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Ausgabe:

1932 Nr. 21

Spalte:

501-503

Autor/Hrsg.:

Bornhausen, Karl

Titel/Untertitel:

Schöpfung. Wandel und Wesen der Religion 1932

Rezensent:

Nygren, Anders

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Theologische Literaturzeitung 1932 Nr. 21.

502

the Jesuits": Berührung und Gegensatz ist gleich
beachtlich. Bedauerlich, daß wir selbst noch in der
Hauck'schen PRE. über den geistig vielleicht hervorragendsten
Mann des Anglikanismus keinen Artikel —
den er unbedingt verdient —, nur ein paar gelegentliche
Notizen haben. Ich bekenne mich schmerzlich als mitschuldig
, habe bei meiner Bearbeitung des vortrefflichen
Artikels vonC. Schö 11 (in 1,1896) nicht bemerkt, daß da
die Kenntnis selbst dieses Mannes lückenhaft war. Nr. 215
hat auch einen Aufsatz über Johann von Salisbury
(12. Jahrh.), Nr. 219 einen über „Erastianism
in the Great Rebellion" (in ihr, also lange nach seinem
Tode [gest. 1583] wurde der Schweizer [spezifische
Zwinglianer] Erastus einflußreich in England, wo er
[auch in Schottland] noch immer eine „Partei" für sich
hat). — Noch einige weitere Aufsätze ähnlicher Art
wären zu nennen. Aber sie betreffen allzu speziell bloß
für England irgendwie interessante Persönlichkeiten.

Dagegen hebe ich gern noch hervor, daß die Revue
auch immer wieder a 11 g e m e i n - evangelische Männer
in Sicht bringt. Nr. 2 13 behandelt allerdings nicht
gerade gründlich, „Luthers Theory" of Church and
State, 2 15 „C a 1 v i n's" Theory darüber, 2 2 3 diejenige
„Zwingli's" (ein Überblick über die hieher gehörigen
Studien der letzten 50 Jahre; merkwürdigerweise scheint
der Verfasser nichts von dem Haupt-Zwingli-Forscher
Walter Köhler gehört zu haben). — Nr. 213 enthält
einen Aufsatz über „The Religious Philosophy of
Rudolph Otto"; Nr. 224 führt „Three German
Theologians" vor, nämlich K. Barth, K. Heim, R.
Otto (jeden allerdings nur im "Blick auf ein spezielles,
nicht gerade sein am meisten charakteristisches Werk).
— Im letzten Hefte, das zu der oben notierten Bandreihe
gehört (Nr. 2 2 6, vol. CXIII, Jan. 1932), trifft man
sogar einen relativ eindringlichen Aufsatz über Edmund
Husserl.

Ich habe längst nicht alles berühren können, was
die Church Quarterly Review seit 1928 gebracht hat.
Wie die „Christi. Welt" beachtet sie auch gern allgemein
-menschlich Interessantes, Dichter etc. Sie ist durchaus
wert, daß man sie auch im Auslande im Auge behält.
Halle a. S. F. Kattenbusch.

Bornhausen, Prof. D. Karl: Schöpfung. Wandel und Wesen der Religion
. Leipzig: Quelle & Meyer 1Q30. (VIII, 258S.) 8°. RM 10 —;geb.l2 — .

Im Vorwort führt der Verf. seine Arbeit folgendermaßen
ein:

„Mit dem vorliegenden Buch wird die Darstellung des christlichen
Glaubens, seiner Herkunft und Beziehungen, beendet. Es ist vorgekommen
,'daß die beiden schon veröffentlichten Bücher: Der Erlöser
(1927), Die Offenbarung (1928), als eine Religionsphilosophie angesprochen
wurden. Damit ist die systematische Absicht des Verfassers
verkannt. Sollen die Schriften in die althergebrachte Zusammengehörigkeit
gebracht werden, so entspricht die Offenbarung dem ersten Teil
der Dogmatik, der Erlöser dem zweiten Teil derselben. Die Schöpfung
stellt eine Religionsphilosophie dar. Während der Nichtfachmann an
dieser Systematik keinerlei Anstoß nimmt und daher in der Lage ist,
jedes der drei Bücher für sich gesondert zu lesen, hat der traditionell denkende
Theolog an diesem Versuch allerhand zu bemängeln. Er wird
den vorliegenden Band isoliert nehmen und als abwegig bezeichnen.
Gegen diese Auffassung muß Verwahrung eingelegt werden: für die
Theologie gehören die drei Bände in ihrer Aufeinanderfolge als eine
Einheit zusammen, auch wenn der Obertitel fehlt".

Es handelt sich also um eine religionsphilosophische
Untersuchung und zwar auf breitester religionsgeschichtlicher
Grundlage. Der Zweck ist letzten Endes der, zu
einer „Geschichtsphilosophie der Religionen und der
Religion" zu gelangen. Zunächst begegnet man nämlich
der Religion als einer Menge von verschiedenen Reil- i
gionsformen. Mit diesen versucht der Verfasser in den
beiden ersten Hauptkapiteln des Buches zurechtzukommen
. Der Einteilungsgrund dabei ist die Distinktion
zwischen Natur und Kultur, wobei doch betont werden
muß, daß kein realer Gegensatz zwischen ihnen besteht, !
Jede Natur ist als Geschichte ein Stück Kulturgeschichte; |
jede Kultur baut auf Natur und trägt Natur in sich. In |

dem ersten Kapitel, „Philosophie der Naturgeschichte
der Religionen" werden die religionsgeschichtlichen Probleme
über Seele, Macht, Kultus und Mythos, im zweiten
Kapitel, das die Überschrift „Philosophie der Geistesgeschichte
der Religionen" trägt, werden die Fragen über
Mystik, Ethik, Erlösung und Gebet behandelt. Aber das
Ganze ist unter einen alles beherrschenden geschichts-
philosophischen Gesichtspunkt gestellt, der in dem Begriff
„Schöpfung" zum Ausdruck kommt. Damit sind
wir beim dritten Kapitel angelangt, „Philosophie der
Religion", das sich natürlich unser größtes Interesse zuzieht
. Der Verfasser charakterisiert selbst diesen Teil
seiner Arbeit als „Versuch einer geschichtlichen Religionsmetaphysik
".

Der Schöpfungsbegriff des Verfassers steht offenbar
in naher Beziehung zu dem Begriff des Schöpferischen
im deutschen Idealismus. Wo immer im menschlichen
Leben etwas Schöpferisches hervortritt, ist es ein Zeugnis
des Transzendenten und ein Geschenk aus der Transzendenz
. Das höchste Menschliche streift unmittelbar
an das Göttliche. Geschichte und Schöpfung werden
nahezu Wechselbegriffe. An einer Stelle faßt der Verfasser
seinen Gedankengang auf folgende Weise zusammen
: „Die Geschichte ist Schöpfung Gottes; und der
Sinn der Geschichtsschöpfungen ist Religion d. h. Verbundenheit
mit Gottes Geist. Wer Geschichte erlebt,
wer Menschen, die die Träger der Geschichte sind, erlebt
, erlebt die Schöpferkraft Gottes. Wer Jesus Christus
, den Menschen der Geschichte erlebt, hat die Schöpferkraft
Gottes an sich selbst d. h. Erlösung" (S. 233).

Welche Konsequenzen hat nun diese Auffassung,
wenn sie auf das religionsgeschichtliche Material angewendet
wird? Sie läßt den ganzen religiösen Entwicklungsprozeß
an einem Punkt konvergieren, so daß man
nicht nur von einer Geschichte der Religionen sprechen
kann, sondern auch von einer einheitlichen Geschichte
der Religion. Wenn man in der Geschichte der Religionen
bei dem Unterschied zwischen zwei Haupttypen,
einem Typus des Orients und einem Typus des Okzidents
stehen bleiben muß, dann besteht die einzigartige
Bedeutung des Christentums darin, daß die beiden
eins geworden sind in dem originalen und schöpferischen
Moment, das in Jesu Person vorliegt. „Diese unerhörte
schöpferische Tatsächlichkeit des Menschen Jesus in
der Geschichte gibt seiner Religion das Recht, Weltreligion
zu sein und diesen Anspruch zu behaupten.
Denn die Typik von Osten und Westen ist im Wesen
der Menschenseele durch Jesus aufgehoben und überwunden
; vor Gott, dem Vater Jesu, sind alle individuellen
Seelen gleich, alle in Not, alle voll Sehnsucht
nach Heil. Unwesentlich wurde es, welcher Rasse und
welchem Volk er angehörte, welche Kultur und welche
Kenntnisse er hatte. Das edelste und tiefste Religionsgut
des Orients und der okzidentalen Antike, des semitischen
und des griechischen Seelenwesens klingt in ihm auf.
Niemals wieder hat sich in der Weltgeschichte eine
solche Tat überirdischen Wollens und Könnens so gezeigt
; ein schöpferischer Augenblick für diese Menschheit
, wie er nie mehr wiederkehrt; eine Gewißheitsausstrahlung
aus der Transzendenz in die Immanenz ohne
jede Faßbarkeit noch Folgbarkeit." (S. 227 f.).

Es ist scheinbar etwas von dem Programm
Troeltschs, das Christentum durch geschichtsphilosophi-
sche Konstruktion als Höhepunkt der relicriösen Entwicklung
erscheinen zu lassen, das hier dem Verfasser
vorgeschwebt hat. Ebenso wie Troeltsch ist auch er in
seinem Denken entscheidend vom deutschen Idealismus
beeinflußt worden. Besonders Schelling zitiert er mit
Vorliebe. In seiner Religions- und Christentumsauffassung
verrät der Verfasser Verwandtschaft mit der
Ritschl-Herrmannschen Anschauung, die indessen hier
in einem umfassenderen religionsgeschichtlichen und metaphysischen
Rahmen auftritt, und deshalb der Exklusivität
von Ritsehl und Herrmann entbehrt. Theologisch
gesehen, scheint der Verfasser sich als Antipode der