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Ausgabe:

1932 Nr. 4

Spalte:

79-81

Autor/Hrsg.:

Schlier, Heinrich

Titel/Untertitel:

Christus und die Kirche im Epheserbrief 1932

Rezensent:

Schneider, Johannes

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Theologische Literaturzeitung 1932 Nr. 4.

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pingere (zur Signierung des Brotes) utere felix" und
dem Chi-R6-Monogramm, endlich ein Aufsatz über
eucharistische Hostientempel. Hier wird gezeigt, wie
lange das Eucharistiebrot keine von dem gewöhnlichen
Brot abweichende Form gehabt hat. Das läßt sich gut
an der Erzählung nachweisen, nach der eine Frau zur
Zeit Gregors des Großen während der Eucharistie herauslacht
, weil sie das von ihr gebackene Oblationsbrot
als corpus dominicum empfangen soll (nur ist nach
dem Zusammenhang bei Johannes Diaconus der Satz
„tu corpus dominicum perhibebas" wohl nicht zu übersetzen
„du hast es als Leib des Herrn bezeichnet",
sondern „du hast es dargeboten"). An diesen ersten
Aufsatz schließt sich die Deutung des in Basel befindlichen
Stempels mit dem Pentagramm als Stempel eines
antiken Arztes an. Dann folgt eine Untersuchung der
interessanten Auseinandersetzung zwischen Kaiser Theo-
dosius und Bischof Ambrosius über einen Erlaß des
Kaisers, die Synagoge von Kallinikon wieder aufzubauen
. Der Disput findet nach der Predigt, vor der
Meßliturgie, statt; Ambrosius will nicht Messe halten,
ohne daß der Kaiser den Erlaß zurückgenommen hat.
Wenn der Verf. die nun folgende Messe als Besiegelung
des vom Kaiser gegebenen Versprechens versteht, so
scheint mir das eine zu spezielle Deutung zu sein. Ambrosius
will nach seinen Worten die Eucharistie „pro te
(den Kaiser) offerre" und er kann das nicht, wenn der
Kaiser einen Bischof zum Synagogenbau, d. h. zur Sünde,
zwingt. Erst wenn der Kaiser diese Sünde rückgängig
gemacht hat, kann der Bischof in Ruhe fungieren;
darum sagt er zum Kaiser „absolve animum meum".
Der Bischof würde sich strafbar machen, so behauptet
er wenigstens, wenn er für einen Kaiser, der noch jenen
sündigen Vorsatz hätte, das Meßopfer darbringen wollte.
In den folgenden Aufsätzen handelt es sich um die religiöse
Brandmarkung in den Attismysterien und bei den
Gnostikern. D. schlägt vor, in dem Gedicht „Adversus
Marcionem" die Stelle von der Doppeltaufe Valentins
„Bis docuit tingi, transducto corpore flamma" so zu
lesen „transducta corpore flamma" und auf eine Brennung
des Körpers mit einem Malzeichen zu beziehen.
Aber kann man in solchem Sinn flammam transducere
sagen?

Heidelberg. Martin Dibelius.

Schlier, Priv.-Doz. Heinrich: Christus und die Kirche im
Epheserbrief. Tübingen: J. C. B. Mohr 1930. (IV, 78 S.) gr. 8°.
= Beiträge z. histor. Theologie, H. 6. RM 6-; Subskr. 5.40.

Schlier hat sich in dieser seiner Habilitationsschrift
die Aufgabe gestellt, die mythologische Sprache des
Epheserbrief es zu untersuchen. Er kommt zu dem Ergebnis
, daß der Verf. des Epheserbriefes, der nicht Paulus
sei, die Sprache „bestimmter gnostischer Kreise"
spricht, daß überhaupt der Epheserbrief, sowohl was die
Sprache als auch was die Vorstellungen betrifft, ein Erzeugnis
„der hellenistisch-orientalischen (syrischen) Umwelt
" ist. Schlier behandelt die in dieser Hinsicht wichtigsten
Probleme des Briefes: die Himmelfahrt des Erlösers
, die himmlische Mauer, den himmlischen Anthro-
pos, die Kirche als Leib Christi, den Leib Christi als
himmlischen Bau und die himmlische Syzygie. Sein wesentliches
Anliegen besteht darin, alle Parallelen des
gnostischen und mandäischen Schrifttums heranzuziehen,
die Gleichartigkeit der Anschauungen aufzuzeigen und
so dem Epheserbrief seinen Ort in der gnostischen Literatur
anzuweisen. Nur so komme man zu einem wirklich
geschichtlichen Verständnis des Briefes. Der Verf.
hat seine Aufgabe mit großem Fleiß und außerordentlichen
Scharfsinn durchgeführt, und es ist außer Zweifel
, daß er durch seine Untersuchung einen nicht geringen
Beitrag zur Aufhellung wichtiger religionsgeschichtlicher
Probleme gegeben hat.

Indes, so dankenswert die Zusammenordnung einer
Fülle analogen Materials ist, so fraglich ist es doch, ob
damit wirklich Entscheidendes für die Beurteilung des

Epheserbriefes gewonnen ist. Dazu gehört in erster
Linie eine Herausarbeitung des eigentlichen Gehaltes
des Epheserbriefes. Man wird zu einem wirklich begründeten
Urteil über den Brief erst dann kommen
können, wenn man sich die heilsgeschichtlichen Aus-
; sagen des Briefes deutlich gemacht hat. Es handelt sich
also letztlich um ein sachlich-theologisches Problem. Dabei
ist immerhin die Frage zu erörtern, ob nicht eine
klare Linie von den unzweifelhaft echten paulinischen
Schriften zu dem Epheserbrief führt. Es ist denkbar,
, daß Paulus am Ende seines Lebens, als die Probleme
der Einzelgemeinden für ihn nicht mehr so im Vordergrunde
standen, Aussagen über das Heil und über das
Verhältnis von BweL-natot und Christus gemacht hat, wie
wir sie im Kol. und vor allem im Epheserbrief vorfinden.
1 In zweiter Linie ist dann das Problem der mythologischen
Sprache und der mythologischen Vorstellungen
i zu erörtern. Ansätze dazu finden sich bei Paulus bereits
^ in den älteren Briefen, besonders im Philipperbrief.

Also mit dem Nachweis, daß der Verf. des Epheser-
'< briefes die Sprache „gnostischer Kreise" spricht, ist für
die Gesamtbeurteilung des Briefes noch nicht allzuviel
j gewonnen. Der methodische Ansatzpunkt des Verf.s
| hätte m. E. ein anderer sein müssen. So aber ist eine
| Fragestellung in den Vordergrund gerückt, von der aus
: nicht die eigentlich entscheidende Antwort zu erwarten
ist.

Schlier empfindet das auch irgendwie, im Vorwort
spricht er davon, daß eine Exegese des Briefes „mehr
i als den mythologischen Hintergrund erhellen muß und
: kann". Aber er verweist „zur Sache des Epheserbriefes"
! nur auf die „eingestreuten Anmerkunge n". Gerade
| in dieser Art der Behandlung liegt eben m. E. die
I Schwäche des ganzen Unternehmens.

Das zeigt sich nun auch in Einzelheiten deutlich.
Es ist sehr verdienstvoll, daß der Verf. z. B. das Mate-
I rial über den Begriff <pqu'i6<; vorträgt. Wir werden ein-
| gehend über die Vorstellung der himmlischen Mauer be-
! lehrt, die in der gnostischen Literatur eine erhebliche
! Rolle spielt. Aber es ist nicht einzusehen, was damit
nun eigentlich für die Erkenntnis von Eph. 2, 14—18
: gewonnen ist. Der Autor des Epheserbriefes denkt doch
nur an einen Zaun, der zwei Völker scheidet und trennt;
| und es ist sehr unwahrscheinlich, daß ihm die ganze
Fülle mythologischer Vorstellungen vorgeschwebt hat
oder auch nur annähernd gegenwärtig war; er hat den
: Begriff offenbar in einer ganz abgeblaßten und einfachen
Bedeutung gebraucht. Aber auch da, wo es sich wirklich
I um „mythologische" Begriffe und Vorstellungen han-
: delt, die dann die gnostische Literatur beherrschen, kann
I nur der inhaltliche Charakter des literarischen Doku-
t ments und der ganze Sachzusammenhang über Herkunft
, Zeit und Ort entscheiden. Paulus hat, wenn er
Aussagen über die himmlische Heilswirklichkeit machte,
oft „mythologische" Begriffe und Vorstellungen verwendet
. Schlier jedoch steht so im Banne des gnostischen
Schrifttums, daß er überall da, wo auch nur
gnostisch^mythologische Begriffe und Vorstellungen anklingen
, ein literarisches Erzeugnis gnostischer Kreise
sieht. Das ist aber doch zum mindesten eine recht einseitige
Betrachtungsweise.

Ich meine, daß stärker als die Methode, an die
1 der Verf. sich hält, die theologische, sachlich-inhaltliche
Behandlung an das Grundproblem herankommt, das
hier eigentlich zur Erörterung steht.

Hinzukommt, daß der Verf., durch gleiche oder
ähnliche Verwendung der einzelnen Begriffe dazu ge-
! führt, alles zu sehr auf einer Ebene sieht. Dieser Mangel
macht sich besonders bei der Heranziehung der mandäischen
Literatur geltend. Nach den Untersuchungen von
Lietzmann („Ein Beitrag zur Mandäerfrage")'sind die uns
bekannten mandäischen Quellen, auf gnostisches Schrift-
j tum zurückgehend, so spät anzusetzen, daß aus ihnen
kaum etwas für das historische Verständnis und die Exe-
gese der nt. Schriften zu entnehmen sein dürfte. Wird aber