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Ausgabe:

1932 Nr. 19

Spalte:

441-442

Autor/Hrsg.:

Cohrs, Ferdinand (Hrsg.)

Titel/Untertitel:

Zeitschrift der Gesellschaft für niedersächsische Kirchengeschichte. 36. Jahrg 1932

Rezensent:

Cohrs, Aug. Ferd.

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Theologische Literaturzeitung 1932 Nr. 19.

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aufs neue vorlegt und aus dem Schatz seiner Sammelweisheit
mit allerlei Zugaben begleitet, ist von eigener
Art: zwar kein „Lesedrama", wozu man etwa in einer
Uarmstädter Handschrift das „Zehnjungfrauen-Spiel"
umgestaltet hat, aber doch immerhin über die einfache
Lhalogform, die manche Erbauungsbücher haben, hinausstrebend
, sodaß Max Rieger, der erste Germanist,
der sich eingehender damit beschäftigt hat, in dem
»Spiegelbuch" geradezu ein aus mehreren Dramen zusammengesetztes
Erbauungsbuch sehen wollte und sich
bemühte, diese Quellendramen zu rekonstruieren. Bolte
hingegen, dem es gelungen ist, zu den bisher bekannten
drei Handschriften fünf weitere aus der Zeit von 1450
bis 1600, und zwar durchweg illustrierte, aufzufinden,
und der die lose angereihten dramatischen Szenen als
»Bekehrung oder Verdammnis" zusammenfaßt, deckt
die Zugehörigkeit einzelner Stücke zu der sog. „Gemälde-
Poesie" auf, als deren vornehmste Vertreter die „Totentanze
" und neben ihnen gewisse „Revuen" erscheinen.
Er druckt S. 25—45 in Parallelsatz zwei der neuge-
tundenen Texte ab und gibt zu der Einleitung (S. 3—16)
ui drei Anhängen (S. 17—25) Mitteilungen aus verwandter
Literatur. Besonders wichtig ist darunter der
Nachweis, daß es sich bei dem neuerdings von W.
Stammler irreführend als „Augsburger Totentanz" publizierten
Reimgespräch um eine „Vermahnung der geistlichen
und weltlichen Stände Deutschlands" handelt,
die als Bilderbuch gedacht war und sich bestimmt auf
das Jahr 1438, in die kurze Regierungszeit K. Albrechts
IL, datieren läßt. Dachte Stammler dabei an
e'nen Augsburger Meistersänger, so ist Bolte, nachdem
er in der Münchener Hs. Cgm. 4930 die ältere Fassung
aufgefunden hat, der Ansicht, daß das Werkchen viel-
rnehr einen Angehörigen der kaiserlichen Kanzlei zum
Verfasser habe und in die Reihe der unter K. Sigismund
Ansetzenden Bestrebungen zu einer Reichsreform einzuschalten
sei.

-JJöjtingen._Edward Schröder.

Zeitschrift der Gesellschaft für niedersäclisische Kirchengeschichte
. Unter Mitwirkung von D. Karl Wagenmann und D. Hermann
Dörries hrsg. von D. Ferdinand Cohrs. 36. Jahrg. 1931.
Schliestedt: Gesellsch. f. niedersächs. Kirchengesch. 1931. (344 S. m.
6 Bilderbeilagen) gr. 8°. RM 10.50.

Eingeleitet durch einen Nachruf auf den um die Gesellschaft
hochverdienten langjährigen Vorsitzenden
pari Mirbt, von H. Weidemann, bringt das Heft
ln- chronologischer Folge Beiträge aus Mittelalter, Refor-
biationszeit, Pietismus und einen weiter reichenden Aufsatz
über die Generalsuperintendenten von Harburg.

Hermann H e r b s t-Wolfenbüttel behandelt „Die
Anfänge der Bursfelder Reform" (S. 13—30).

Sorgfältige Quellenprüfung. Das Chronicon Sponheimense ist weniger
zuverlässig als allg. angenommen, doch verdanken wir ihm die Nachrichten
: die Anfänge der Reform gehen zurück auf Joh. Dederoth, ihr
™^g geht von Klus nach Bursfelde, der Landesherr begünstigt sie. —
J°h. Busch' Liber de reformatione monasteriorum ist nur mit Vorsicht
zu benutzen. Sichere Kenntnis der Bursf. Ref. vermittelt die Schrift
e'nes Mönches zu Abdinghofen (hdschr. in Dombiblioth. Trier): sie beschreibt
vor allem die Wirksamkeit des Abtes Heinrich v. Abdinghofen,
Schülers Dederoths. Daneben wichtig: das Chronicon Clucense des
Mönches Bodo (veröff. in Leibniz' Scriptores rerum Brunsvicensium).
Wichtigstes Untersuchungsergebnis H.'s: die Bursf. Ref. und ihr Begründer
haben von Anfang an unter benediktinischem Einfluß gestanden.

Adolf B re n n e ke-Berlin hat bei seinen bekannten
Forschungen über die Geschichte des hannov. Kloster-
Fonds einen „Brief des alten Beichtvaters Herzog
Erichs d. Ae. über die relig. Haltung Erichs
d- Jg." (S. 31—34) aufgefunden.

B. verlegt den Brief in die Zeit des am 11. Sept. 1557 in Worms
eröffneten Religionsgesprächs, genauer nach Ostern 1558. Brief zeigt,
»Welche Hoffnungen auf Rekatholisierung des Landes . . . damals noch
immer bestanden und wie schwankend zum mindesten die religiöse Haltung
des Hofes zu jener Zeit war."

Reichhaltig sind die beiden Artikel (III u. VIII) von
Egar Henne c ke-Betheln, die Ergänzungen bringen
2ür Geschichte der „Durchführung der Reformation

in den weifischen Landen" (S. 35—55), nachträglich
besonders im „Kirchenbezirk Harburg
im Jahrh. nach der Ref." (S. 322—25).

Sie behandeln die Brevierreform in den Lüneburgischen Jungfrauenklöstern
v. 1555, bringen Ergänzungen zur Lüneburgischen Ref.-Oesch.,
Vervollständigungen der in Göttingen-Kalenberg und Braunschw.-Wolfenb.
gehaltenen Kirchenvisitationen, die z. T. von Kayser (Die ref. Kirchen-
vis., Gött. 1897 u. Ztschr. f. ndsächs. Kirchengesch. Bd. 8 u. 9) veröffentlicht
sind, und geben Fingerzeige zur Ermittlung der Anfänge
| kirchl. Organisation in den ev. Landeskirchen Niedersachsens.

In die Zeit des Pietismus führt P. Heid kämper-
Bückeburg: „Eberhard David Hauber, Superintendent
zu Stadthagen" (S. 56—71).

Hauber, geborener Württemberger, wirkt v. 1726-46 in Schaumburg
-Lippe, wird dann Prediger der deutschen Gem. in Kopenhagen.
Hauptquelle des Vfs.: Briefe Haubers an die Gräfin Johanna Sophie.
Wir lernen in Hauber einen ernsten, streng wahrhaftigen Mann kennen,
der in 20jähriger Wirksamkeit das kirchl. Leben Schaumburgs zu heben
gewußt hat.

„P ie t i s t i s c he s aus Ostfriesland und
Niedersachsen" bringt Theodor W o t s c h k e-Pra-
tau (S. 72-178).

W. macht Briefschaften, die im Staube der Bibliotheken schlummern,
der Forschung zugänglich. Im 32./33. Bde. hat er in dieser Ztschr.
schon die ndsächs. Berichterstatter der Acta hist.-eccles. aus ihrem Briefwechsel
bekannt gemacht. Hier führen uns die veröffentlichten Briefe
zu zahlreichen Vertretern des Pietismus in Ostfriesland, Braunschweig,
Hannover, Bremen und Hamburg: uns begegnen der Auricher Gen.-Sup.
Levin Koldewey, die Braunschweiger Georg Neuß u. Justus Lüders, die
Hannoveraner Nik. Schröder in Moisburg und der Jurist Beckmann in
Stade, der Apotheker Tissot in Stade und der Kaufmann von Dobbeler
in Hamburg, lauter Freunde A. H. Franckes. Zu welch umfassendem
Briefwechsel hat der ohnehin Vielbeschäftigte noch Zeit und Lust gefunden
, und welche Mannigfaltigkeit des z. T. kleinlichsten Stoffes wird
hier sichtbar, wobei das Gebotene doch immer nur eine bescheidene
Auswahl darstellt! Auch das Herrnhutertum hat in Niedersachsen seine
Freunde gehabt, vor allem am Harz; aber auch in Celle, Harburg,
Göttingen finden sich Freunde Zinzendorfs. Anhangsweise gibt W. auch
aus ihren Briefen einige bezeichnende Proben.

Umfassend berichtet Rudolf Steinmetz-Hannover
über „Die Generalsuperintendenten von Harburg
" (S. 179—290, 6 Bilder).

St. hat die Geschichte der Gen.-Sup. auch anderer Gebietsteile der
Hann. Ldkirche schon früher in der Ztschr. veröffentlicht, die zusammengenommen
für die betr. Zeiträume eine hannov. Kirchengeschichte darstellen
: so in Bd. 10 die der Gen.-Sup. v. Bremen-Verden, Bd. 13
v. Calenberg, Bd. 16 v. Hoya-Diepholz, Bd. 20 v. Lüneburg-Celle. Zum
vorl. Artikel s. eine einleitende Abhandlung Bd. 34/35: die Gründung
der Gen.-Sup. Harburg. Diese bestand 1708—1902. Durch die franz.
Fremdherrschaft teilt sich dieser Stoff nahezu in 2 gleiche Zeitabschnitte.
Danach hat auch St. ihn gegliedert. Dem 1. gehören 10 Gen.-Sup. an:
Gust. Molanus, Verwandter des „großen Abts", H. L. Benthem, Chr. B.
Cruse, G. Ant. W. Müller, Magnus Crusius, David O. Wahrendorf, P.
Jak. Förtsch, bisher Prof. d. Theol. u. Gen.-Sup. in Göttingen, Joh.
Konr. Eggers und Aug. Ludw. Hoppenstedt; die Gen.-Sup. von 1816
an: C. Aug. Moritz Schlegel, Sohn des Kons.-Rats Sch., Vfs. der ältesten
Hann. Kirchengesch., Bruder der bekannten Gebrüder Sch., Gottfr. Chr.
Breiger, Adolf Goeschen, früher Sup. in Ilfeld, u. Karl Schünhoff. —
Vf. selbst ist Gen.-Sup. der neu gegründeten Gen.-Diözese Stade, die
das Gebiet der ehem. Gen.-Sup. Harburg mit umfaßt.

Der genaue Bericht über die letzte Tagung der
Gesellschaft in Bremen (S. 326ff.) ist von Bedeutung
wegen der darin niedergelegten Nachrichten von
kirchl. Altertümern in Bremen. Zu den Verhandlungen
überreichte Dr. Ad. Brenneke (s. o.) eine Denkschrift
: „Material zur ndsächs. Kirchengesch, im Staatsarchiv
Hannover", S. 337 ff. vollständig abgedruckt, besonderen
Hinweises wert. Möge sie zur Belebung' der
Forschung kräftig beitragen, und möge es gelingen,
immer alle Perioden der ndsächs. Kirchengeschichte möglichst
gleichmäßig zu bearbeiten.
Hannover. A. F. Cohrs.

Walter, P. Hilarius, O. S. B. Johannes Cochlaeus, Aequitatis
discussio super consilio delectorum Cardinalium (1538). Münster i. W.:
Aschendorff 1931. (XXII, 49 S.) gr. 8°. = Corpus Catholicorum. Werke
kath. Schriftsteller i. Zeitalter d. Glaubensspaltung, 17. RM 2.85.

Die für wissenschaftliche Publikationen immer knapper
werdenden Mittel haben die Weiterführung auch des