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Ausgabe:

1932 Nr. 2

Spalte:

46-47

Autor/Hrsg.:

Schlund, Erhard

Titel/Untertitel:

Die Religion im Weltkrieg 1932

Rezensent:

Schowalter, August

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Theologische Literaturzeitung 1932 Nr. 2.

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die Schilderung der Krise des Jahres 1896 und der aus
ihr hervorgehenden Konflikte anzuknüpfen, da die inneren
Ursachen zu diesen Konflikten nicht nur bis zu dem
Frankfurter Kongreß von 1894, sondern schon bis in
die Gründungszeit des Kongresses zurückreichen. Die
zusammenfassende Übersicht über Arbeitsgebiete und
Arbeitsweise des Kongresses, die nicht ganz frei von
einzelnen Irrtümern ist, hätte besser erst nach Abschluß
der geschichtlichen Darstellung ihren Platz gehabt. Daß
der Bedeutung der Frauen innerhalb des Kongresses ein
besonderer Abschnitt gewidmet wird, ist durch die Wichtigkeit
, die der Kongreß für die Entwicklung der deutschen
Frauenbewegung namentlich im ersten Jahrzehnt
seines Bestehens gehabt hat, gerechtfertigt. Der zweite
Teil, der die wichtigsten Probleme zeigen will, mit denen
sich der Kongreß beschäftigt hat, geht näher nur auf
das Problem der Eigengesetzlichkeit der Wirtschaft und
auf die Stellung zum Sozialismus ein. Hier hatte wohl
manches ausführlicher dargestellt und gezeigt werden
können, wie die veränderten Zeitverhältnisse die Probleme
vielfach verschoben und zu neuen Fragestellungen
geführt haben. Ein letzter Abschnitt versucht, an der
Gegenüberstellung einerseits zum kirchlich-sozialen Bund,
andererseits zur religiös-sozialen Bewegung die Eigenart
der Kongreßarbeit deutlich zu machen. Eine bessere
Ordnung des Materials und eine straffere Linienführung
der Darstellung wäre auch in diesem zweiten Teil vielfach
zu wünschen.

Leipzig. Johannes Herz.

Vogl, Carl: Aufzeichnungen und Bekenntnisse eines Pfarrers

inmitten der Krisis. Berlin: Agis-Verl. 1930. (283 S.) kl.8°. gü

RM 3.50; geb. 5-.

Der Verf. ist früher durch mancherlei wissenschaftliche Veröffentlichungen
hervorgetreten, so durch eine Übersetzung aus dem Alttschechischen
, Peter Chaltschizki, der Weg des Glaubens, und eine
Reihe anderer, die in dem Buch angegeben sind. Von der vorliegenden
Veröffentlichung sagt im Vorwort der Verlag: „Es ist darin nicht alles
so scharf herausgearbeitet, wie wir es wünschen möchten, und dies und
jenes erinnert uns an die theologische Vergangenheit des Verfassers, so
wenn er trotz aller Ablehnung des Begriffs der Religion dieses Wort
doch noch anwendet, wenn auch in einem sehr weiten Sinn . . ., was
aber ausschlagend ist: Das Buch wird auch dem kämpfenden revolutionären
Proletariat Waffen liefern." Dazu ist das Buch in der Tat
geeignet, wenn seine Darlegungen kritiklos hingenommen werden. Der
Verf. ist als Katholik in Böhmen aufgewachsen, trat zur evangelischen
Kirche über, studierte in Jena Theologie und war 29 Jahre Pfarrer im
Meiningschen. Mit einem starken Widerwillen gegen alles, was nach
Klassenbevorzugung aussieht, politisch links orientiert, fanatischer Pazifist,

Macholz, D.Waldemar: Der Gottesdienst evangelischer Konsequenz
. Grundsätzliches zur Einleitung der Agendenarbeit d. Thür,
evang. Kirche. Göttingen: Vandenhoeck 8* Ruprecht 1931. (27 S.)
gr. 8°. RM 1.50.

Eigentlich eine „Einleitung zur Agendenarbeit der
Thüringer ev. Kirche", aber doch auch Grundsätzliches
zu jeder Neugestaltung des Gottesdienstes. Der „Gottesdienst
evangelischer Konsequenz" verläuft folgendermaßen
: Eingangslied mit event. vorausgehendem Chorgesang
, Bibl. Votum im Sinn des 1. Artikels (Konfrontation
des Geschöpfes mit dem Schöpfer), Sündenbekenntnis
, Gnadenverkündigung (allgemein oder absolu-
torisch, im ersteren Fall ohne Gloria), Amen der Gemeinde
, Kollekte (ev. ersetzt durch Gemeindegesang),
Schriftvorlesung (möglichst doppelt), Glaubensbekenntnis
der Gde. (gesungen oder gesprochen, im letzteren
Fall mit einer Überleitungsstrophe), Predigt, Gloria patri
vom Prediger gesprochen und von der Gde. gesungen,
Friedensgruß, Nachpredigtlied mit mehreren Strophen,
Gebet um Frucht und für Gegenwartsanliegen mit Ankündigungen
, Liedstrophe, Vaterunser mit gesungener
Doxologie, Segen. Es spricht sicherlich manches für
eine solche Ordnung, aber daß so allein „der Forderung
der Anbetung im evangelischen Sinn des Wortes die ihr
gebührende Berücksichtigung zuteil geworden, dem Gottesdienst
die evangelische Elevation, der Predigt aber
die sie richtig charakterisierende Flankierung gegeben"
sei, kann man nicht behaupten. Es ist eine Täuschung,
wenn man glaubt, von dieser oder jener Umstellung der
einzelnen Stücke der Liturgie hänge Wirkung und Beteiligung
ab. Der sofortige Übergang zur Predigt vom Glaubensbekenntnis
aus, die grundsätzliche enge zeitliche Verbindung
von Schriftverlesung, Bekenntnis und Predigt
bedeutet m. E. keinen Fortschritt, der Prediger bedarf
einer Pause vor der Predigt und die Gemeinde erst
recht. Bekommt der Gottesdienst damit 2 Höhepunkte
statt 1, so ist das kein Schaden. Dagegen ist die Verlegung
der Ankündigungen in den „Abgesang" vielleicht
wirklich eine Rettung vor dem raschen Absinken von
dem zweiten Höhepunkt. Sonst kann ich in Grundsätzen
und praktischen Winken M. nur zustimmen:
„der Gottesdienst darf nichts wollen als der Offenbarung
Gottes Raum schaffen und das Feld räumen",
denn „Gott redet darinnen mit uns"; er muß lebensnah
und lebenswarm gestaltet werden; Sinn für die liturgische
Erbfolge muß sich verbinden mit Verständnis für
die zeitgemäße Form; er muß feststehende und labile
Teile enthalten („kirchliche Volkstümlichkeit und gottes-

KonTw" !?ü de", Behvden k;rchlicher "nd 'jSS^^JL^^I^l dienstliches Heimatsgefühl ist'ohne feste Form und

Konflikte, die sich in Krieg steigern und ausführlich berichtet werden. i__••rx- „ ,v,. , . ... * , , , , . ... , . ... ,

Die Gegner werden moralisch sehr schlecht gemacht, viele sind angeb- kraftlge Wiederholung nicht ZU denken") und kultisches

lieh Trinker. Die Schilderung der Unkirchlichkeit und des Aberglaubens Gebet mit reicher Fülle der Möglichkeit des Aus-

in den Gemeinden mag richtig sein, solch völlig unkirchliche Gemein- | wechselns bieten. Der schweigende Dienst Ottos wird

als Versuch, „mit psychischen Mitteln in überlegter methodischer
Technik religiöse Lebensbewegungen hervorrufen
" zu wollen, entschieden abgelehnt.

Berlin. A. Sch owal ter.

den gibt es in Mitteldeutschland, aber es ist doch unglaublich, wie er
schreiben kann, daß in den Gemeinden die Meinung herrsche: „Je besser
ein Pfarrer saufen kann, um so besser predigt er." Daß in der Kriegsfürsorge
bei den heimatlichen Behörden mancherlei Ungerechtigkeit,
manches bedauerliche vorgekommen ist, soll auch nicht bezweifelt werden
, dem gegenüber hat der Verf. mutig seinen Mann gestanden, aber
es gehört doch viel Kritiklosigkeit dazu, alles das zu glauben, was dem Schlund, P. Erhard, O. F. M.: Die Religion im Weltkrieg.
Verf. von Gemeindegliedern aus dem Krieg erzählt wird, — und das als München: Knorr & Hirth (1931]. (135 S. m. 63 Abb.) gr. 8°.
typisch hinzustellen. Das gilt auch von manchen andern Skandal- RM 5-50; geb. 6.50.

geschichten, an denen das Buch reich ist. Bei seiner ganzen Einstellung Ein reiches Buch, weil der Verfasser, der als Feldsieht
V. in der Kriegszeit nur die allerdunkelsten Seiten. Die Schilde- prediger den ganzen Krieg an der Front mitgemacht und
rung des Vorgehens der kirchlichen Behörde erweckt eigentlich den vom Letc! und Freud mit seiner Truppe in vorbildlicher Weise

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Verfasser sicher nicht gewollten Eindruck, daß diese in der Behandlung
des schwierigen Pfarrers nicht schlecht abschneidet. Nach der Revolution
wird V. sozialdemokratischer Abgeordneter und erlebt dabei
schwerste Enttäuschungen. 1924 läßt er sich pensionieren, geht ins
Ausland, nach Prag und Sowjetrußland, dessen Zustände er begeistert
schildert, selbst die Religionsverfolgungen weiß er in etwa zu rechtfertigen
und schilt sehr grimmig auf die, die solche Darstellung zurückweisen
. Inmitten der Krisis, so heißt das Buch in seinem Untergeteilt
hat, ein reiches Kriegserlebnis hinter sich hat.
Aber eigentlich nichts Neues. Das Gesamtergebnis
stimmt völlig überein mit dem meiner gleichartigen
Schrift „Die Kirche als Erlebnis im Kriege" (Halle,
1917), daß nämlich die Religion eine nicht zu übersehende
tragende und gestaltende Kraft im Felde gewesen
ist, wir dürfen nicht zulassen, daß diese Tatsache nach-

titel. Daß ein früherer evangelischer Pfarrer, dem ein großer Ernst j träglich aus Verlegenheit oder Absicht verhüllt wird
nicht ah7iisnrprhen ist c,,i,.i. i>....i, ,-,.v,,-.,;i„.., i,-mint in Hpr Tat vt.tV i> » i. , o i_i____1 ..„: _i_____ -t- ..___i_____i.__• i

nicht abzusprechen ist, solch Buch schreiben konnte, zeigt in der Tat,
in welcher Krise wir stehen.

Pouch bei Bitterfeld. Wilhelm Usener,

Natürlich hat Schlund ein reicheres Tatsachenmaterial
aus eigener Beobachtung, da er den ganzen Krieg
„draußen" miterlebt hat, und es ist uns gerade in der
Einseitigkeit, mit der er sich auf die Lebensäußerungen