Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1932 Nr. 2

Spalte:

42-43

Autor/Hrsg.:

Iwand, Hans Joachim

Titel/Untertitel:

Rechtfertigungslehre und Christusglaube. Eine Untersuchung zur Systematik der Rechtfertigungslehre Luthers in ihren Anfängen 1932

Rezensent:

Müller, Hans Michael

Ansicht Scan:

Seite 1, Seite 2

Download Scan:

PDF

41

Theologische Literaturzeitung 1932 Nr. 2.

42

nehmen, wenn nicht gar es aufheben. Der Fehler des j versuchte, mit großer Sorgfalt aus den Quellen erIdealismus
ist darnach also nicht die anthropologische j hoben hat.
Wendung, sondern daß die Gegensätzlichkeit im mensch-

Heidelberg. Robert Winkler.

liehen Ich zu vorbehaltlos und einseitig vom Menschen---—--;—-- -—— . , .—

aus überbrückt wird Demgegenüber wird Kierkegaard Iwand, Hans Joachim: Rechtfertigungslehre und Christus-

?„, uüer°rucKi wnu. ^l!lP~^:ffUnhpn Anleihen heim glaube. Eine Untersuchung z. Systematik der Rechtfertigungslehre

trotz aller terminologisch-begrifflichen Anleihen beim tuthers in ihren Anfängen. Leipzig: I. c Hinrichs kwo. (viii. 128 55.1

uoiz auer Krmmuiu&^n-^i^.^ „^^m Lu,hers in ihren Anfängen. Leipzig: j. c. Hinrichs 1930. (VIII, 128S.)

Idealismus als der „gute Dialektiker' hingestellt, weil l g0 rm 5

er „unerschütterlich an den absoluten Distinktionen"
festhalte (S. 245). Daß dies bei einem immanentanthropologischen
Selbstverständnis nicht möglich ist,
wird an der Art und Weise gezeigt, wie Feuerbach den
monologischen Charakter der Hegeischen Dialektik zu

überwinden versucht.

Der Verf. nimmt, wie er in seinem Schlußwort
ausdrücklich sagt, für die „Haltung" Kierkegaards (nicht
für seine Begrifflichkeit im einzelnen) Partei (S. 265),
d. h. er ist der Überzeugung, daß der Gegensatz im
menschlichen Ich mit rein philosophischen Mitteln nicht
zum Verständnis gebracht werden kann. Feuerbach hat
die Theologie in Form reiner Philosophie ein für allemal
unmöglich gemacht (So auch der Verf. S. 266,
Anm. 2). Kierkegaard hält an der Möglichkeit der
Theologie fest — trotz Feuerbach (Es wäre daher sachlich
besser und dem Gedankengang S.s entsprechender
gewesen, wenn er Feuerbach vor Kierkegaard behandelt
hätte. Das Wesen der Religion von Feuerbach ist auch
vor den Schriften Kierkegaards erschienen). Der Gegensatz
im menschlichen Ich wird bei dem Versuch ihn
philosophisch zum Verständnis zu bringen nur vertuscht.
Und indem man sich philosophisch um die Aufhebung
der realen Dialektik bemüht, betrügt man sich um die
Möglichkeit der Theologie. Es ist daher von S. ganz
richtig, wenn er die Theologie in Konsequenz seiner
historischen Untersuchung in striktem Gegensatz zur
Philosophie definiert. Auf das Wesentlichste zusammengezogen
lauten die Definitionen: Philosophie ist nichtwissendes
Wissen, Theologie ist wissendes Nichtwissen
. Diese Formulierung gibt allerdings Anlaß zu
Bedenken, die sich in zweierlei Richtung bewegen.

1. Die Dialektik der Sache soll sich im Reden von
dieser Sache als logischer Widerspruch abschatten. Muß
das so sein? Läßt sich dasselbe nicht auch ohne diese
paradoxe Wendung sagen? Der Ausdruck „Nichtwissen"
hat in den zwei Definitionen einen ganz verschiedenen,
ja entgegengesetzten Sinn. Bei der Definition der Philosophie
soll er darauf hinweisen, daß etwas ohne existentielle
Grundlage gewußt wird, bei der Definition der
Theologie darauf, daß etwas nicht gewußt, sondern
existentiell erfahren wird. Das einemal deutet er also

auf die Unexistentialität des philosophischen Wissens, **SSJ*J^«1*J&J2 ^±^ ^1

Die Untersuchung nimmt innerhalb der neu einsetzenden
Bemühungen um Luthers Christologie eine
wichtige Stelle ein. Sie behandelt in umsichtiger Quellenbenutzung
und oft scharfsinnig zugespitzter Interpretation
vor allem Luthers Römerbriefvorlesung. Gerade
für dieses Werk, das wie vielleicht keines geeignet ist,
unmittelbar theologisch für Luther zu begeistern, war
der Nachweis notwendig, „daß die Christologie das
entscheidende Problem dieses Werkes ist, eben
darum, weil sie anscheinend fehlt". Dieser Nachweis
liegt vor und ist geglückt. Zum Leitfaden dient die
Korrelation zwischen dem sola fide und der fides Jesu
Christi, zwischen „der inneren Entwicklung des Gläubigen
" und „dem äußeren Bekenntnis" (110; hätte da
nicht eine Auseinandersetzung mit Wobbermin nahegelegen
?). „Indem das sola fide in einer auf Erfahrung
gerichteten Absicht definiert, was ein für allemal in der
fides Jesu Christi enthalten ist, bezieht die Rechtfertigungslehre
die Erfahrung in das christologische Dogma
ein" (8 f.).

Die Themafolge ist: Luther als „Kritiker" des Glaubens und der
Werke — Das Verhältnis von Hbr. 11,1 und Rm. 1, 17 für den Glaubensbegriff
(„Das sola fide hat sein Korrelat in dem Werk Christi, das
Werk Christi hat das seine in dem pro me", 27) — Die Formeln
,extra nos' und ,in nobis' und ihr christologischer Sinn — Das Unstatthafte
, sei's das sola fide sei's die fides Jesu Christi zu isolieren („Die
Kritik des Persönlichkeitsbegriffes") Die Lehre von der Imputation
(besonders eindringende Abhandlung der Begriffe Nichtanrechnung und
Anrechnung) — Selbsterkenntnis und Offenbarung (Heranziehung von
de servo arbitrio) Die beiden Möglichkeiten der Verzweiflung —
Die Kontroverse: Theozentrisch-Christozentrisch (Theod. Harnack, Karl
Holl, Reinh. Seeberg) — Ergebnis („Gleichzeitig Sünder und Gerechter
ist der Mensch nur dank der Einheit mit Christus", 108 f.) Anhang
(. . . „Warum Luther so eifrig und so verzweifelt nach dem suchen
mußte, was seinen Biographen heute so wohlbekannt ist, dies scheint
nur wenigen wunderbar " Warum das entscheidende Hervortreten gerade
des Begriffes iustitia Dei ? Wieso Luthers persönliche Erfahrungen
normativ? 124).

Der Anhang bringt in der Form eines Nachtrags
zum Problem des initium theologiae Lutheri die Berücksichtigung
der einschlägigen Forschungen, die nach der
Niederschrift der Untersuchung — sie war 1927 vollzogen
— herauskamen. Dieser Weg war der ge-

das anderemal auf den existentiellen Charakter des theologischen
Wissens hin. Damit verschwindet aber das
Widerspruchsvolle im Ausdruck. Die Dialektik der Sache
braucht sich nicht notwendig in dem Widerspruchsvollen
ihres logischen Ausdrucks zu spiegeln. Man kann die
Dialektik in der Sache anerkennen, ohne „Dialektiker"
sein zu müssen. 2. Dazu kommt noch ein anderes Bedenken
. Definiert man die Theologie im Gegensatz zur

inatischer Reflexion gedrängt und geschlossen. — Das
systematische Anliegen des Verfassers ist, für das Verständnis
von Gesetz und Evangelium die rechten, die
legitimen (vgl. 43 A. 2) Seinsurteile herauszuarbeiten.

„Nicht eine neue Vorstellung, ein neues Sein, wird durch den
Glauben an Christus gewonnen" (36). „Was uns als iustitia nur in
der Vorstellung, im Begriff - in der lex, wie Luther sagen würde —
gegeben ist, wird durch Gott als unser Sein gesetzt" (36f.). „Demnach
könnte man geradezu sagen, daß die desperatio, die nicht von Gott

nL-i . . —--------- ----n* — j -o V, Kuiimc mau gerauezu sagen, uao uie uesijciauu, uie mcni von uor

um osophie als ein existentielles Wissen, dann weiß die | her ist, das Sollen im bloßen Gefühl findet, während die rechte despe
Philosophie, von der Theologie aus beurteilt, in theologischen
Dingen nichts. Denn erst die existentielle
Grundlage, die man der Philosophie definitionsgemäß
abspricht, ermöglicht theologisches Wissen. So aber, wie
S. Theologie und Philosophie zueinander in Verhältnis
setzt, liegt die Versuchung nahe, für die theologische Ar-

beit an die philosophische anzuknüpfen. Wenn die Philo- Schwierigkeit des Problems: Die Konfrontierung von
sophie bereits etwas weiß, was liegt der Theologie psychologischer Analyse-habitueller Selbstgerechtigkeit
näher als dieses philosophische Wissen nur weiter aus- ! und normativer Selbstkritik-metaphysischer Relation.

„Alle Werke, auch die, die in der Gnade getan werden, dürfen
nur als vorbereitende, also nicht .persönlichkeitsbildende' angesehen
werden, denn sobald sie dem Menschen einen Habitus verleihen, führen

ratio im eigenen sittlichen Empfinden die lex Dei verspürt, also von
vornherein einen metaphysischen Bezug enthält" (93; vgl. 115). „Gesetz
und Evangelium, die Seinsprinzipien des alten und des neuen Menschen,
sind selbst keine nur geschichtlichen Größen mehr, gerade weil sie den
Lauf der Geschichte bestimmen" (121; Hinweis auf Erich Seeberg).
Hier treffen wir auf die eigentliche, die immanente

zubauen bezw. theologisch zu retuschieren. S. würde
dies ohne Zweifel ablehnen, in seinen Formulierungen
aber grenzt er sich dagegen nicht genügend ab.

TVic Hnunb.0„a- , , c u -fi li z A„-:n rUR „:„ sie unweigerlich zu dem verwerflichen sibi in ns placere (45) - „So

rln« ~lf iL Sk 'enS,t d-r nC,r " lKP x* i ' I 6 ! bald die Hoffnung als ein psychologisches Datum angesehen wird, er-

oas re igiose Eroblem als ein Problem der Anthropologie schejnt sie a]s pracsumptjo und securitas... die normative Geltung . . .

entwickelt Und die begrifflichen Mittel, mit denen der ■ jst das sichere Kennzeichen, daß Luther seine das Glaubensleben be-

Idealismus und Seine Gegner es logisch ZU bewältigen I treffenden Aufstellungen am Gegenstand des Glaubens gewinnt. Jede so