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Ausgabe:

1932 Nr. 20

Spalte:

462-463

Autor/Hrsg.:

Eitrem, S.

Titel/Untertitel:

Symbolae Osloenses auspiciis societatis Graeco-Latinae. Fasc. VI - VIII 1932

Rezensent:

Behm, Johannes

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Theologische Literaturzeitung 1932 Nr. 20.

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gedruckten Dissertation auf alttest. Gebiet! Es handelt
sich um eine Berliner Lizentiatenarbeit, eingereicht bei
Geh. Rat Bertholet. Die eigentliche Anregung, so führt
der Verf. im Vorwort aus, gab das Buch von M. v.
Gerlach: Deutscher Führer durch den hebr. Psalter, I,
1924. Der grundsätzliche Teil der Untersuchung soll
)n der ZAW. erscheinen. Hier werden 25 Psalmen nach
ihrem Strophenbau vorgeführt.

Der Verf. geht von der These aus: Zur strophischen
Gliederung ist regelmäßig wiederkehrende Zusammenstellung
von Grundeinheiten sowie Zusammenfallen von
Sinnabschnitt und Strophenschluß nötig. Diese Wiederkehr
kann so geschehen, daß Strophen gleicher Bauart
an einander gereiht werden, daß Strophen gleicher
Verszahl andere Strophen gleicher Verszahl oder eine
Mittelstrophe einrahmen. Die Grundschemata können
auch erweitert werden; es kann auch eine Vorstrophe
°der eine Nachstrophe zugefügt werden. So erhält er
3 Arten von Strophenbau: I. „Parallelen Str." (dazu gehören
Ps. 1, 7, 13, 21, 46, 49, 62). II. „Chiastischen
Str." (dazu: 2, IS, 20, 22, 29, 40, 42/43, 57, 67, 80,
H4; 23, 31, 99). III. „Mischtypen" (dazu: 27 u. 116).
Diese letzteren entstehen durch Aneinanderreihung von
1 + 1 oder II+ 11 oder I + II.

Rhythmik und Metrik der hebr. Literatur stehen
immer noch auf unsicherem Boden. Zu welch verschiedenen
Resultaten man auch bei gründlicher Beschäftigung
noch kommen kann, zeigt ein Vergleich der Aufstellungen
bei Möller mit denen bei Arvid Bruno: Der
Rhythmus der alttest. Dichtung, 1930. Oder man sehe
bloß einmal ein, wieviele Strophen irgend ein Psalm bei
Möller, Duhm, Kittel und Gunkel hat! Das Gebiet hat
begreiflicherweise auch wenig Liebhaber gefunden. Nachdem
sich ihm früher außer Rothstein auch Ed. König gewidmet
hatte (Hebr. Rhythmik, 1914; mit Kritik an den
Aufstellungen von Sievers; siehe auch in seiner Genesis,
3. Aufl. 1925, S. 29 ff. die gleiche Tendenz), hat jetzt
Ignaz Gabor den „Hebr. Urrhythmus" (Alliteration)
1929 vorführen wollen; P. J. W. Slotki hat über „Forms
and features of ancient Hebrew poetry" im Journal of
the Manchester Egyptian and Oriental Society, XVI,
1931 S. 31 ff. und über „Tvpographic arrangment of
ancient Hebrew poetry" in ZAW. XLIX, 1931, S. 211 ff.,
geschrieben.

Es muß Möller unbedingt zugerechnet werden, daß
er die Arbeit fortgeführt hat, wie sie etwa bei dem erwähnten
J. W. Rothstein in seinen „Grundzügen des
hebr. Rhythmus und seiner Formbildung", 1909, S.
65—75, über den Strophenbau begonnen wurden; er
hatte nur den Zweizeiler „als überall in der lyrischen
Poesie herrschende Grundform" sowie als „strophische
Gliederung höherer Ordnung" Kehrverslied und Kehrstrophe
genannt. Man wird nun füglich alle Psalmen
darauf durchzuprüfen haben, ob sie sich in das ziemlich
einfache Schema Möllers eingliedern lassen. Den wenigen
prinzipiellen Ausführungen des Verf.s auf S. 1 u. 2
wird man zustimmen müssen. Überhaupt ist es ihm zu
danken, daß er sich mit diesem schwierigen Gebiet befaßt
hat (— es sollten es m. E. nur Wissenschaftler
mit besonderer Begabung für Musik und Poesie tun;
nicht jeder kann darüber schreiben). Mehr wird man
über M.s Thesen erst sagen können, wenn seine angekündigten
Ausführungen in ZAW. vorliegen. Anzuerkennen
ist jedenfalls, daß er die Gattungsforschung zu
Hilfe nimmt, die den Blick für Zusammengehöriges,
Regelmäßiges, etc. ungemein schärft.

Die Abteilung der Strophen hätte zur leichteren
Orientierung etwas übersichtlicher gedruckt werden dürfen
; auch sind den Siglen ausgeschriebene Worte vorzu-
Stehen. Prinzipiell anfechtbar scheint mir die Tatsache
zu sein, daß Möller zu sehr vom fertigen Gedicht, von
„Literatur" ausgeht, die man eben am Schreibtisch prüft.
Gerade hinsichtlich des Psalmen-Aufbaus muß man doch
ständig ihre Verwendung als Kultlieder im Auge behalten
, an Wechselgesang, Chöre und Einzelstimmen etc.,

stets denken, kurz: an den Gunkel'schen „Sitz im Leben".
Der „Aufbau" eines Liedes ist doch z. Tl. Spiegelbild des
„Aufbaus" eines Stückes des Gottesdienstes, bzw. von
, vornherein auf diesen hin angelegt.

Ober-Breidenbach i. Hessen. Adolf Wendel.

Symbolae Osloenses auspiciis societatis Graeco-Latinae. Ediderunt
S. Eitrem et Gunnar Rudberg. Fase. VI—VIII. Oslo: A.S.
Some&Co. 1928/29. (III, 76; VII, 94 u. III, 129 S. m. Abb.) gr. 8°.
Von den mehr als 30 größeren und kleineren Aufsätzen
vorwiegend klassisch-philologischen, archäologischen
und historischen Inhalts, die diese 3 Hefte umschließen
, haben unmittelbar theologisches Interesse 5
neutestamentliche Beiträge. L. Brun, „Jesus als Zeuge
von irdischen und himmlischen Dingen Jon. 3, 12—13"
(VIII, 57—77) bezieht mit beachtenswerter Begründung
3, 12 die Verkündigung Jesu von den irdischen Dingen
im Zusammenhang der Nikodemusperikope auf das
Zeugnis von der Fleischlichkeit der menschlichen Natur
und der Notwendigkeit der neuen Geburt, d. h. auf Buß-
und Gerichtspredigt, während die Verkündigung von den
himmlischen Dingen die Heilspredigt ist, die Gott und
sein Reich, den Heilsmittler usw. zum Gegenstand hat;
für 3, 13 lehnt B. den Gedanken an die Himmelfahrt
Jesu ab und bestimmt den Sinn des v. (ähnlich wie
Schlatter, Der Evangelist Johannes 93 ff.) so: es ist
niemand in den Himmel aufgestiegen (mit dem Erfolg,
daß er nachher von den himmlischen Dingen zeugen
konnte), und es hat überhaupt keiner von der Himmelswelt
zuverlässige Kunde gebracht — außer der vom
Himmel herabgestiegen ist, der Menschensohn, der auch
während seines irdischen Lebens im Himmel ist. A.
Fridrichsen, „Randbemerkungen zur Kindheitsgeschichte
bei Lucas" (VI, 33—38) stellt an der Hand von
Sprachparallelen den Sinn von w yevwoucvov 1, 35 fest:
„das sich im Mutterleibe entwickelnde Kind" und zeigt
für die Formel aotpia-iVuxia-xÜQic 2, 52 — doch wohl
sekundäre — Zusammenhänge mit einem griechischen
biographischen Topos. Derselbe liefert VII, 25—29
(„Zum Stil des paulinischen Peristasenkatalogs 2. Cor.
II, 23ff.") und VIII, 78—82 („Peristasenkatalog und
res gestae") einen lehrreichen Beitrag zur rhetorischen
Form der paradoxen Ruhmrede des Paulus, indem er
sie an dem Stil der Ruhmeschronik antiker Herrscher,
besonders des augusteischen Monumentum Ancyranum,
mißt. E. Molland, „Zur Auslegung von Mc. 4, 33"
(VIII, 83—91) faßt auf Grund sorgfältiger und umsichtiger
sprachlicher Erwägungen xedube; tiöüvolvto dxoüEiv =
„weil die Leute es so (in fesselnder, anschaulicher parabolischer
Rede) anhören mochten", verbessert damit die
Erklärung von Windisch (ZNW. 1927, 207 ff.) und
findet einen annehmbaren Ausgleich zwischen v. 33 und
34. — Kleine Editionen, die hier Erwähnung verdienen,
bieten W. Crönert (VI, 57—59) von einem Osloer
Papyros-Fragment der Oracula Sibyllina, L. A m u n d -
sen (VII, 36—37) von einem Osloer Zauber-Ostrakon
aus Oxyrhynchos [vgl. jetzt K. Preisendanz, Papyri
Graecae magicae II (1931), 209f.]. Religionsgeschichtlich
wertvoll sind die Abhandlungen von S. E itre m, „The
Necromancy in the Persai of Aischylos" (VI, 1—16; die
Eigenart der Totenbeschwörung bei A. beruht auf dichterischer
Gestaltung); „Der Skorpion in Mythologie und
Religionsgeschichte" (VII, 53—82; reichhaltiger Überblick
über die antiken Vorstellungen vom Skorpion in
Mythos, Religion und Magie von der altkretischen Sage
bis zum Mithraskult); „Zu Philostrats Heroikos" (VIII,
1—56; E. interpretiert den für Heroenkult und, was damit
zusammenhängt, aufschlußreichen Dialog als eine
Apologie des Heroenglaubens gegenüber der Aufklärung;
je ein Exkurs handeln von der a+ojito; aooraaic, der persönlichen
Begegnung mit der Gottheit, und von der überirdischen
Größe der Heroen). Anziehend ist der geistesgeschichtlich
bedeutsame Aufsatz von G. Rudberg,
„Der platonische Sokrates" (VII, 1—24), der zeigt, wie
der historische Sokrates, nachdem er das Werden Piatons