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Ausgabe:

1932 Nr. 25

Spalte:

572-573

Autor/Hrsg.:

Herbst, Hermann

Titel/Untertitel:

Das Benediktinerkloster Klus bei Gandersheim und die Bursfelder Reform 1932

Rezensent:

Lempp, Eduard

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Theologische Literaturzeitung 1932 Nr. 25.

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gezeigt. Mit zwei weiteren 1927 und 1928 erschienenen
Bänden ist das Werk zum Abschluß gekommen, dessen
Verfasser bald danach durch den Tod abberufen wurde.
Ich muß für die ungebührliche Verspätung der Besprechung
um Entschuldigung bitten.

Das Hauptanliegen des Verf. war schon im 1. Band
deutlich geworden, nämlich O. darzustellen als einen
streng hellenischen Denker, der unbeschadet seiner subjektiven
, aufrichtigen Christlichkeit rein hellenische Philosophie
als Auslegung der Bibel vorträgt und darin den
von ihm bekämpften Onostikern viel näher steht, als
er wahr haben will, ja vielfach von ihnen abhängig ist.
„Origene est de la famille de oes autres idealistes, qui
furent presque ses contemporains, Philon d'Alexandrie,
le gnostique Valentin, le philosophe Plotin" (III 287).
Das tritt nach de F. allerdings nur in den griechisch
erhaltenen Schriften und Bruchstücken O.s ungebrochen
hervor; die lateinischen Übersetzungen Ruf ins korrigieren
ihn im kirchlichen Sinn. Erst und nur der Rufinische O.
ist nach de F. derjenige, der als der Vater der großen
dogmatischen Streitigkeiten des 4. und 5. Jahrhunderts
erscheint, während dem geschichtlichen O. die ganze
Fragestellung der altkatholischen Orthodoxie der Konzile
völlig fern liegt; er wird von ihren Theologen mißverstanden
— mögen sie ihn verehren oder verketzern —,
weil er von ihnen, die nicht mehr Philosophen sind, nicht
philosophisch verstanden wird, de F. hält es deshalb für
geboten und erlaubt, von allen nur lateinisch erhaltenen
Quellen abzusehen. Zahlreiche Anmerkungen im 3. Band
weisen auf die dogmatischen Korrekturen in de principiis
hin, die anderen lateinischen Texte werden überhaupt
fast völlig ignoriert; selbst ein so bedeutsames Stück wie
der Römerbriefkommentar wird nur in drei nichtssagenden
Anmerkungsverweisen herangezogen. Dies „kritische
" Verfahren ist doch gar zu summarisch. Mit Hilfe
der griechischen Tradition, deren Vorrang unbestritten
ist, ist die lateinische zu überprüfen, aber diese ist nicht
zu verachten, und auch in den griechischen Zitaten der
Spätzeit ist manches fragwürdig.

Seine Auffassung von O. als christlichem Philosophen
bringt de F. dadurch wirksam zur Darstellung,
daß er den ganzen 2. Band einem reichen Referat über
die hellenistische Philosophie „de Pyrrhon ä Plotin" widmet
. Die Untersuchung, ob oder wieweit die in diesem
Rahmen behandelten Lehrer und Schriften dem O. bekannt
waren, liegt dabei nicht im Interesse des Verf.,
sie kommen nur als Vertreter des Zeitdenkens in Betracht
. Freilich wünschte man bei einem Überblick über
die geistesgeschichtliche Entwicklung von nicht weniger
als 5 Jahrhunderten wenigstens die Frage gestellt zu
sehen, was davon im Jahrh. des O. aktuell war. Die einzelnen
Kapitel geben flüssige Paraphrasen mit vielen
gut übersetzten Zitaten, gehen aber nirgends auf Probleme
der Interpretation oder Kritik ein und ziehen
keinerlei Literatur heran. — Das Schlußkapitel des Bandes
bespricht kurz die wichtigsten älteren Darstellungen
des O.: Huer, Redepennig, J. Denis, Bigg, Harnack. Sie
werden alle als gelehrt und lehrreich anerkannt, aber
leiden mehr oder weniger an dem Fehler, die Rufinische
Tradition nicht oder nicht radikal genug zu kritisieren
und O. zu sehr von den „Konzilien" her zu sehen; sie
verhören ihn so alle vorzüglich auf eine Trinitätslehre,
die er gar nicht gehabt hat. Mit diesen Zensuren sind
die älteren Autoren abgefunden und werden im 3. Band
nicht mehr berücksichtigt.

Auf diesen Grundlagen wird die eigene Darstellung
de F.s aufgebaut. Die Lehre des O. ist ihm danach
wesentlich Kosmo(Theo-)logie und Anthropologie; als
Erlösungslehre ist sie wesentlich Offenbarungs- und Erziehungslehre
. Die Quellen für alle Hauptgedanken sind
die griechischen Philosophen und neben ihnen die christlichen
Gnostiker, während der Anschluß an die Bibel, die
Kirchenlehre, die Gemeindegläubigkeit zwar überall gesucht
wird, aber deutlich nicht innerlich begründet ist.
Die Allegorese, die ihn vermittelt, löst ihn faktisch auf.

Man kann leider nicht anders urteilen, als daß die
Förderung der eigentlich geschichtlichen Erkenntnis in
diesem immer wieder betont als rein historisch gelten
wollenden Werk trotz aller sichtlichen Hingabe des
Verf. an seinen Gegenstand gering ist. Im Grunde
kommt de F. auf das berühmte Urteil des Porphyrius
über O. hinaus. Aber während Porphyrius die Synthese
von Hellenismus und Christentum bei O. für absurd
und unehrlich hält, hält sie de F. für geistvoll und aufrichtig
. „Sa philosophie etait saturee d'esprit chretien,
comme sa foi etait imbue de sa pensee religieuse'
(III 286). Diese These schließt jedoch eine Darstellung
ab, in der sie eigentlich viel mehr bestritten als bewiesen
ist. Das kurze Kapitel „O. homme d'eglise" (III
269—284), das auf die langen Referate über die Spekulation
des O. folgt, kann nur als erstaunlich dürftig und
oberflächlich bezeichnet werden. Daß O. philosophiert,
ist ja wirklich unbestreitbar und unbestritten; wer es
etwa nicht wissen oder wägen sollte, mag sich von de F.
überzeugen lassen, der im Einzelnachweis auch manchen
neuen Zug einzeichnet. Aber das dogmengeschichtliche
und theologische Problem, das O. eben damit stellt, wird
von de F. deshalb nicht geklärt, weil es überhaupt nicht
anerkannt wird. Die besonnene, immer wieder unter Vorbehalte
gestellte, dialektische Reflexion des O. wird bei
ihm zu einer einlinigen, naiv-rationalistischen Universalspekulation
, de F. stellt nur philosophische und gnosti-
sche Parallelen heraus, während die kirchliche Tradition
in der O. steht, und sein sachliches Verhältnis zur Bibel
gar nicht geprüft werden. Schon die ganze Anlage der Darstellung
in den miteinander kaum verbundenen Schnitten
der 3 Bände bringt es mit sich, daß man Teile in die
Hand bekommt, denen das geistige Band fehlt. Die Frage
wäre, wieweit christlicher Glaube dem Philosophieren
des O. zugrunde liegt, ihm Grenzen zieht und Gehalte
gibt, also wieweit sein Philosophieren vom Glauben her
ebenso kritisch wird wie es selbst dem Gemeindeglauben
und der Literalorthodoxie vom Denken her kritisch gegenübertritt
.

Marburg. H. v. Sode n.__

Herbst, Hermann: Das Benediktinerkloster Klus bei Gandersheim
und die Bursfelder Reform. Leipzig: B. G. Teubner 1932.
(VIII, 116S.) gr. 8°. = Beitr. z. Kulturgesch. d. Mittelalters u. d.
Renaissance. Hrsg. v. W. Goetz. Bd. 50. RM 5.80.

Nicht um eine Geschichte der Bursfelder Reformbewegung
überhaupt handelt es sich in der vorliegenden
Schrift, eine solche wird nur im ersten Kapitel kurz
skizziert, wobei dem Verfasser leider Molitors ausgezeichnetes
Werk über die Rechtsgeschichte benediktini-
scher Verbände (I, 292 ff. u. II, 1 ff.) entgangen zu sein
scheint, sondern er will die Durchführung der Reform
an einem einzelnen Kloster, eben dem Kloster Klus,
schildern, von dem eigentlich die Reform ausgegangen
ist, da Abt Dederoth, später Abt in Bursfeld1, vorher
drei Jahre lang in dem kleinen Kloster Klus als Abt sein
mühsames Reformwerk erfolgreich begonnen und durchgeführt
hat. Dabei stützt sich H. hauptsächlich auf die
Chronik, die der Kluser Mönch Heinrich Bodo 1523/39
verfaßt hat. Nach einer bis zum Jahr 1500 geführten
eingehenden Geschichte des Klosters Klus wird das
innere Leben im Kloster nach Einführung der Reform
geschildert, wobei H. freilich selbst sich bewußt ist
(S. 42) über allgemeine Ausführungen nicht hinauskommen
zu können. Viel deutlicher kann die Wirkung
der Reformbewegung in den neuen Klosterbauten und
in der Vergrößerung des Grundbesitzes und überhaupt
des Vermögens des Klosters aufgezeigt werden, dann
wendet sich der Verf. besonders ausführlich der literarischen
Tätigkeit der Mönche zu, wie sie in dem fast vollständig
noch vorhandenen Bestand der bescheidenen
Klosterbibliothek sich zeigt. Inwieweit freilich aus diesen
Dingen auf besonders lebendiges religiöses Leben sich
schließen läßt, darüber kann man wohl verschiedener
Meinung sein. Zum Schluß wird eine bisher nicht gedruckte
Abhandlung des Heinrich Bodo „de institutione