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1932 Nr. 3

Spalte:

57-59

Titel/Untertitel:

Die Schrift. Zu verdeutschen unternommen von Martin Buber gemeinsam mit Franz Rosenzweig. Bd. XI 1932

Rezensent:

Wendel, Adolf

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Theologische Literaturzeitung 1932 Nr. 3.

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als verschieden von dem Stammesgott als solchem charakterisieren
zu können (S. 505), und Polytheismus soll
entstanden sein aus der Verehrung einer Mehrzahl von
Naturgottheiten neben dem einen Stammesgott (S. 514.
599). Immer also bleibt dieser ein Gott sui generis, und
es wird mit ihm als wie mit einer gegebenen Größe ge-

chen aufmerksam machen, das auch mir ohne die freundliche
Übersendung des Herrn Verfassers wohl kaum zu
Augen gekommen wäre, und das neben Rosenzweigs
„Die Schrift und Luther" nun eine Begründungs- und
Rechtfertigungs - Schrift des eigentlichen Übersetzers
stellt: Martin Buber: Über die Wortwahl in einer Verrechnet
Wie aber verhält sich dazu die (S. 308 vgl. j deutschung der Schrift. Ohne Jahreszahl, Verlagsort und
158) angedeutete Möglichkeit seiner Entstehung? B. Verlag; gedruckt bei Jakob Hegner in Hellerau.
spricht hier von el als der „Naturkraft einer bestimmten j Bezüglich der Verdeutschung prophetischer Schrif-
Stätte" und fährt fort: wohl konnte ein derartiger Lo- ten liest man in diesem Schriftchen, S. 3: „Zur Verkündigung
des Propheten gehören nicht bloß seine Symbole
und seine Gleichnisse, sondern auch der Grundstrom althebräischer
Sinnlichkeit noch in den geistigsten Begriffen
, die straffe Spannung der althebräischen Satz-Archi-

kalgeist zum Stammesgott werden, wenn seine Machtäußerungen
von einem Stamm empfunden und als sein
Schicksal bestimmend angesehen wurden". Um so überraschender
, daß B. im gleichen Zusammenhang mit be-

sonderm Nachdruck betont, daß hier überall die ge- ; tektur, die althebraische Art, nah beieinander stehende,
schichtlich bekannte Religion in ihren ältesten Erschei- ! aber auch von einander entfernte Wörter durch Wurzelnungen
nicht an der Grenze stehe, wo Geisterglaube : Verwandtschaft oder Gleichklang auf einander zu be-
oder die Verehrung eines Kraftfluidums übergeht in den , ziehen, der gewaltige, auch über alle Metrik hinaus-
Kult persönlich gedachter Götter, sondern, wo jenes j treibende Gang althebräischen Rhythmus",
überhaupt das Ursprüngliche war, längst darüber hin- I Für unseren vorliegenden Band, Jeremia, muß zuausgewachsen
sei (S. 308 f.), — eine unzweideutige Ab- ! nächst erwähnt werden, daß nach Rosenzweigs Tod das

sage also auch an die Annahme eines vormosaischen
Polydämonismus (vgl. S. 162. 164. 424. 496). Auf
gleicher Linie steht die Ablehnung einstigen Ahnenkultes
(S. 329), wobei über die mögliche Bedeutung einer Steile

schwierige und bedeutsame Werk von Buber allein fortgesetzt
wird. Daß er diese Last nun ohne Hilfe trägt,
ist auch aus dem Titelblatt unseres Bandes ersichtlich;
nur der Gesamttitel nennt noch die beiden Namen. Man

wie I. Sam. 20, 6 doch wohl zu rasch hinweggegangen j kann dem rührigen Übersetzer nur wünschen, daß seine

wird (S. 330). Vor allem aber wäre zur Erforschung
semitischer Urreligion viel mehr, als es von B. geschieht,
von gewissen Bräuchen bezw. dem jahvistischen Protest
gegen sie auszugehen gewesen. Auch über die Frage
einstigen Matriarchates, das die Annahme weiblicher
Stammesgottheiten begünstigen müßte, setzt sich B.
m. E. zu leicht hinweg. Höchstens von Lea ließe er
gelten, daß sie Stammesmutter war, wenn nämlich der
Stamm Levi zu ihr gehörte, was er aber für sehr unwahrscheinlich
hält (S. 370 Anm.). Dabei übersieht er
das Gewicht von Jer. 31, 15, wo Rahel ausdrücklich als
Stammesmutter erscheint.

Auf Einzelheiten einzugehen verbietet mir der
Raum, so gerne ich z. B. anmerkte, wie erfreulich mir
B.'s Feststellung ist, daß nach seiner Meinung die Erzählungen
der Genesis in ihren Berichten über Gottesvorstellung
und Kultus der Patriarchen auf Erinnerungen
an die vormosaische Zeit nicht beruhen (S.
152 f. 164), oder sein Eintreten für späte Datierung
der Psalmen (S. 227. 236. 636 Anm. 7).

So gewaltig B.'s Werk geworden ist, so ist es
doch, an seinen eigenen Intentionen gemessen, ein Torso
geblieben. Am 29. September 1923 schrieb er an den
Herausgeber: „Gedacht war als Abschluß ein vierter
Teil mit der Entwickelung des Gebrauchs von y.vqioc,
im Judentum bis auf das Christentum. Obgleich ich mit
den Vorarbeiten zu diesem Schlußband vor allem andern
angefangen hatte und Eingehen auf LXX ganz
hatte vermeiden wollen — was sich als undurchführbar
erwies —, kann ich nicht daran denken, diesen
letzten Teil noch auszuarbeiten" (IV S. 28). Nun
steht freilich der Torso gewaltiger da als noch so viele
zu vollem Abschluß gebrachte Werke als ehrenvollstes
Denkmal des wissenschaftlichen Schaffens B.'s.
Berlin- Alfred Berth ol et.

Kraft nicht erlahme und er sein Werk auf gleich bleibender
Höhe zum Abschluß bringen darf.

Schon die erste Einsichtnahme in die Jeremia-Über-
setzung erweckt den Eindruck, daß hier eine in höherem
Grade „deutsch" anmutende Sprache vorliegt, als in den
früheren Bänden. Man kann seitenweise lesen, ohne
einen Anstoß, d. h. ein der deutschen Wortbildung oder
ihrem Bereiche im weiteren Sinne fremdes Wort zu finden
. Als Grund für diese Wandlung mag man ansehen,
daß eigene Arbeit und fremde Kritik die Übersetzung
ursprüngliche allzuharte Kanten aufgeben ließen. Daneben
nennt mir der Übersetzer selbst, meinen Eindruck
und seine Begründung bestätigend, als weitere Ursache
das etwas andersgeartete jeremianische Hebräisch; es
sei „weniger spröd und eigenwillig". Angängig sind gewiß
auch noch Worte wie die vorkommenden: „Ge-
merke", „Wardein", „zählig", „Tandgebilde", „Krummblock
". Selbst die Wiedergabe der Götternamen: Tb??3
„Obkönig"; TiV2 = „Aberkönig"; b»a = „Obmeister" berührt
nicht mehr sonderbar, wenn man die sinnvolle Begründung
auf S. 24 der obengenannten Schrift daneben
hält. Freilich heißt Jer. 2, 8bsaa = mit Hilfe des Baal,
kraft des Baal, nicht: von B. bezw. dem Obmeister, her.
Auf Wortspiele, Wortgleichnisse, Wortmalerei, wird der
Leser geschickt aufmerksam gemacht; es seien folgende
Beispiele genannt: Jer. 6, 1: o»pn snpro = In Tekoa, der
„= Stoßstadt", stoßet; Jer. 25, 26: -pm -pn =der König
von „Duckduck"; Jer. 3, 7 u. 6:tows und rrma = „Frau
Verrätrisch" und „Frau Abkehr"; Jer. 48, 37: tmi =
„Ritzfurchen"; Jer. 42, 2: iDrann = „unser Gunsthei-
schen". So wird die urtümliche Bildkraft wieder sehr
gut verlebendigt. Von Interesse wird sein — die Übersetzung
nimmt sich freilich im Deutschen nicht gut aus
—, daß der umstrittene Ausdruck aus der prophetisch
(-eschatologischen) Terminologie: mara m als „Wiederkehr
kehren" begegnet.

Die Schrift. Zu verdeutschen unternommen von M. Buber gemein

sam mit F. Rosenzweig. Künder. Bücher der Kündung. Bd. XI: Als besonders gut (aus dem Hebräischen) „her-

Das Buch Jirmejahu. Verdeutscht von Martin Buber. Berlin: L. Über", und doch (in das Deutsche) „hinein" gehorcht

Schneider o. j. (295 s.) 8°. RM 5 — ; Lw. 7 — ; Pgt. 12—. j möchte ich das folgende Stück, voll Erregung und

In ThLZ. Nr. 23 des Jahrgangs 1930 habe ich das j Kraft, hier anführen: Jeremia 46; 3, 4, 9:

gesamte Werk der Buber-Rosenzweig'schen Bibelüber- D.. . . c .... . T . .„ nroMf ., _
•ip+viirirr pinrroF.^ a - ,■ s ÜI 11 \/:„a Rüstet Schild und Tartsche, Drauf nun, ihr Rosse!

h^i,, g.n "d za würdigen versucht Um Wieder- treM a„ zum Kampf! raseti ihr ^ ,

holungen zu vermeiden, darf ich daher bitten, Prmzipi- | Schirret die Rosse, Laßt ausziehn die Helden,

elles und Allgemeines dort nachlesen zu wollen. Als
Nachtrag zur Gesamtbesprechung sei jedoch hier noch
die große Sorgfalt lobend anerkannt, mit welcher die
Drucklegung des Werkes überwacht wird. Wird es doch

schwer halten, auch nur einen einzigen Druckfehler zu i Zu beanstanden wäre, daß „Darhöhung" und „Hinfinden
! Ein zweiter Nachtrag möchte auf ein Schrift- i leite", von mir bereits in der Gesamtbesprechung kriti-

steigt, ihr Reisigen, auf! Kusch und Put,

Stellt euch in Helmen! fassend den Schild,

Feget die Speere! Ludier nun,

Legt die Panzer an! fassend spannend den Bogen !