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Ausgabe:

1932 Nr. 2

Spalte:

33-35

Autor/Hrsg.:

Herrmann, Fritz

Titel/Untertitel:

Die Protokolle des Mainzer Domkapitels seit 1450. Bd. 3, 2. Hälfte, 1. Teil 1932

Rezensent:

Schornbaum, Karl

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33 Theologische Literaturzeitung 1932 Nr. 2. 34

dessen hat Oppenheim in den Gang der Vita S. Ansgarii Hessen erwachsenden Irrungen führte man die Sache
kulturgeschichtliche Excurse, z. B. über das mittelajter- | durch; man scheute sich nicht, den Klerus zur Zustimmung
einzuberufen (S. 521 f. 524. 530), auch die Kirchenkleinodien
wollte man verpfänden (936). Die Rückgewinnung
Württembergs durch Herzog Ulrich (584.
590 ff., 605), die Münsterschen Wirren (607. 614. 618.
626. 699) erschreckte das Kapitel nicht minder wie die
beständigen Werbungen Frankreichs u. a. Um so günstiger
war es für dasselbe, daß man mit dem Erzbischof
oder seinem Statthalter Joh. Albrecht in gutem Einvernehmen
stand (cf. S. 594). Man bittet ihn die bedeutsamen
Reichstage wie zu Hagenau (850 ff.), Worms
(871), Regensburg (883ff.) doch selbst zu besuchen;

liehe Schulwesen, über die nordisch-germanische Reil
gion und Kunst in einer Breite eingefügt, die der Geschlossenheit
der Biographie erheblichen Schaden tun.
Mit dieser Arbeitsweise hängt es zusammen, daß Oppenheim
über bremische Verhältnisse mancherlei Ungenauig-
keiten unterlaufen. Das S. 173 erwähnte Hospital ist
das spätere St. Jürgen Gasthaus, das Ansgarkapitel (S.
187) besteht heute nicht mehr, zu den Ansgarreliquien
(S. 187) gehören auch die des Ansgarkapitels.

Der wissenschaftlichen Forschung ist mit dem vorliegendem
Buche kein Dienst geleistet. Den gebildeten

Katholiken kann es jedoch in das Leben Ansgars ein- j die Kosten werden immer bewilligt, ja sogar besondere
führen, wie es die katholische Kirche gesehen wissen Verehrungen beschlossen (760. 779). Einmütig war man
will. Schlicht und einfach ist der Stil. Gute Bildbei- j gegen die Umwandlung der Abtei Fulda in ein Bistum

gaben tragen zur Veranschaulichung der germanisch-nordischen
Kunst und Kultur bei.

Bremen. Heinz Weidemann.

Herrmann, Archivrat D. Fritz: Die Protokolle des Mainzer
Domkapitels seit 1450. III. Bd.: Die Protokolle aus d. Zeit d.
Erzb. Albr. v. Brandenburg 1514—1545. 1. In Regestenform bearb.
Paderborn: F. Schöningh. 4°. = Arbeiten d. Histor. Kommission für
d. Volksstaat Hessen.

1. Hälfte. 1929. (VII, 508 S.) RM 36-.

2. Hälfte, 1. Tl. 1930. (II u. S. 509—956) „ 32-.

Von der großen Publikation der historischen Kommission
für den Volksstaat Hessen erscheint wiederum
ein umfangreicher Teilband (3. Band 2. Hälfte 1. Teil),
der auf 447 Seiten die Protokolle des Domkapitels
von Mainz aus den Jahren 1532 bis 1542 (25. Aug.)
enthält. Schon der Umfang weist auf die Fülle des
hier gebotenen Materials hin. Zunächst tritt die Verwaltungstätigkeit
des Domkapitels hervor. In dem Umkreis
des ihm zustehenden Bezirkes hatte es sich mit allem
möglichen zu befassen: vom Bau des Domes (755) bis
zum großen Nußbaum am Tiergarten, dessen Entfernung
wegen seiner Schädlichkeit angeordnet wird (771. 826.
902), auch die Schlösser zu dem Kirchturm, sogar zum
heimlichen Gemach im Kreuzgang sind verzeichnet (526).
Um die Kräme der Zuckerbäcker, der Käsmenger (558.
693. 698. 748. 818. 929) muß man sich ebenso annehmen
wie um den wichtigen Zoll zu Bingen. Die Beschaffung
von Holz für die Bürgerschaft (581) muß
man ebenso regeln wie die Umwandlung von Feld in
Weinberge (745), die Haltung des Zuchtstieres (795)
genau so wie die Hubgerichtsordnung in Fauerbach
(749. 906), die Verehrung von Wein an Pilgrime (758)
wie den Erwerb der Vogtei Turla u. Langenau (785.
787. 869. 880), den Guß von Geschützen (598), den
Kauf von Büchsen (793), Beilen und Äxten (846), oder
das Fegen von Schornsteinen (570) wie das Feilhalten
von „Briefen und dergleichen gemaltem Werk im Paradies
" (694). Wohl keine der zahlreichen dem Dom- ,

kapitel unterstellten Ortschaften ist in den Protokollen ! Die Übernahme der Pfarrei Friedberg lehnte man ab:

(538. 549. 565. 575. 796. 802. 804. 852).

Man geht nicht fehl, wenn man diese Stellungnahme
begründet findet in der sich beiden Erzbischof wie Domkapitel
immer mehr aufdrängenden Einsicht von der
sich immer bedrohlicher gestaltenden Lage. Der neue
Geist klopfte immer energischer an die Grenzen des
Erzbistum; im Bistumssprengel konnte man sein Weitergreifen
überhaupt nicht verhindern, wo man nur über
die geistliche Gewalt verfügte; gegen Frankfurt war
man machtlos (547. 549. 558. 627 f. 632. 662. 690.
723. 726); Stockstadt, Wolfskehlen konnten nicht beim
kath. Glauben erhalten werden (589. 592. 598. 635
bis 718).

Wenn zwar die Leute von Münster ein Kruzifix herunterrissen
, so geschah es nur, um dafür eine Tafel mit
dem pfälzischen Wappen anzubringen (593); aber über
die Stimmung weiter Kreise konnte sich niemand täuschen
, wenn Leute von Trechtinghausen den Abt von
Erbach „injurierten", ihm auf dem Rhein nachfuhren
oder mit Steinen nach ihm warfen (621. 691. 698 f.
707. cf. 673. In Hochheim wird das Sakrament „fast
übel" beleuchtet, „die Apostel- und andere Feiertage übel
gehalten" (S. 539). Ja in Mainz selbst wird die Bruderschaft
am Sebastiansaltar im Augustinerkloster nicht
mehr gehalten, bei St. Emeran war aus Mutwillen ein
Fuß des Taufsteins zerschlagen worden (550). Im Domkapitel
war man nicht blind gegenüber diesen Vorkommnissen
. Man nahm sich um die Pfarreien ganz anders
an als früher. Pfarrgebäude und Pfarrgründe wurden
überall gebessert, um die vielen Streitpunkte aus dem
Wege zu räumen; die Gehälter suchte man aufzubessern,
wobei man ruhig Pfründen zusammenlegte (520. 527.
573. 658. 710. 670. 676. 898. 908). Aber man wußte,
vor allem handelt es sich um taugliche Kräfte (870),
aber an denen fehlte es (658), wenn es auch nicht
überall so zuging, wie in Flörsheim, wo dem Pfarrer
Fenster und Ofen zerschlagen wurden, weil er sich anscheinend
an einem Totschlag beteiligt hatte (S. 553).

unerwähnt geblieben. Eine Aufzählung ist hier unmög- I »das SY auf ir a'gen pfarren diser zeit nit wol pfarr-

lich; es muß auf das Register verwiesen werden. Gerns- herrn uberkommen megen" (789. 791. 793). Es war

heim, Trechtinghausen, Bingen kommen besonders oft nur ,ein geringer Trost, daß auch anderwärts, wie in

vor. Es spielen ja auch die Irrungen mit den Nachbar- Fritzlar unter Geistlichen und Weltlichen „mancherlei

Staaten eine große Rolle. Auch die Juden zu Bingen Ungeschicklichkeit" und „unordentliches Leben" einge-

beschäftigen öfters das Domkapitel (562. 580. 727. nssen war (7ft5)-

732 f. 739. 882. 895). Meist sind es Steuersachen (769. Vor allem stand es ja im Domkapitel selbst nicht

839. 874. 918. 932. 937. 945). zum besten. 30 mal kehren in den Protokollen dieser

Ebenso wichtig aber ist die Tätigkeit, die bei I Zeit die Klagen über das Treiben der Domherren wieder.

Reichs- und Landesangelegenheiten zu entfalten war. I Mit dem cultus divinus war es nicht zum besten bestellt.

Die Erneuerung des schwäbischen Bundes fand beim Der Klerus beschwerte sich (802), der Erzbischof griff

Domkapitel keine Gegenliebe (515. 556. 557); offen ! ein. Man beschloß zwar keine Pfründe mehr an Min-

erkannte man den geringen Nutzen, den die Zugehörig- ; derjährige zu verleihen (510. 598. 604. 613. 887), sah

keit zu ihm bedeutet hatte. Allerdings dauerte es noch | auf die Absolvierung der Studienzeit, wollte die Ver-

manches Jahr, bis endlich alles geregelt war (680. 683). einigung von 2 Stellen in einer Hand nicht mehr ge-

Dafür trat man für „die rheinische Einigung" entschie- I statten (626. 629), ließ es an Ermahnungen an den

den ein. Der Regensburger Reichstag 1532 bedeutete 1 Scholastikus nicht fehlen, das auf persönliche Residenz

eine starke finanzielle Belastung durch den Beschluß (784. 787), aber viel half es nicht. Denn nicht nur daß

eine besondere Türkensteuer zu erheben. Trotz der die Eingriffe des päpstlichen Stuhles alle Maßnahmen

Schwierigkeit der Erhebung, trotz der mit Pfalz und I oft durchkreuzten (s. de curtisanorum molestatione 549.