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Ausgabe:

1932 Nr. 24

Spalte:

559

Autor/Hrsg.:

Dresbach, Ewald

Titel/Untertitel:

Pragmatische Kirchengeschichte der preußischen Provinzen Rheinland und Westfalen 1932

Rezensent:

Lerche, Otto

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559

Theologische Literaturzeitung 1932 Nr. 24.

560

Trotz solcher Bedenken, die sich aus dem Stande der
deutschen Forschung notwendig ergeben, sehe ich in
dem Buche von M. einen wertvollen Beitrag zur Forschung
über Jesus. Das Buch gibt viele Anregungen,
die für die weitere Arbeit an den Evangelien wichtig
sind.

Berlin._Johannes Schneider.

Dresbach, D. Ewald: Pragmatische Kirchengeschichte der
preußischen Provinzen Rheinland und Westfalen. Meinerzhagen
: E. Groll 1931. (XII, 840 S.) 8°. RM 22.50.
Der Name „pragmatische" Kirchengeschichte entwaffnet
den Referenten, der lediglich zu konstatieren hat,
daß hier eine Fülle Materials zusammengebracht und nach
äußerlichen Gesichtspunkten sorgfältig gruppiert worden
ist. Während die vier ersten Abschnitte, die zeitlich bis
1517 reichen und fast 200 Seiten füllen, an Albert
Haucks Kirchengeschichte Deutschlands eine sorgfältig
benutzte, wertvolle Stütze und Hilfe haben, wird im folgenden
Hauptabschnitt „Reformation und kirchliche Entwicklung
in den rheinischen und westfälischen Ländern
vom Auftreten Luthers bis zur Säkularisation 1517 bis
1803" auf etwa 250 Seiten ein ganz gewaltiger, eigens
erarbeiteter Stoff ausgebreitet. D. verwertet hier sowie
im 6. und 7. Abschnitt, die bis auf die Gegenwart führen,
eine große Menge schwer erhältlicher und wenig bekannter
Spezial- und Kleinliteratur, die dem hier gegebenen
bunten, allzu bunten Bilde freilich nicht nur
Mannigfaltigkeit sondern auch Unruhe verleiht, die die
ganze Zusammenfassung aber auch zu einem wertvollen
Arsenal und Nachschlagebuch macht. Die rein geographisch
gegliederte, auf das äußere Geschehen beschränkte
Darstellung dieses Hauptabschnittes bringt es freilich
mit sich, daß der Leser die innere Entwicklung sich mühsam
selbst zusammenstellen muß. So ist hier und da
an ganz verschiedenen Stellen sowohl von der Reichsabtei
Herford, von der Reichsäbtissin-Pfalzgräfin Elisabeth
, dem großen Kurfürsten Friedrich Wilhelm I. von
Brandenburg, von Labadie und von der Schürmann die
Rede, aber wie außerordentlich interessant das Zusammentreffen
aller der mit diesen Namen gekennzeichneten
verschiedenen geistigen und politischen Strömungen im
kleinen Räume Herford in kirchgeschichtlicher Hinsicht
war, das zu schildern oder nur anzudeuten, hat D. unterlassen
. S. 251 teilt D. die für seine Zeit theologisch
und kirchenpolitisch moderne Haltung des Trierer Kurfürsten
Johann Philipp von Waldendorf (1764) mit, aber
erst S. 599 ist von Hontheim-Febronius die Rede und
wird in einer Anmerkung das die damalige kirchliche
Welt erschütternde Buch des Febronius genannt. Tatsächlich
gehört dies beides zeitlich wie geistig ganz eng
zusammen; aber dieser Zusammenhang ist weder erkannt
, noch äußerlich herbeigeführt und darum hier auch
schwer erkennbar. Das unzulängliche Register erleichtert
das Zusammensuchen dieser Dinge nicht gerade.
Doch aber bleibt eine wertvolle Materialsammlung, die
durch die Beilagen — Listen der Erzbischöfe, der Bischöfe
der lutherischen Generalinspektoren, der Synodalpräsides
und der Generalsuperintendenten — an
Brauchbarkeit gewinnt und die an sich eine ansehnliche
Spezialbibliothek ersetzt.

Leipzig. Otto Lerche.

Blaustein, Dr. Leopold: Das Gotteserlebnis in Hebbels

Dramen. Berlin: Reuther & Reichard 1929. (VIII, 68 S.l gr. 8°.

RM 4—.

Der Verfasser nimmt die einzelnen Dramen Hebbels,
und zwar zuerst die großen Tragödien in der historischen
Reihenfolge ihres Stoffes von Gyges bis Maria Magdalena
, sodann die kleinen Dramen (Rubin usw.) und die
dramatischen Fragmente, der Reihe nach vor, um das
Gotteserlebnis der einzelnen auftretenden Personen zu
untersuchen und zu beschreiben. „Alle insgesamt ergeben
die stattliche Zahl von 56 dramatischen Gestalten,
bei denen wir entwickelte Gotteserlebnisse oder auch nur
Spuren von solchen fanden. Von den in erster Reihe in
Betracht kommenden 30 Gestalten sind 20 männliche

i und nur 10 Frauen. In allen Fällen handelt es sich um
1 Erwachsene. Immer ist das Gotteserlebnis an eine Kon-
' fession gebunden. Anhänger des babylonischen, griechi-
: sehen, germanischen Götterglaubens, der jüdischen,
; christlichen (katholischen und protestantischen) und mos-
lemitischen Religion sind in Hebbels Dramen vertreten.
| Es waren Könige, Fürsten in großer Zahl unter ihnen,
aber auch kleine, biedere Leute wie Meister Anton. Es
l waren auch die verschiedensten Charaktere vertreten,
i Helden und Schurken, demütige und stolze Seelen, lei-
| denschaftliche und ruhige, kühle Gemüter" (Aus dem
! „Rückblick" S. 61 f.). Die gelieferte Beschreibung ist
I sorgfältig, aber etwas nüchtern und trocken. Jede Gestalt
wird für sich vorgenommen, selten finden sich
j Rückverweise und Vergleiche. Eine religionspsycholo-
j gische Auswertung wird nicht unternommen. Ebenso-
j wenig wird in dem Hauptstück der Schrift ein Versuch
! gemacht, darzulegen, in welchen Gestalten etwa, in wel-
I chen Zügen ihres Wesens wir ein Erlebnis oder eine
Anschauung des Dichters selber wiederfinden dürfen.
Ein kurzer Anhang redet noch von Friedrich Hebbels
i Gotteserlebnis. Es wird uns zunächst eine Briefstelle
j mitgeteilt, um zu beweisen, daß der Dichter nicht alles,
j was er gestaltet, selbst erlebt zu haben braucht; sondern
I weil ihm das Geheimnis des Lebens anvertraut ist, so ergreift
er instinktiv jede Existenz in ihrer Wurzel und
jeden Moment einer Existenz in seinen allgemeinen
und besonderen Bedingungen, wovon die religiösen nicht
ausgenommen sind. Es werden dann aber doch aus
Hebbels Tagebuch, nur aus ihm, eine große Zahl von
Zeugnissen angeführt, aus denen hervorgeht, daß m
Hebbels Leben und Wesen mannigfaltige religiöse Ge-
; fühle und Erfahrungen insbesondere auch echtes Beten
| eine bedeutsame Rolle gespielt haben. Aber Verbirt-
j dungslinien von dort zu den dichterischen Gestalten und
ihren Gotteserlebnissen werden nicht gezogen. — S°
läßt die Arbeit in mancher Beziehung noch weitergehende
Wünsche übrig; sie ist nur eine Vorarbeit und
eine Anregung.

Hannover-Kleefeld._H. Schuster^

: Schwe itz er, Albert: Aus meinem Leben u. Denken. Leipzig:
F. Meiner 1932. (VI, 211 S., 7Taf. u. 1 Bildn.) 8°. RM 5 —; geb. 6.50.
Der Verfasser ist als hervorragender Wissenschaftler
auf verschiedenen Gebieten der Theologie wie der
Philosophie, vor allem durch seinen Entschluß, in einer
Zeit, da ihm die besten Aussichten in der Heimat winkten
, auf alles das zu verzichten und als Arzt im Dienste
der Mission zu den Negern in Äquatorialafrika zu gehen,
eine der eindrucksvollsten Persönlichkeiten der Gegenwart
. In dem vorliegenden Buch gibt er eine eingehende
Schilderung seines Werdens und Lebens, seiner wissenschaftlichen
und praktischen Arbeit. Schweizers Bedeutung
rechtfertigt einen eingehenden Bericht über seine
Schrift.

Ein Kind eines elsässischen Landpfarrhauses verlebt
Verf. eine glückliche Jugend. Mit fünf Jahren lernt
er, der Enkel eines Organisten und gründlichen Orgelkenners
, Klavier spielen, neun Jahre alt vertritt er
zum ersten Mal den Organisten im Gottesdienst. In
seiner Gymnasialzeit in Mülhausen erhält er gediegenen
Orgelunterricht, der ihn frühzeitig mit den Werken des
Thomaskantors vertraut macht. Die Freigebigkeit eines
Pariser Onkels ermöglicht es ihm, vor dem Universitätsstudium
Schüler des berühmten Orgelmeisters Charles
Maria Widor in Paris zu werden, mit diesem bleibt er
auch später in ständiger Verbindung, die sich zu gemeinsamer
Arbeit entwickelt. Das theologische Studium absolviert
er in Straßburg, wohnt im Thomasstift, dessen
Leiter er in den späteren Jahren wird. Von seinen Lehrern
beeinflußt ihn namentlich Holtzmann, den er mit großem
Eifer hört. An der von H. vertretenen Markushypothese
aber wird er früh irre durch Matth. 10 und 11, wo
Jesus seinen Jüngern ankündigt, daß sie bald Verfolgung
j leiden werden, und daß, ehe sie zurückkommen, das
! überirdische messianische Reich anbrechen werde; so