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Ausgabe:

1932 Nr. 2

Spalte:

32

Titel/Untertitel:

Salvian: On the Government of God 1932

Rezensent:

Bauer, Walter

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Theologische Literaturzeitung 1932 Nr. 2.

32

licher Tradition und mündlicher Überlieferung; viele
Stücke werden dem Redaktor zugesprochen.

Großen Wert legt B. auf die Unterscheidung zwischen dem von
Mt. und Lk. bezeugten Material (Q) und der Quelle, aus der dieses
Material stamme (S = Source) und von der auch Mk. abhängig sei.
S ist wesentlich umfangreicher als Q, ist eine „Redenquelle", die auch
eine Leidensgeschichte hatte, und B. bemüht sich sehr, möglichst viel
Material für S zu gewinnen. Abgelehnt wird eine besondere Quelle M,
jedoch eine Quelle L für Lk. gefordert. B. sucht nun, möglichst jeden
Vers einer dieser Quellen zuzuschreiben, nur im Notfalle wird die
mündliche Tradition herangezogen.

Diese Methode wird noch weitergeführt in den
speziellen Einleitungen zu den 5 „Büchern" mit ihrem
Prolog (Geburtsgeschichte) und Epilog (Leidensgeschichte
). B. versucht dabei auch die Anordnung der
aus Mk. übernommenen Erzählungsstücke von dem
Thema der jeweils folgenden Rede aus zu erklären. Im
4. Teil werden dann die einzelnen Gegenstände der 5
Bücher auf ihr Verhältnis zur wirklichen Lehre Jesu
geprüft. Dabei möchte Bacon z. B. in der Gesetzesfrage
nachweisen, daß Mt. trotz seines Legalismus die Lehre
Jesu besser wiedergebe als Mk. Denn Jesus könne nicht
den Anspruch erhoben haben, einen Teil des Gesetzes
abzuschaffen; er habe nur gegen die Traditionen der
Pharisäer gekämpft und für Innerlichkeit im Sinne der
Propheten. Dabei wird aber Jesus nicht nur unter die
Rabbinen gestellt, die häufig Gebote abschafften; sondern
es fehlt völlig die Frage nach dem Sendungsbewußtsein
Jesu. B. geht in dem ganzen Abschnitt von
der unbewiesenen Voraussetzung aus, Jesus habe nicht
mehr sein wollen als ein Prophet, alles, was dagegen
spricht, wird als ungeschichtlich erklärt. Dennoch finden
sich in diesem Teil sehr wertvolle Erörterungen über
das Verhältnis der Evangelien bei den einzelnen Punkten
der Lehre Jesu.

Eine gerechte Beurteilung dieses zweifellos sehr
wichtigen Buches ist außerordentlich schwer und kann
sich in diesem Rahmen nur auf Grundsätzliches beziehen
. Bacon geht von der (unausgesprochenen) Voraussetzung
aus, daß die Evangelisten „Schriftsteller"
seien, die aus schriftlichen Quellen ihre Werke zusammenstellen
. Die Folge dieser Voraussetzung ist einmal
die m. E. falsche Annahme, daß Mk. die Quelle S benutzt
habe, weil sich B. nur so gewisse sachliche oder
sprachliche Berührungen zwischen Mk. und dem Q-Mate-
rial erklären kann. Eine zweite, viel gefährlichere Folge
aber ist das vollständige Mißverständnis des Wesens
urchristlicher Literatur. Die Frage, aus welchem geschichtlichen
Boden die Berichte hervorwachsen, zu welchem
Zwecke sie tradiert werden, wird überhaupt nicht
gestellt. So kann es zu der unmöglichen Annahme kommen
, Mt. sei ein Buch „Gegen die Juden", so kann die
mündliche Überlieferung zu einem ultimum refugium des
Quellenforschers werden.

Wenn ich nicht falsch sehe, so liegt der tiefste
Grund für diese falsche Einstellung darin, daß Bacon
seine Gedanken in Auseinandersetzung mit der Forschung
von vor 25 Jahren vorträgt. Wohl setzt er sich
mit Streeter auseinander, aber von deutschen Arbeiten
ist wohl Wernle benutzt, nicht aber die formgeschichtliche
Arbeit (die der Verf. aber nach dem Vorwort seines
Mk.buches kennt), Klostermann, Billerbeck usw.
Ein Eingehen auf die Gedanken der formgeschichtlichen
Untersuchungen hätte aber B. zum mindesten darauf
aufmerksam gemacht, daß der Sitz im Leben der Evangelien
nicht die polemische Absicht der Evangelisten,
sondern das Kerygma ist. So gehen die vielen wertvollen
Bemerkungen Bacons leider fast ganz unter in
einem Quellensuchen, das an dem entscheidenden Tatbestand
in der Evangelienproduktion vorbeigeht.

Zur weiteren Orientierung über Bacons Ansichten
und zur Kritik verweise ich auf M. S. Enslin: The five
books of Matthew: Bacon on the Gospel of Matthew
(Harvard Theol. Rev. 1931, 2, S. 67—97).
Marburg. Werner Georg Kümmel.

Salvian: On the Government of God. Ins Englische übers, v.
Eva M. Sanford. London: Oxford University Press 1930. (VII,
241 S.) 8°. = Records of Civilization, Sources and Studies ed. under
the auspices of the Departement of History, Columbia University,
New York. 18 sh. 6 d.

In den Records of Civilization, Sources and Studies
, die von der Historischen Abteilung an der Columbia
Universität herausgegeben werden, hat Eva M.
Sanford die Schrift des Galliers Salvian (um 400—480)
de gubernatione dei ins Englische übersetzt und den
Text mit kurzen Anmerkungen versehen. Eine Einleitung
handelt in großen Zügen, aber für den ins Auge
gefaßten Zweck gewiß ausreichend, vom Leben, der
menschlichen Art und der literarischen Arbeit des Salvian
, auch von seinem lateinischen Stil. In erster Linie
werden dabei natürlich die acht Bücher über die göttliche
Weltanschauung berücksichtigt, die das Wertvollste
darstellen, was wir aus seiner Feder besitzen.

Entgegen der zu seiner Zeit weitverbreiteten Auffas-
i sung, daß Gott sich unmöglich um die Dinge dieser Welt
kümmern könne, weil sonst nicht Heiden und Ketzer die
rechtgläubigen römischen Christen zurückdrängen würden
, tut er dar, daß Gott doch im Regimente säße. Der
Verfall des Reiches unter den Schlägen der Barbaren
ist lediglich Folge der Minderwertigkeit einer nur äußerlich
zum Christentum sich bekennenden Gesellschaft auf
sittlichem, religiösen, sozialen und wirtschaftlichen Gebiet
. Indem Gott straft, zeigt er, daß er am Werke ist.

Das Buch Salvians ist weniger um dieses, in ermüdender
Wiederkehr vorgetragenen, Gedankens willen
werfvoll, wie als Quelle der zeitgenössischen Kulturgeschichte
. Und als solche hat es mit Recht Eingang
in die oben genannte Reihe gefunden. Die Übersetzung
ist unter sorglicher Benutzung der Ausgaben, bisherigen
Übertragungen in allerlei Sprachen und sonstigen Literatur
angefertigt worden. Sie liest sich gut und kann
jedem empfohlen werden, der sich über diese Periode
der abendländischen Geschichte zu unterrichten wünscht.
Göttingen. W. Bauer.

Oppenheim, Philippus: Der heilige Ansgar und die Anfänge
des Christentums in den nordischen Ländern. Ein Lebens- u. Zeitbild.
München: M. Hueber 1931. (VIII, 208 S. m. 20 Abb. u. 1 Kte.)
gr. 8°. RM 7.50; geb. 9.75.

Aus Anlaß des Ansgarjubiläums der schwedischen
Katholiken ist die Schrift erschienen. Der Verfasser
widmet sie dem derzeitigen Bischof von Schweden „Dem
opfermutigem Apostel des Glaubens", „seiner unermüdlich
seeleneifrigen und mühevollen Apostelarbeit", der
es zu danken ist, daß „die katholische Kirche auch
in Schweden noch ihre alte Wunderkraft bewahrt hat".
Wer die Stellung des Katholizismus in Schweden während
der letzten Jahrzehnte kennt, merkt sofort, daß hier
ein Verfasser schreibt, dem nicht die Gabe streng wissenschaftlicher
Untersuchung eigen ist. Der Benediktiner
Oppenheim ist treuer Sohn der katholischen Kirche
ohne eine Spur von Kritik. Dieser Art entspricht es,
wenn als Grundlage für die Darstellung die Schrift gewählt
wird, auf die sich die Lehrmeinung der katholischen
Kirche stützt — die Vita S. Anskarii von Rimbert.
Allerdings soll nicht verkannt werden, daß Oppenheim
die gesamte Literatur benutzt hat. Entgangen sind ihm
nur: O. H. May, Regesten der Erzbischöfe von Bremen
(Veröffentlichungen der historischen Kommission XI)
Hannover 1928 und die für die evangelische Ansgarfeier
Schwedens erschienenen Schriften: Ingve Brilioth, Ansgar
, Sveriges apostel, und Sune Lindqvist, Norden och
Ansgar. Aber diese Kenntnis der Literatur hat den
Benediktiner nicht veranlaßt, den Problemen im Leben
seines großen Ordensbruders nachzugehen. Mit keinem
Wort wird der evangelische Grundton der Frömmigkeit
Ansgars hervorgehoben; keinerlei Gedanken macht sich
der Verfasser darüber, warum wohl Ansgar nach seiner
Flucht aus Hamburg von dem bremischen Bischof abgewiesen
wurde; ohne jede Stellungnahme werden die
vielen Traumgesichte Ansgars wiedergegeben. Statt