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Ausgabe:

1932 Nr. 24

Spalte:

556-559

Autor/Hrsg.:

Manson, T . W.

Titel/Untertitel:

The Teaching of Jesus 1932

Rezensent:

Schneider, Johannes

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Theologische Literaturzeitung 1932 Nr. 24.

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weiterer Begründung von Baumgärtel vertretene Annahme
zweier Übersetzer ab, m. E. ohne das von jenen
beigebrachte Material genügend einzuschätzen. Hinsichtlich
des kürzeren Textes der LXX gegenüber dem MT
kommt er im ganzen zu dem Ergebnis, daß der Unterschied
zwischen MT und LXX-Vorlage kein bedeutender
gewesen und das Defizit der LXX meistens
nur ein scheinbares sei, ja die LXX-Vorlage
sei mit unserm MT so ziemlich identisch gewesen;
größere Abweichungen seien wohl nur da vorhanden
gewesen, wo entweder der Text der Vorlage verdorben
war oder der jetzige MT verdorben ist. Der
Übersetzer habe mit seinem Text ziemlich frei verfahren,
nicht sowohl bestrebt, eine neue wörtliche Übersetzung
herzustellen, als den Sinn zum Ausdruck zu bringen.
Insbesondere werde die Übersetzung nicht selten frei und
undurchsichtig, sobald der Text schwierig wird und das
Ringen mit dem Text beginnt. An solchen Stellen
scheine auf den ersten Blick der Text der Vorlage von
MT bedeutend abzuweichen, aber bei näherem Zusehen
erweise sich das als Täuschung. Den großen Teil der
Differenzen zwischen MT und LXX hat nach Fischer
der Übersetzer selbst veranlaßt. Häufig habe er in seiner
Übersetzungsnot seine aramäischen Sprachkenntnisse zu-
hilfe genommen und Fischer glaubt durch Zurückgreifen
auf das Aramäische viele bisher unerklärte Stellen aufhellen
zu können. Gern wähle der Übersetzer ein Wort,
das an das entsprechende hebräische Wort anklingt.
Überaus häufig habe er abweichende Vokale gelesen. In
zahlreichen Fällen könne man Konsonantenumstellungen,
Buchstabeneinfügungen, Konsonantenverwechselungen
feststellen. Eine große Rolle spiele die Kombination aufgrund
des überlieferten Wortbildes. Überaus häufig
seien freie und sehr freie Übersetzungen. Ein reiches
Maß von Abweichungen sei durch die historische Entwicklung
des MT und insbesondere des LXX-T. veranlaßt
. Das Defizit von LXX gegenüber MT sei zum
großen Teil durch Ausfall innerhalb LXX zu erklären;
Fischer vermutet, daß das in weit größerem Maße der
Fall ist, als es sich aus dem überlieferten Textmaterial
beweisen läßt. Daneben spielten die innergriechischen
Verderbnisse eine große Rolle. Wie spätere Generationen
an LXX gearbeitet und die Verunstaltung des
Textes vermehrt hätten, zeigten besonders die sehr zahlreichen
Doppelübersetzungen. Eine andere Quelle von
Veränderungen sei die gegenseitige Beeinflussung sinnverwandter
Stellen. Endlich seien zahlreiche Unterschiede
zwischen MT und LXX verursacht durch die
abweichende Orthographie der LXX-Vorlage und durch
das Fehlen der Satz- und Worttrennung und der Schlußbuchstaben
in derselben.

Den Hauptteil des Buches bildet die nun folgende
Darbietung des Materials, bei dem sich Fischer, um
die Arbeit nicht zu umfangreich werden zu lassen, auf
diejenigen Abweichungen der LXX vom MT beschränkt,
welche für die Entscheidung der zur Debatte stehenden
Frage wirklich in Betracht kommen; auch alle jene
Stellen werden berücksichtigt, welche Wutz als Argumente
für griechisch transkribierte Vorlage herangezogen
hat. In mühsamer Untersuchung erstrebt Fischer bei
jeder Stelle ein Urteil über die Erklärung des Tatbestandes
der Abweichung, wobei er sich zur Bezeichnung
des Grades der Sicherheit einer ganzen Reihe von Abstufungen
bedient (unsicher, fraglich, möglich, wahrscheinlich
, wahrscheinlicher, sehr wahrscheinlich, sicher).
Den Ertrag seiner Beobachtungen faßt er in zwei Tabellen
, unter steter Verwendung dieser Abstufungen, derart
zusammen, daß in der ersten die Buchstabenverwechselungen
der Reihenfolge des hebräischen Alphabets
nach geordnet werden, während die zweite das Material
hinsichtlich der Beweiskraft für die Annahme einer hebräischen
Vorlage schichtet. Hierbei zeigt sich, daß
nach Fischers Urteil eine zwar relativ geringe Zahl von
Stellen sicher, aber eine erheblich größere sehr wahrscheinlich
, eine noch größere wahrscheinlich für hebräische
Vorlage spricht, daß wiederum größere Zahlen
wahrscheinlicher für hebräische als griechische bzw. weder
für noch gegen hebräische Vorlage sprechen, daß
hingegen nur eine verschwindend geringe Zahl von
Stellen übrig bleibt, die für sich betrachtet positiv für
. griechische Transkription in Anspruch genommen wer-
j den können. Die Konsequenzen aus diesen Tabellen tut
Fischer in dem letzten Abschnitt seines Buches dar.
Es ergibt sich ihm, daß die HauptverwechselungsgrupP«11
des Alphabetes der LXX-Vorlage zum weitaus größten
Teil innerhebräisch gedeutet werden müssen, zum
kleineren Restteil können, daß zur Annahme griechisch
transkribierter Vorlage gar nichts zwingt, was Fischer
noch durch eine Reihe von Untersuchungen zu erhärten
sucht, in denen er auch auf seine frühere Arbeit über
das Alphabet der LXX-Vorlage zurückgreift. Das Resultat
von allem formuliert er abschließend: „Die Vorlage
zur Jes.-LXX war sicher nicht ein griechisch transkribierter
Text, sondern der hebräische Konsonantentext.
| Das Alphabet der Vorlage war wie beim Pentateuch
i ein neuaramäisches mit Neigung zur Quadratschrift;
j doch war bei der Jes.-Vorlage die Hinneigung zur
Quadratschrift eine stärkere als bei der Vorlage zum
Pentateuch". Als wahrer Kern der Wutzschen Hypothese
bleibt nach Fischer nur übrig, daß da und dort
ein Übersetzer ihm unverständliche Worte und Ausdrücke
transkribiert hat, daß da und dort transkribierte Gtos-
sen späterer Abschreiber in den Text eingedrungen sind;
dagegen habe sich die Annahme, daß ganze Bücher der
LXX nach griechisch transkribierter Vorlage übertragen
sind, bisher nicht bewährt".

Als Anhang gibt Fischer eine Zusammenstellung der
< ursprünglichen Lesungen im Jesaia-Texte, die er aufgrund
der LXX oder wenigstens durch Anregung der LXX gefunden
zu haben glaubt.

Wenn sich die Arbeit von Fischer auf dem Titelblatt
schlicht „Eine textkritische Studie" nennt, so ist
zu sagen, daß diese Studie allerdings das Ergebnis außerordentlich
mühsamer Einzelforschung ist, einer Einzelforschung
, die zu leisten nicht jedermanns Sache ist und
zu der nicht bloß eine besondere Freudigkeit, sondern
: auch eine besondere Veranlagung gehört. Es ist nun
| hier nicht der Ort, zu der Richtigkeit der verschiedenen
! Einzelzüge Stellung zu nehmen, aus denen sich die
Charakteristik der Jesaia-LXX zusammensetzt, in der,
wie wir oben sahen, Fischer seine mannigfachen Beobachtungen
zusammengefaßt hat. Die Frage, inwieweit
i Fischer die Aufgabe gelöst hat, die er sich gestellt hat,
ist davon zum erheblichen Teil unabhängig. Was nun die
vielen Hunderte von Einzelbeobachtungen in dem Hauptteil
des Buches anlangt, so wird man ja freilich sagen
müssen, daß die Urteile im einzelnen reclit diffizil sind
und daß der Grad der Sicherheit in vielen Fällen recht
schwer zu bestimmen sein dürfte. Man wird fragen
müssen, ob die Urteilsrichtung des Verfassers doch
vielleicht stärker durch den Gegensatz zu Wutz bestimmt
wird als sachlich nötig ist, eine Gefahr, der angesichts der
Eigenart des Gegenstandes zu entgehen fast unmöglich
| sein dürfte. Aber auch wenn man die Möglichkeit dieser
| Fehlerquelle voll in Rechnung stellt, kann man sich m. E.
dem Eindruck nicht verschließen, daß Fischer seine
gegensätzliche Auffassung zu Wutz ausreichend begründet
hat. Auf jeden Fall haben wir es mit einer bedeutsamen
Leistung zu tun.

Münster (Westf.). Johannes Herrmann.

Manson, T.W., M. A.: The Teaching of Jesus. Studies of its
form and content. London: Cambridge University Press 1931. (XIL
347 S.) 8°. sh 15—-

M. vertritt die These, daß die Lehre Jesu weder
! rationalistisch-ethisch noch eschatologisch zu verstehen
j ist; man dürfe sie auch nicht als Einheit sehen, sondern
müsse in ihr drei Linien unterscheiden: die polemische
, in der sich Jesus an die Pharisäer wendet, die
gleichnishafte, die an das Volk gerichtet ist, und die
: eigentlich entscheidende, die den Jüngern gilt und den