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Ausgabe:

1932 Nr. 20

Spalte:

459-460

Autor/Hrsg.:

Smith, Margaret

Titel/Untertitel:

Rabi‘a the Mystic an her Fellow-Saints in Islam 1932

Rezensent:

Strothmann, Rudolf

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459

Theologische Literaturzeitung 1932 Nr. 20.

460

Heilbringer vielfach als übermenschliche Wesen, sogar
bisweilen als Halbgötter" gelten, aber dennoch „von der
Gottheit unterschieden" werden, folgt der Hinweis auf
den dualistischen Charakter dieser Gestalt: „Bald spielt
er eine würdige und erhabene Rolle und erscheint er als
Helfer der Menschheit, bald sinkt er zu degradierenden
Taten herab wie ein Eulenspiegel und ein Ränkeschmied
" (S. 369). Schade daß der Verfasser den Aufsatz
Rud. Otto's über ,Steigende und sinkende Numina'
(in: .Gefühl des Überweltlichen', 1932 S. 64ff.) noch
nicht gekannt hat, er hätte ihm weitere wertvolle Parallelen
geboten. In gleicher Weise würden für die religionsgeschichtliche
Deutung der merkwürdigen Vorstellung
von der .Wiederkunft des Heilbringers' bei einer
Anzahl von Indianerstämmen die strukturpsychologischen
Untersuchungen des jüngst verstorbenen H. Gun-
kel zur israelitisch-jüdischen Eschatologie höchst förderlich
gewesen sein. Der letzte Abschnitt: ,Der Heil-
bringer und die Offenbarung' könnte entbehrt werden,
da er in dieser Form nicht deutlich genug wirkt. — Die
vereinzelten sprachlichen Unebenheiten fallen wohl mehr
dem Drucker zur Last, da das Ganze für einen Ausländer
stilistisch anerkennenswert gut geformt ist.
München._ R. F. Merkel.

Smith, Margaret, M. A., Ph. D.: Räbi'a the Mystic and her Fellow-
Saints in Islam. Being the life and teachings of Räbi'a al-'Ada-
wiyya al-Qaysiyya of Basra together with some account of the place
of the women saints in Isläm. Cambridge: University Press 1928.
(XXV, 220 S.) gr. 8°. 10 sh. 6 d.

Der 3., der umfangreichste Abschnitt: Wie es aus
vorislamischen Zeiten Zeugnisse einer Hochschätzung der
arabischen Frau gibt, wie in einigen außenislamischen
Gegenden, wo die rechtliche und gesellschaftliche Auswirkung
des Islam nicht durchdrang, das freie Weib
seine würdige Stellung behauptet hat (vgl. Theol. Ltz.
1928, Sp. 464), so haben am islamischen religiösen
Leben vereinzelt auch Frauen einen solchen Anteil genommen
, daß sie der allgemeinen Anschauung — ein
amtliches Verfahren dafür gibt es nicht — als Heilige
gelten. Verf. führt aus allen muhammedanischen Ländern
Beispiele an bis zur Qurrat al-Ain, die als Märtyrerin
zu Teheran 1852 schon aus dem Islam herausführt
und am Anfang der Babi-Behai steht. Zugleich
weist sie hin auf eine Reihe von jetzt noch verehrten
Gräbern solcher Heiligen, ferner auf heutige Frauenkreise
, die einzelnen Derwischorden angeschlossen sind.
So verbessert sie dankenswerterweise manche volkstümliche
Anschauung von der Stellung der muhammedanischen
Frau. Dabei bleibt sie vorsichtig genug, nicht zu
sehr zu verbessern; denn es handelt sich nur um Ausnahmen
, und auch diese sind, wie jüngere Mosleme, z. B.
der 1426 gestorbene Damascener Taqieddin Hisni (vgl.
hier S. 134), selbst zugestehen, seither immer mehr
verschwunden.

Der 2. Abschnitt schildert die Rolle, welche der
Rabia als der bekanntesten solcher Frauen in den Schriften
der muhammedanischen Mystiker beigelegt wird. Ihr
berühmtestes Lied von der zwiefachen Liebe zu Gott, für
das Verf. auf S. 102 ff. ausführliche alte Erläuterungen
beibringt, ist inzwischen durch J. Schacht, Religionsgeschichtliches
Lesebuch2 Nr. 16, S. 90, auch ins Deutsche
übertragen. Fest steht aber durchaus nicht, ob es wirklich
ihr angehört. Tatsache ist allein, daß Gebete und
Aussprüche, die als wesentliche Stücke beim Ausbau der
muhammedanischen Mystik erscheinen, unter ihrem Namen
gehen. Man hat also mit der Verf. stets den Vorbehalt
der Echtheitsfrage zu machen, wenn sie diese
Worte in die entwickelte Lehre von den Stationen des
mystischen Aufstiegs eingliedert. Will man diesen Berichten
glauben, so wäre die Mystik schon bei Rabia voll
ausgereift gewesen mit ihrer völligen Verachtung nicht
nur dieser, sondern auch jener Welt, da Paradies wie
Hölle Schleier der Gottheit seien, der Gedanke an sie die
Sehnsucht nach Gott selbst trübe und der Hingebung an
ihn unlautere Beweggründe beimische. Es ist demnach

mißverständlich, wenn man Rabia oft als Mystikerin
des sunnitischen Islam bezeichnet, wie denn auch die
; ihr zugeschriebenen Worte vom Schauen Gottes nichts
zu tun haben mit dem entsprechenden eschatologischen
j Lehrsatz, den der sunnitische Islam aufstellte, um in der
Gotteslehre den Persönlichkeitsgedanken festzuhalten.
Die Verwandtschaft mystischer Gedanken über die Rah-
men der einzelnen Religionen hinaus bot der Verf. An-
j reiz zu reichlichen Parallelen: Plato und Plotin; dann die
hl. Bernhard, Franciscus, Johannes vom Kreuz, Katharina
I von Genua; ferner Suso, Ruysbrock, Frau von Guyon
usw. werden herangezogen, sowie die Vertreter der spä-
i teren muhammedanischen Mystik; wer aber in der älteren
irgendwie einen Namen hat, war schon in den der Darstellung
zugrundeliegenden arabischen und persischen
Schriften um Rabia als die selbstgewordene Meisterin
gruppiert; selbst Hasan von Basra, den man als einen
| Begründer der Mystik ansprechen darf, und der 73 Jahre
i vor Rabir starb, erscheint als ihr Schüler.

Der 1. Abschnitt vom Leben der Rabia ist also Legende
. Daß sie 801 im hohen Alter zu Basra starb,
scheint das einzige zu sein, was wir wissen. Nicht einmal
das steht fest, ob sie Araberin ist, wenn ihr die im Titel
verzeichneten Beinamen nach einem altarabischen Stamme
nur als einer Freigelassenen zukommen sollen. Oder
wollte man mit der Erzählung von ihrem einstigen
j Sklavenstand ihr Bild nur rührender gestalten? Frühzei-
j tig ist sie auch mit einer gleichnamigen syrischen My-
i stikerin verwechselt worden. Die Berichte von abgelehn-
I ten, z. Tl. schon wegen zeitlicher Widersprüche unmöglichen
Heiratsanträgen sind nur zur Verherrlichung der
5 Ehelosigkeit da und lassen einmal auf S. 28 die mit dem
j Islam schwer vereinbare Stimmung der Himmelsbraut
I anklingen. Manche Wunder, darunter auch Hungerkunststücke
, bezeichnet Verf., die sonst von starker Verehrung
für das Legendenbild erfüllt ist, auf S. 37 selbst als
„trivial".

M. Smith hat mit großem Fleiße nicht nur aus ge-
1 druckten, sondern auch aus handschriftlichen arabischen
und persischen Mystikbüchern gesammelt. Schon allein
die Zusammenstellung derselben, wie die der orientalischen
und der europäischen Literatur ist ein großes Ver-
[ dienst. (Es sei die Bitte ausgesprochen, Werke wie von
! Ghazali, die in verschiedenen Ausgaben existieren, auch
nach Büchern und Kapiteln zu zitieren.) Die Fülle des
ausgewählten Stoffes hat den Rahmen einer Monographie
gesprengt, und die Art der Quellen hat die Form eines
übrigens wohlgeordneten Stoffberichtes bedingt. Einer
| wirklichen kritischen Studie stehen schwere Hindernisse
i entgegen. Denn der für Leben und Lehre der Rabia er-
j giebigste Verfasser, der Perser Attar, ist um volle 4
' Jahrhunderte jünger und stellt die Legenden einfach
j ohne Nennung seiner Gewährsmänner aneinander mit
naql-est „es gibt eine Erzählung". Immerhin gewährt
] ein Vergleich mit älteren Schriften, z. B. bei dem Speisewunder
auf S. 34, noch Einblick in das allmähliche Ver-
wildern der Legende. Eine Quellenkritik wäre die Voraussetzung
für eine kritische Studie und zwar nur über
! die Legende von der Rabia, nicht über sie selbst. Wie
heute unbekümmert um parapsychologische und psychia-
' trische Kritik Draußenstehender Heilige gemacht werden
, vor allem mit Hilfe des Glaubensbedürfnisses der
i esoterischen Kreise selbst, so halfen auch damals die
| Mystiker die mystische Heilige schaffen und zwar durch-
; aus nicht erst nach deren Tode; denn der Literat
i Dschahiz, der 68 Jahre nach Rabia gleichfalls zu Basra
starb, kennt und anerkennt durchaus, obwohl er selbst
garnicht Mystiker ist, schon manche der erbaulichen Berichte
; sie waren längst Allgemeingut geworden,
i Hamburg.___R. Strothmann.

1 M öl I e r , Lic. Hans: Strophenbau der Psalmen. Inaugural-Disser-
tation. Rackith a. d. Elbe, Wittenberg Land: Serbsrverl. d. Verf. 1931.
(VII, 59 S.) 8°. RM 1.50.

Nach langjährigem Vermissen begegnet man hier
endlich wieder einmal einer regelrecht und als solcher