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Ausgabe:

1932 Nr. 2

Spalte:

37-38

Autor/Hrsg.:

Krüger, Gustav

Titel/Untertitel:

Die Religion der Goethezeit 1932

Rezensent:

Kohlschmidt, Werner

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37

Theologische Literaturzeitung 1932 Nr. 2.

38

wiegend Werke religiösen, erbaulichen oder dogmatischen
Inhalts. Ein vorläufiges alphabetisches Register
erleichtert die Benutzung. So wird die Bibliographie ein
wertvoller Beitrag zur Vorgeschichte der Reformation.
Heidelberg. Hans Teske.

Krüger, D. Dr. Gustav: Die Religion der Goethezeit. Tübingen:
J. C. B. Mohr 1931. (IX, 155 S.) 8°. RM 6 .

Bei der zumal seit Diltheys nachhaltiger Wirkung
wesentlich vertieften theologischen Aufmerksamkeit der
neueren literarhistorischen Forschung wird ein Buch
unter so gefaßtem Titel nicht allein von den Theologen
mit Spannung bemerkt werden. Denn es ist kein Zweifel
, daß eine maßgebende Arbeit über die Religion der
Goethezeit bis heute fehlt.

Aber es sei gleich gesagt, daß das vorliegende
Werk nicht auf diese Situation gemünzt ist. Es will
nicht die wissenschaftliche Lücke füllen, sondern zu
Laien reden, die interessiert sind und sich interessieren
lassen. Das Ziel ist also ein erzieherisches.

„Für Geisteswissenschaftler von Fach sind diese
Blätter nicht bestimmt."

Ausdrücklich will das Buch sich der Form nach als
Bildungsanregung, dem Inhalt nach als Bekenntnis zum
Idealismus verstanden wissen, der, als Lebensethos, nicht
als Philosophie begriffen, für Kr. das Gesicht der
Goethezeit bestimmt. Einzig in diesem Bezüge wird auch
die Teilnahme des Wissenschaftlers angesprochen, eher
freilich des theologischen Systematikers als des Historikers
. Kr. versucht, damit im Streite der Meinungen
über Christentum und Idealismus ein klärendes Wort mit
falle, aus dem geschichtlichen Befunde ein Verhältnis der
christlichen Religion und des idealistischen Ethos als
einander keineswegs ausschließender Größen zu begründen
; im ausdrücklichen Gegensatz zu der Wertung, die
der Idealismus von der Seite der dialektischen Theologie
erfährt.

Eine Kritik dieses Standpunktes hat hier keinen
Platz. Sie würde notwendig die Erörterung auf ein
Gleis schieben, das ja grade Kr. nicht befahren will.
Allein, es ist auch um des Gleichgewichtes willen zu
sagen, daß das Buch mit seinen Mitteln und Wegen zwar
als Äußerung gegen die idealismuskritische jüngere
Theologie bemerkt werden, aher nicht als Auseinandersetzung
mit ihr gelten kann.

Dafür hat Kr. nach der ausdrücklichen Betonung
seiner pädagogischen Absicht ja Recht und guten Grund,
sich eine Beurteilung mit geisteswissenschaftlichen Maßstäben
zu verbitten. Eine Kritik, die das Buch nimmt,
wie es sich selbst verstanden wissen will, ist folglich
gehalten, nicht den Finger zu legen auf Vereinfachungen
der historischen und systematischen Tatbestände, sondern
hat allein zu fragen, ob das Buch in seinem eigenen
Sinne pädagogisch sei.

Die Frage ist also: Findet das Werk seinen mit
dem Zweck gesetzten Stil? Ist es geeignet, die Kreise,
an die es sich richtet, zu einer tieferen Auseinandersetzung
mit den vom Stoff gestellten Fragen zu
drangen?

Der Grundsatz, nach dem hier geurteilt wird, mag
voranstehen. Eine pädagogische Arbeit, wie sie hier beabsichtigt
ist, hat auf ein Doppeltes zu achten (das sich
nur scheinbar widerspricht): Auf Niveau und auf Verständlichkeit
.

Die naheliegende Gefahr des Niveaus ist Überspannung
und vorzeitige Entmutigung, die Gefahr der
Verständlichkeit Unterschätzung und vorzeitige Sättigung
des pädagogischen Objekts. Beiden Gefahren ist bei
allem guten Willen das Buch in manchem Bezüge verfallen
. Wenn Leisegang in seinem kürzlich erschienenen
werk über Lessings Weltanschauung auf eine tiefere
Weise betont, seine Arbeit sei zwar allgemeinverständlich
, darum aber noch nicht leichtverständlich, so macht
sich das Fehlen dieser strengen Scheidung hier bemerkbar
.

Unstimmigkeiten in der Darstellungsform und in
der Höhenlage sind die Folge.

Unzweifelhaft begründet der Wille zur Popularität
Arbeitsform und Arbeitsweg des Buches. Das zeigt
sich schon an der breiten Anlage der Einleitungsabschnitte
, der meisten Gedankengänge. Es zeigt sich an
der Einfachheit der Definitionen, wie an dem Verweilen
der Interpretation bei wenigen, oft bekannten, meist
recht verständlichen Zitaten.

Es sind also nicht unbeträchtliche Opfer an Raum,
Zeit und Dichtigkeit, die der Leichtverständlichkeit gebracht
werden. Symptomatisch ist, daß selbst Lebensläufe
kleinsten Formates gelegentlich in die Interpretation
eingeschaltet werden, obwohl sie nicht zum Thema
gehören und zudem heute mit reichlich geringem Aufwand
allenthalben nachgeschlagen werden können.

Nach alle diesem dürfte dem Leser (Hörer) nicht
allzuviel zuzumuten sein.

Demgegenüber fällt indessen die Bestimmung der
„geisteswissenschaftlich" interessierten Kreise, zu denen
gesprochen wird, nach dem Stil des Buches schwer, da
die Grenzen weder formuliert noch im Laufe der Erörterungen
von selbst klar werden. Sind es Leser, denen
man die gar nicht leichte Lektüre Diltheys zumuten
kann? Oder die man auf so exklusive Fachliteratur verweisen
kann wie auf Ungers Hamannbuch? Leser ferner
, denen man die Kenntnis des Ortes der dem Wissenschaftler
freilich geläufigen Textzitate ohne weiteres zutrauen
kann und überdies die Energie, sie in ihrem Zusammenhang
aufzusuchen und durchzuarbeiten? Leser
endlich, für die man ohne vorangehende präzise Definition
mit vieldeutigen und ausgesetzten Begriffen wie
Mystik und Romantik arbeiten kann? Leser also nicht
allein mit gutem Willen sondern auch mit Fähigkeit,
Findigkeit und Vorbildung?

Dürfte damit aber nicht dem Leser ein Beträchtliches
zugemutet sein? Bedürfte es bei diesen Voraussetzungen
wohl der oben angeführten Erleichterungen?

Es wäre dem Buche also zu wünschen, daß es bei
einer eventuellen Neuauflage zu einem Ausgleich seiner
streitenden Tendenzen käme. Praktisch: Einerseits eine
Beschränkung der „Leichtverständlichkeit" zugunsten
einer tieferen „Allgemeinverständlichkeit", andrerseits
eine methodischere Führung zu den höheren Zielen auf
einem deutlich sichtbaren, Tangsam ansteigenden Wege.

Der Verfasser befürchtet den Vorwurf der Rückständigkeit
, weil er den Gestalten der Zeit selbst zu
oft das Wort erteile, statt synthetisch, wie es heute
Mode sei, über sie zu reden. Dieses Bestreben, das den
eigentlichen pädagogischen Wert der Arbeit ausmacht,
kann nur anerkannt werden. Eher wird man bedauern,
daß ein allerdings „historistischer" Vollständigkeitswille,
der an keiner Gestalt vorüberzugehen bemüht ist, eine
rechte Entfaltung dieses Grundsatzes nicht ermöglicht.
So hat es dem Buch versagt sein müssen, in genauer
und naher Erfassung des Wortes (und nicht nur einzelner
Wörter) der Bedeutsamsten der Zeit die Religiosität
bestimmter Gestalten greifbar auszuformen, die
als Ganzes wirken und treffen könnten. Damit aber
hätte d i e Religion der Goethezeit, soweit von einer
solchen gesprochen werden kann, am Ende als repräsentativere
und geschlossenere Größe vorgelegen, als so der
Fall sein kann.

Bederkesa b. Bremerhaven. Werner Kohlschmidt.

Diehl, D. Dr. Dr. Wilhelm: Baubuch f. d. evangelischen Pfarreien
der Landgrafschaft Hessen - Darmstadt. Im Auftr. d. Historischen
Kommission hrsg. Darmstadt [Waldstr. 40]: Selbstverlag d. Verf. 1931.
(640 S.) gr. 8°. = Arbeiten d. Hist. Komm. f. d. Volksstaat Hessen.
Hassia Sacra, hrsg. v. W. Diehl, Bd. V. RM 15—.

Diehl gibt als anerkannt bester Kenner der hessischen
Geschichte auf Grund reichen und gründlich untersuchten
Quellenmaterials in vorliegendem Werk eine
Darstellung des geschichtlich gewordenen gegenwärtigen
Rechtsstandes der Baupflicht an Kirchen und Pfarrhäusern
in den 150 ev. Pfarreien der alten Landgraf-