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Ausgabe:

1932 Nr. 4

Spalte:

76-78

Autor/Hrsg.:

Jirku, Anton

Titel/Untertitel:

Geschichte des Volkes Israel 1932

Rezensent:

Robinson, Theodore H.

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Theologische Literaturzeitung 1932 Nr. 4.

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1300—5Q7 (sie). Auch hier wird von Teil zu Teil gegangen und den
Ergebnissen der Grabungen der biblische Befund gegenübergestellt. Von
besonderein Interesse sind dabei die auf eigener Arbeit beruhenden Bemerkungen
über Jerusalem. Sehr gut sind hier die kurzen „Conclusions"
(S. 231 f.), die aus den Ausgrabungen die israelitische Praxis der Eroberung
zusammenstellen, wie auch die Schilderung der israelitischen
pottery (S. 239 ff.: Abstieg gegenüber Bronze III, „they imitated badly",
S. 240; bei Ahabs Palast in Samaria „the method of untrained amateurs").

Der zweite Band ist sachlich angeordnet und enthält die
Abschnitte 5—9. Abschnitt 5, kanaanäisch-hebr. Hausbau (S. 3—35),
beschäftigt sich, wieder vorwiegend unter Berücksichtigung der einzelnen
Grabungsfelder, mit Bauweise, Anlage, auch Inventar der Häuser, sowie
besonders mit der Wasserversorgung, wobei die verschiedenen Arten der
Zisternen in extenso dargestellt werden. Gerade hier hätte sich das
digging up biblical history geschickter und ansprechender durchführen
lassen! Für den Theologen ist der 6. Abschnitt „Religion and cult
objects" (S. 37—120) der bedeutsamste, enthaltend eine Fülle religionsgeschichtlich
wichtiger Einzelheiten. Die schwierige Frage der Napflöcher
wird vorsichtig erörtert. S. 54 wird die Verbindung von Steinkreisen
mit Sonnenkult behauptet. Sehr merkwürdig ist die Auffassung,
daß zwei durch einen schmalen Gang verbundene Höhlen in Gezer
Orakelzwecken gedient haben sollen, und die von daher vollzogene
Interpretation von Jerem 37,17 49,14 Obadja 1. Auch daß die Terafim
mit Astartestatuetten gleichgesetzt werden, wird manchen verwundern.
Sonst aber enthält dieser Teil viel Dankenswertes: Beschreibung der
gefundenen Altartypen, insbesondere der Räucheraltäre, ferner der „high
places" in Gezer, Petra u. a., der Astartefiguren (darunter auch die noch
unveröffentlichte Astartestele in Akko), der Tempelbauten u. s. w. Der
Schlußsatz des Abschnittes lautet: „Excavation thus amply attests the
fact, so constantly reiterated in the Old Testament, that the greatest
obstacle to Hebrew progress was their fatal gift of imitation, and the
greatest hindrance to the advance of their own religion was the presence
of the Canaanite in their midst." Der 7. Abschnitt „Inschriften" stellt
das wichtigste epigraphische Material kurz zusammen (S. 121 — 46).
Teil 8 „Burial Customs" (S. 147 — 86) bietet eine aufschlußreiche Darlegung
der Entwicklung der Grabtypen von den Höhlengräbern der
Steinzeit bis zu den byzantinischen Arkosolien und Troggräbern, wobei
auch auf die „Eschatologie", soweit sie sich aus den Grabungsergebnissen
erschließen läßt, eingegangen wird. Merkwürdigerweise wird die
Mcgalithkultur hier wie auch sonst nicht berücksichtigt. Der letzte
Abschnitt „Work in stonc and metals" (187 — 242) bringt in bunter
Folge, was noch übrig bleibt: eine recht ausführliche Darstellung der
Feuersteingeräte, Ausführungen über Steinbruch und Steinbearbeitung,
eine sehr lesenswerte Schilderung der Tunnelanlagen besonders in Jerusalem
, Mitteilungen über Gewichte, Schmuck, Hausgeräte, Waffen u.s.w.;
dabei werden Gegenstände, die von anderen bereits ausführlich behandelt
worden sind, wie z. B. Lampen, nur kurz vorgeführt.

Wir haben hier also eine breit angelegte, infolgedessen
auch mit manchen unnötigen Wiederholungen
behaftete Zusammenstellung der allgemeinen und speziellen
Ergebnisse der palästinischen Archäologie vor
uns. Über Einzelheiten, besonders archäologischer Art,
kann hier nicht gerechtet werden. Wohl aber sind drei
Punkte zu nennen, die man bei Benutzung des Werkes
im Auge zu behalten hat. Erstens steht der Verfasser
den Problemen der palästinischen Frühgeschichte in einer
seltsamen Unkompliziertheit gegenüber. Auf die „Cave-
dwellers" folgen die „Amoriter", — all die schwierigen
Fragen, die sich gerade an dieses Wort knüpfen (vgl.
die Arbeiten von Bauer, Maisler u. a.) bestehen hier
nicht. Die Hyksos sind ihm, wie gesagt, den Hittitern
gleichzusetzen; das Palästina vor der Einwanderung ist
ein verhältnismäßig einfaches Gebilde, in dem offenbar
eine amoritisch-kanaanäische Zentralgewalt Festungen
und „Gouverneure" besitzt; all das, was Alt erarbeitet
hat: die durch die Hyksos geschaffene Umstellung, die
geschichtliche Bedeutung der Stadtstaaten, das Wesen
der Ägypterherrschaft, — ist einfach nicht vorhanden.
Zweitens geht der Verf. mit der gleichen Voraus-
setzungslosigkeit auch an das AT heran. Es ist wirklich
meist nur „biblical history", „Biblische Geschichte" im
wissenschaftslosen Sinne, was hier „aufgegraben" worden
ist. Für ihn sind die Patriarchen kein geschichtliches
Problem; die Einwanderung ist ein einmaliger Akt, unter
Josuas Führung. Eine Bewertung der im AT niedergelegten
Überlieferungen wird nirgends angedeutet, geschweige
denn versucht. Und zwar wird diese unkritische
Haltung so selbstverständlich eingenommen, als
gebe es garnichts anderes. Nun kann man dazu entschuldigend
sagen: der Verf. ist weder Historiker noch

Alttestamentler, sondern Archäologe. Aber auch da ist
: ein — drittes — Warnungszeichen aufzurichten. D. hat
sich in bezug auf die Abgrenzung der Bronze- von der
Eisenzeit, also den Beginn der israelitischen Ära, die An-
setzung des englischen Archäologen Sir Flinders Petrie
zu eigen gemacht, die dieser auf grund seiner Ausgra-
I bung von Gerar (teil dschemme) vollzogen hat, und
: läßt daher die Eisenzeit schon im 14. Jahrhundert be-
| ginnen. Petries Ansetzung steht aber im Widerspruch
I zu den Ergebnissen der anderen palästinischen Grabungen
und ist auch sonst unhaltbar (vgl. dazu Hempel
in ZAW. 1929, S. 62 ff., und Galling in ZDPV. 1929,
S. 242 ff.). Somit ist das archäologische Zeitschema
D.s entsprechend zu korrigieren. Abgesehen davon aber,

— und trotz mancher Bedenklichkeiten im einzelnen,

— ist die ausführliche Darlegung wichtiger Grabungsergebnisse
und ihre In-Beziehung-Setzung zu dem im
AT Berichteten das Verdienst des Buches. Da es zudem
gute Register und vor allem auch eine bedeutende Anzahl
sehr guter Abbildungen hat, ist es wohl geeignet,

i im Einzelfalle zu unterrichten und für die „biblical
| ihistory" das zeitgenössische Anschauungsmaterial zu
j liefern. Und endlich ist es grundsätzlich durchaus zu begrüßen
, daß hier einmal in größerem Maßstabe und
nicht in der Form eines „Volksbuches" der Versuch
unternommen ist, die Resultate der palästinischen Grabungen
zusammenzufassen und für das AT auszuwer-
I ten. Und man kann nur wünschen, daß der Verf. auch
! auf deutschem Boden darin einmal Nachfolge finden
j möge.

Marburg. H. W. H ertzberg.

! -

j Jirku, D. Dr. Anton: Geschichte des Volkes Israel. Leipzig:
Quelle & Meyer 1931. (XII, 223 S.) 8°. = Theolog. Lehrbücher,

, hrsg. v. E. Seeberg. RM 7.40; geb. 8.40.

Kein Wissenschaftszweig stellt an den Schriftsteller

i strengere Anforderungen als die Geschichte. Der Historiker
muß fähig sein, sich auf die Einzelheiten zu kon-

; zentrieren, indem er mit sich selbst (wenn nicht mit

' seinen Lesern) jeden strittigen Punkt diskutiert, und
selbst in den kleinsten Dingen Genauigkeit zu sichern
sucht. Zur selben Zeit aber dürfen ihn die Einzelheiten
nicht blind machen für die großen Zusammenhänge.
Seine Aufgabe ist, in dem begrenzten Umkreis seiner unmittelbaren
Arbeiten, die Gesetze, welche Struktion und
Entwicklung des sozialen Organismus beherrschen, herauszuarbeiten
und an Beispielen deutlich zu machen. Er
muß wissen, was geschehen ist und warum es geschehen
ist. Seine Schau muß zugleich mikroskopisch
und teleskopisch sein. Und da in einem elementaren

i Studentenbuch die mitgeteilte Stoff menge nur verhältnis-

, mäßig klein sein kann, ist es um so wichtiger, daß ein
richtiges Verhältnis eingehalten wird, daß die Perspektive
richtig ist, daß die mitgeteilten Einzelheiten genau

i wiedergegeben und daß endlich zweifelhafte und strittige
Punkte deutlich gekennzeichnet sind.

An solchem Maßstab muß zugegeben werden, daß
Prof. Jirku's neues Buch ungleich ist. Auch wer seine
Schlußfolgerungen für das israelitische Gesetz nicht teilt,
muß von seiner scharfsinnigen Behandlung des Gegenstandes
beeindruckt sein und das jetzige Buch als Überraschung
empfinden. Manche Daten, um ein Beispiel
herauszugreifen, bedürfen der Nachprüfung. Die alt-
testamentliche Chronologie ist schwierig und verwickelt,
aber es gibt doch gewisse feste Punkte, die gemeinhin
als außerhalb der Debatte stehend gelten. Prof. Jirku
macht von der Babylonischen Chronik für die letzten
Jahre des assyrischen Reichen mit Nutzen Gebrauch und
gibt in einer Anmerkung eine brauchbare und klare Syn-
opse der Daten. Um so mehr überrascht es, daß er
ohne Kommentar oder Erklärung für die assyrische Geschichte
des 9. Jahrhunderts die verworfenen Daten
bietet, auch den Fall Jerusalems in das Jahr 588 setzt.
Wenn Nebukadnezar am Anfang des Jahres 605 auf den
Thron kam, beginnt sein 19. Jahr mit der Frühjahrs-