdienst des Verf.s, daß er auf
die Schwierigkeiten und Unstimmigkeiten hinweist, die
in Boll's Vergleichungen immer wieder heraustreten:
die Sonne läuft durch jedes Bild des Tierkreises, nicht
bloß über die Jungfrau hin; die 12 Sterne sind kein
Ausdruck für die 12 Tierkreisbilder; die 2 Hauptbilder
heißen in der astrologischen Terminologie nicht yw>j
und öodxoyv, sondern stap'ftÄvos und>;Seoi;; manche Motive
(die Zahlen) sind einfach aus Daniel zu verstehen.
Trotzdem bleibt die Wahrscheinlichkeit, daß die ganze,
in der Bibel singulare und auf die Jesusgeschichte absolut
nicht passende großartige Szene am Himmel ebenso
sehr von einer dem Isis- oder Leto-Mythus verwandten
Sage als von der Anschauung des Sternhimmels
inspiriert ist. Die genauen Vorbilder und Traditionen,
die dem Apokalyptiker vorlagen, kennen wir eben nicht;
es ist auch hier mit der suveränen Freiheit zu rechnen,
mit der er geschaltet hat, überall, auch den biblischen
Vorbildern gegenüber, bzw. mit dem Wandel der Anschauungen
, der sich unberechenbar in seinen inneren
Schauungen (Joh. Schneider) vollzogen hat. Ich lehne
daher auch das von Fr. gestellte, allerdings wohl von
Boll selbst eingeführte Dilemma ab: „literarische
Mache" oder profetische Vision.

Für die weitere Diskussion der Boll'schen Thesen
ist das vorliegende Buch unentbehrlich, bringt es doch
manch neues Material und viel Literatur (namentlich die
Rezensionen von BolTs Buch); die radikale Ablehnung
der Boll'schen Thesen, die er empfiehlt, entbehrt der
hinreichenden Begründung.
Kiel. _H. Windisch.

1. Mingan a, A.: Apocalypse of Peter (in Bulletin of the John
Rylands Library XIII—XIV). Manchester: The University Press. 1931.
8°. == Woodbrooke Studies fsc. 6—8.

2. Ders.: The Work of Dionysius Barsalibi against the
Armenians. Ebda. 1931. XV, 489-599. = Woodbrooke Studies fsc. 9.

1. M. setzt in Heft 6—8 der Woodbrooke Studies
seine Herausgabe christlicher Apokryphen alt- und neu-
testamentlicher Art, die sich syrisch, arabisch und in
Garschuni (d. h. Arabischen Text mit syrischen Buchstaben
geschrieben) erhalten haben, fort. Diesmal bietet
er eine sehr umfangreiche „Apokalypse des Petrus" auf
Grund der Garschuni-Handschrift 70 seiner Sammlung.
Diese letztere enthält noch eine Anzahl anderer Kodizes,
die sich gleichfalls auf die Petrusoffenbarung beziehen
(s. S. 94 f. 211), mit M. 70 zusammen das repräsentieren
, was M. „eine syrische Renzension des Apo-
kryphons" nennen möchte (S. 94), unter einander aber
— vor allem auch, was die Länge anbetrifft — so stark
abweichen, daß man am besten von drei verschiedenen
Werken reden sollte. So erklärt es sich auch, daß sich
M. wesentlich darauf beschränken muß, einer Handschrift
zu folgen.

Von der syrischen Rezension unterscheidet er eine
ägyptische, enthalten in einem arabischen Werke, das
in mehreren abendländischen Bibliotheken vorhanden ist.
Aus dem arabischen Ägypten ist das Apokryphon zu
den Äthiopen gekommen und hat bei ihnen den Titel
„Klemens" erhalten als ein Bestandteil der pseudokle-
mentinischen Literatur. Diese äthiopische „Petrusapokalypse
" ist bisher schon — wenigstens teilweise — bekannt
gewesen und gab mit den griechischen Bruchstücken
die Grundlage für unser Wissen über die Petrusapokalypse
ab.

Durch M.s Bemühungen verfügen wir heute über
einen viel reicheren Stoff, der die Marke „Petrusapokalypse
" trägt. Doch schon der Umstand, daß mit dieser
Überschrift in M. 70 die andere „das Buch der Rollen"
(weil Petrus zu Klemens sagt: „Lege die Rollen zurecht
und schreibe nieder, was ich dir diktieren werde"; S.

! 103) in Wettbewerb tritt, könnte uns daran zweifelhaft
machen, ob viel für die Kenntnis der alten Petrusoffenbarung
aus der ersten Hälfte des zweiten Jahrhunderts
zu gewinnen ist. Und wenn wir das ganze lange

I Buch durchgelesen haben, wissen wir kaum zu sagen, ob

i wir davon etwas für die 270 oder 300 Stichen, welche

' die Petrusoffenbarung nach dem Verzeichnis der Cod.
Claramontanus und des Nicephorus (weshalb werden

I übrigens diese und die anderen Kanonsverzeichnisse,

! darunter das Muratorianische, welche die Pt.apok. ent-

1 halten, S. 97 f. unter den Zeugen nicht mit aufgeführt?)
umfaßt hat, in Anspruch nehmen dürfen. Das Buch als

! Ganzes ist ein ebenso lehrreiches wie schwer zu durchschauendes
Beispiel für einen ungemein verwickelten
Werdegang, wie ihn manche dieser Apokryphen — etwa
auch das griechisch, lateinisch, koptisch und slavisch

' überlieferte Bartholomäusevangelium — durchlaufen haben
. Dabei werden die unterschiedlichsten Stoffe apokalyptischer
, historischer und dogmatischer Natur zu einem
ungefügen, mit Wiederholungen belasteten Ganzen ver-

; einigt. Das Eindringen in ein neues Sprachgebiet bedeutet
vielfach die Einverleibung dort lagernden Mate-

] rials. Die Auflösung des Endgebildes und die Zurück-
führung der einzelnen Teile auf ihre literarischen und
religions- oder theologiegeschichtlichen Ursprünge wird
leicht zur Unmöglichkeit, erscheint mindestens sehr
schwierig und zeitraubend.

Ich begrüße es daher von Herzen, daß sich M. mit

1 der Lösung dieser Rätsel kaum abgegeben hat, sondern
sich bewußt (S. 356) auf eine faksimilierte Wiedergabe

; des Textes und eine Übersetzung mit Noten, meist den
Wortlaut betreffend, beschränkt. So gewinnt er die, bis-

! her erstaunlich gut genutzte, Muße, uns mit immer

] neuen Gaben aus seiner reichen Sammlung zu be-

i schenken.

Besonders interessant ist der letzte Teil des apo-
j kryphen Werkes mit seinen Rückblicken auf die aposto-
| lische Zeit. Drei Tage nach der Himmelfahrt kommen
! die Apostel zusammen, errichten einen Altar und der
j Herrnbruder Jakobus liest die Messe und spendet den

■ anderen das Abendmahl. Beim Pfingstfest bewirkt der
: Geist, daß jeder in der Sprache des Missionsgebietes,
1 das ihm durch das Loos zugefallen, reden kann; Petrus
i spricht lateinisch (S. 361 f. 368). Stephanus ist ein
i Neffe des Paulus und wird von seinem Onkel umgebracht
(380). Der Heidenapostel spielt auch als
Christ eine seltsame Rolle. Er gebärdet sich dem „Kö-

' nig von Antiochien" und dann dem Kaiser gegenüber
als Götzendiener und erreicht durch dieses entgegenkom-

I mende Benehmen, das Petrus durch große Wundertaten
unterstützt, die Bekehrung der Fürsten und ihrer Völker

! (S. 382 ff. 396 ff.).

Paulus kommt übrigens in der „eminent petrinischen
" Schrift nur im dritten Teil vor, während er zuvor
nur ganz vereinzelt einmal (S. 273) genannt worden
war. Er erscheint als Schüler des Petrus, den er

[ als seinen Herrn und Meister ausspricht S. 403),
wird von diesem ausgesandt und muß ihm über seine

; Tätigkeit Bericht erstatten. Petrus, und mit ihm die

■ römische Kirche (s. S. 354), ist der Träger der wahren
Lehre. Am Ende bricht die, aus den pseudoklementini-

I sehen Schriften bekannte, ausgesprochen antipaulinische
i Stimmung durch. Nachdem Klemens unter Leitung des
! Petrus das Buch fertiggestellt und den Befehl empfan-
! gen hat, es im Archiv zu Rom niederzulegen, versiegeln
! die beiden es mit ihren Siegeln und Petrus erklärt beschwörend
: „So wahr Gott lebt, niemand soll diese Ge-
! heimnisse dem Paulus und Seinesgleichen zugänglich
j machen!" (S .405). Freilich befinden wir uns unmittel-
! bar darauf wieder in einem Zusammenhang, in dem
Paulus den Petrus als „Haupt der Apostel und meinen
j Lehrer" verehrt und alle mit seinem Fluch bedroht, die
| sich jenem widersetzen.

2. Das neunte Heft enthält eine Streitschrift des
; syrischen Theologen Dionysius Barsalibi (t 1171) gegen