Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1932 Nr. 19

Spalte:

445

Autor/Hrsg.:

Krüger, Gustav

Titel/Untertitel:

Die Rosenkreuzer 1932

Rezensent:

Lerche, Otto

Ansicht Scan:

Seite 1

Download Scan:

PDF

445

Theologische Literaturzeitung 1932 Nr. 19.

446

Kortholt uns begegnen. Sie haben das ganze Mittelalter
hindurch Bestand gehabt. Luther hat sie gekannt und
auch zu ihnen sich bekannt. Die katholischen Traktate
Uber die ars moriendi, die in den Anselmschen Fragen
wurzeln und deren Zahl Legion ist, leben in der Reformationskirche
weiter. Halfmanns Urteil ruht also hier
auf einer viel zu schmalen Basis. Doch dies sei nur zur
Ergänzung und Korrektur der größeren geschichtlichen
Zusammenhänge gesagt. Die Hauptsache hat Halfmann
bewiesen. Ihm bleibt das Verdienst, Kortholt zeitgeschichtlich
richtig eingeordnet zu haben.
Kiel. _O. Scheel.

Krüger, Prof. D. Dr. Gustav: Die Rosenkreuzer. Ein Überblick.
Berlin: A. Unger 1932. (64 S.) 8°. KM 2~-

Das Büchlein Krügers, von dem 42 bzw. 34 S. auf den Text, 20
Bezw. 30 S. auf Anmerkungen und Vorwort entfallen, ist vermutlich ein
Vortrag, den der Gießener Vertreter der Kirchengeschichte vor Freimaurern
gehalten hat. Es ist außerordentlich begrüßenswert, wenn
führende Männer der Wissenschaft dem Wesen der „geheimen", d. h.
^geschlossenen Gesellschaften nachgehen und ihre Gefahrlosigkeit sowie
ihren wahren Wert nachweisen. Es trifft für die Gesellschaft der Rosenkreuzer
wie für die Freimaurer an sich zu, daß sie „in ihrem innersten
Wesen so viel fromme Gesinntheit und Antriebe verrät, daß nur übelwollender
Fanatismus daran achtlos vorübergehen oder gar sie in blinder
Leidenschaft besudeln darf."

Friedrich Lienhard, der nach Goethe das tiefste Verständnis für den
symbolischen Sinn des Rosenkreuzes bezeigte, hatte — schon schwerkrank
— den Referenten gebeten, in seiner Zeitschrift („Der Türmer",
Jg. 31, 1928 S. 224 ff.) zur Freimaurerei Stellung zu nehmen und die
Angriffe des Hauses Ludendorff gegen die Freimaurerei auf ihren wahren
Wert zu prüfen. Der wesentliche Erfolg war freilich, daß der Referent,
der mit Freimaurerei nichts zu tun hat, vielfach als von der Freimaurerei
erkauft bezeichnet wurde. — Als vor hundert Jahren der Gustav Adolf-
Verein gegründet wurde und als bald darauf die ganze Arbeit unter
Gab 6, 10 gestellt wurde, war es selbstverständlich, daß unter den hilfsbereiten
und leistungsfähigen Mitarbeitern die evangelischen Freimaurer
in vorderster Linie gestanden haben. Und immer wieder haben im Laufe
des vergangenen Jahrhunderts Freimaurer, Geistliche und Laien, in führender
Stellung der Vereinsorganisationen mitgearbeitet, ohne daß jemals
der Verein in seiner Arbeit von dunklen internationalen, überstaatlichen
■Mächten abhängig wurde, ohne daß jemals die Vereinsarbeit eines anderen
Grundes bedurft hätte wie dessen, den sie in Jesus Christus hatte (1. Kor.
3, 11 ; Bekenntnis Frickes in Potsdam vor König Wilhelm 1868). Trotzdem
ist höchst lächerlicher Weise hier und da der Gustav Adolf-Verein
als eine verkappte Freimaurerorganisation betrachtet, die nur dazu dienen
sollte, der Freimaurerei die Macht in der evangelischen Kirche zu sichern.

Der Kampf um die Freimaurerei, die teils ernsthaft als Kampfgemeinschaft
um edelstes Menschentum, teils — überwiegend — als harmloses
Geselligkeits- und Klubleben gewertet werden muß, könnte füglich
vor der großen nationalen Aufbnichsbewegung unserer Tage als eine
lächerliche Ludendorfferei aufgegeben werden; denn daß in den ethisch
gegründeten abgeschlossenen Gesellschaften Kräfte stecken, die für die
Aufwärtsentwicklung der Nation von großer Bedeutung sind, das zeigt
<las Büchlein Krügers weitesten Kreisen.

Dem Fachmann, der über Joh. Val. Andreä und die Kultur- und
Geistesgeschichte des 17. Jahrhunderts einigermaßen unterrichtet ist,
dürfte in dem Büchlein wenig Neues geboten werden. Der Titel
»Chymische Hochzeit Christiani Rosencreutz" von Joh. Val. Andreä j
(1616) hat aber weder mit den „wenigstens in späteren alchymistischen j
Schriften nachweisbaren physiologischen Vorstellungen", noch mit dem
•UM der christlichen Mystik bekannten Bild von der Seele als der Braut
Christi' etwas zu tun, sondern geht auf das bekannte Schulbuch des ;
Marcianus Capella „de nuptiis Philologiae et Mercurii Iibri duo" zurück.
Hcm>e August d. J. von Braunschweig-Wolfenbüttel wurde wegen seiner ]
Freundschaft mit Joh Val. Andreä mehrfach heimgesucht, gerade auch !
dann, wenn es sich um recht abenteuerliche Pläne handelte, so im Falle ,
Joh. Balth. Schupps, wie Ref. gezeigt hat (Euphorion, Egh. 8, 1909, I
S. 16—27, Braunschweigisches Magazin 1914, S. 61-69). Das handschriftliche
und gedruckte Material über die Rosenkreuzer und andre ge- j
heime Gesellschaften, das die Wolfenbütteler Bibliothek bietet, ist freilich
noch nicht aufbereitet. — Unter den reichen Literaturangaben Krügers
fehlt ein Hinweis auf Theodor Fontanes Darstellung „Geheime Gesellschaften
im 18. Jahrhundert, Illuminaten und Rosenkreuzer" (Wanderungen
durch die Mark Brandenburg, Teil III Havelland, neue Ausgabe
1925, S. 206—223), die wir um des Verfassers und seiner beachtenswerten
Nüchternheit willen nicht missen möchten.

Leipzig. _Otto Lerche.

Heiler, Friedrich: Im Ringen um die Kirche. Gesammelte Aufsätze
u. Vorträge. Bd. 2. München: E. Reinhardt 1931. (568 S.) 8°. j

RM 12—; geb. 14—.
Dem ersten Bande seiner Aufsätze, die 1926 unter <
dem Titel „Evangelische Katholizität" erschienen, läßt

H. einen doppelt so umfangreichen zweiten Band folgen,
I Die hier vereinigten Aufsätze sind mit einer Ausnahme
i in der „Hochkirche", der „Internationalen kirchlichen
' Zeitschrift", der „Christlichen Welt" und in anderen
Zeitschriften bereits gedruckt; für den Neudruck sind sie
überarbeitet worden. Der Inhalt dieser Aufsätze wäre
! am klarsten gekennzeichnet worden, wenn auch dieser
zweite Band unter den für Heiler entscheidenden Begriff
der „Evangelischen Katholizität" gestellt worden
wäre. Wobei freilich nicht vergessen werden darf, daß
dieser Begriff bei Heiler etwas anderes bedeutet als bei
Söderblom.

Die Sammlung beginnt mit dem Vortrag „Der ganze
Christus der ganzen Kirche". Dieser Vortrag steht mit
Recht am Anfang. Denn er enthält die theologische
Begründung für Heilers Lebenswerk. Aber der evangelische
Theologe, der das Buch zur Hand nimmt, wird
besser tun, zuerst die Aufsätze über Evangelisches Fran-
ziskanertum und über Franz von Assisi und die katholische
Kirche zu lesen. In diesen Aufsätzen kommt die
innere Wärme Heilers, seine Sehnsucht nach einer neuen,
einfältigen, liebewarmen und gebetsfreudigen Innerlichkeit
zum Ausdruck. Man kann das, was er hier aus
Eigenem schreibt und was er von Wilfred Monod zu berichten
hat, nicht ohne Bewegung lesen. Hier ist etwas
lebendig, was in der evangelischen Kirche von heute
ohne Frage zu kurz kommt Nur daß man auch hier
nicht lesen kann, ohne aufzuzucken. Da ist, um ein
Beispiel herauszugreifen, der Wortlaut des Gelübdes,
das die evangelischen Franziskanertertiaren ablegen
: „Ich gelobe vor Gott, dem Allmächtigen, der
seligsten Jungfrau Maria, der Mutter unseres Herrn,
unserem seligen Vater Franziskus, allen Heiligen und
dir, Bruder, die Gebote Gottes zu erfüllen . . ." (S.
524). Das ist für einen evangelischen Theologen ein
hartes Stück!

In den eigentlich theologischen Aufsätzen werden
die Voraussetzungen klar, aus denen dergleichen erwachsen
kann. Heiler will den altchristlichen trinita-
rischen Gottesbegriff in seinem ursprünglichen Sinn wieder
lebendig machen — beruft sich dafür übrigens auch
auf die russische Religionsphilosophie der Gegenwart,
die der abendländischen Welt gezeigt habe, „wie auch
Christen unserer Zeit, die durch die Schule westlicher
Philosophie hindurchgegangen sind, im Mysterium der
Trinität einen unerschöpflichen Gegenstand theologischer
Spekulation finden können" (S. 14). Man mag darüber
streiten, ob es überhaupt möglich ist, die alte Christo-
logie so aufzunehmen, wie sie ursprünglich gemeint war
— Karl Holl hat diese Frage sehr energisch verneint.
Jedenfalls ist der „ganze Christus" HeiTers ein anderer
als der der altchristlichen Verkündigung. Sein „kosmischer
Christus" trägt sehr moderne Züge, die mit
der von Paulus abgelehnten Gnosis stärker verwandt
sind als Heiler es zugeben würde. Wie er es
denn auch als „ein großes Verdienst" ansieht, „daß
in der jüngsten Zeit Anthroposophie und Christengemeinschaft
wiederum dem kosmischen Christus zu
seinem Recht verhalfen" (S. 15). Demgegenüber werden
Luther und Calvin viel zu sehr unter dem Gesichtspunkt
der „Verkürzungen und Verengungen des universalen
Christusglaubens" (S. 43) behandelt, die ihrem
Werk den Stempel einer, geschichtlich verständlichen aber
doch bedauerlichen Einseitigkeit gegeben haben. '

Dementsprechend kommt die protestantische Theologie
aller Zeiten und aller Richtungen schlecht crenug
weg. Sie ist des Marcionitismus, des Manichäismus und
aller anderen Häresien schuldig. Es geht wirklich bisweilen
bis an die Grenze des Erträglichen, wenn man
in dem Buch eines Lehrers evangelischer, theologischer
Jugend von „christlicher Häresie im Reformationsjahrhundert
" und erst recht in der späteren protestantischen
Entwicklung lesen muß.

Für Heiler ist der Inkarnationsglaube „das Herz des
Christentums" (S. 91) und „der ^Prüfstein des christ-