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Ausgabe:

1932

Spalte:

385-386

Autor/Hrsg.:

Bornhausen, Karl

Titel/Untertitel:

Fünffaltige Religion 1932

Rezensent:

Benckert, Heinrich

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Seite 1

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Theologische Literaturzeitung

BEGRÜNDET VON EMIL SCHÜRER UND ADOLF VON HARNACK

°nter Mitwirkung von Prof. D. HERMANN DÖRRIES und Prof. D. Dr. GEORG WOBBERMIN, beide in Göttingen

HERAUSGEGEBEN VON PROFESSOR D. WALTER BAUER, GÖTTINGEN

Mit Bibliographischem Beiblatt in Vierteljahrsheften. Bearbeitet von Lic. Dr. phil. REICH und Mag. theol. H. SEESEMANN, beide in Göttingen.

Jährlich 26 Nrn. — Bezugspreis: halbjährlich RM 22.50

Manuskripte und «lehne Mitteilungen eind a u ■ s c h 1 i e & 1 i ch an Profe«»or D. BAUER in Gottingen, Düstere Eichenweg 46. an senden,
Reiensionseiemplare ausschlieSlich an den Verlag. Gewähr für Besprechung oder Rücksendung von unverlangt gesandten Reeensiona-
eaemplaren, besonders noch bei Zusendung nach Göttingen, wird nicht übernommen.

VERLAG DER J. C. HINRICHS'SCHEN BUCHHANDLUNG, LEIPZIG C 1

57. JAHRGANG, NR. 17



13. AUGUST 1932

Spalte

Acta conciliorum oecumenicorum (Koch) . . 394
B«nz: Das Todesproblem in der stoischen

ß'C: Das katholische Europa (Haun) ... 405
Bornhausen: Fünffaltige Religion (Benckert) 385

Spalte

Oibb: The Damascus Chronicle of the
Melanchthon: Grundbegriffe der Glau-

Spalte

Pachomiana Latina (Koch)........ 391

Schellhass: Der Dominikaner Felician
Ninguarda und die Gegenreformation in
Süddeutschland und Oesterreich 1560 bis
1583 (Schmidt)........ 401

Die Preise der hier angezeigten vor dem 1. VII. 1931 erschienenen deutschen Bücher dürften inzwischen im allgemeinen entsprechend der

Notverordnung vom 8. XII. 1931 um mindestens 10% gesenkt sein.

Born hausen, Karl: Fünffaltige Religion. Görlitz: Hutten-
Verlag 1932. (72 S.) 8°. RM 2.50.
Diese Schrift des Breslauer Systematikers ist keineswegs
eine streng theologische Arbeit: sie ist nur als ein
Buch des Bekenntnisses zu bezeichnen. Und zwar wird
Bns hier ein sehr persönliches, sozusagen ganz privates
Bekenntnis geboten, das für uns unverbindlich wäre,
wenn es nicht im Druck erschienen und so der Öffentlichkeit
zugänglich gemacht wäre. Durch die Objektivie-
JTing im Buch unterstellt sich das Bekenntnis aber auch
theologischer Kritik.

Die fünf Falten der Religion sind diese: 1. der Volksglaube
, der, durch Landschaft, Klima, Sprache, Geschichte
bedingt, für uns Deutsche interkonfessionelle
christliche Färbung hat. An ihm hat jeder schicksalhaft
teil. Die deutsche Religion — das Buch ist Zwingli
gewidmet als dem, der „den Tod für den deutschen
Volksglauben" starb — zerfällt in zwei Anschauungsweise
: die ethisch-heroische Volksreligion mit Walther

(53). Die höchste tellurische Religion aber ist der
Sonnenglaube Ägyptens (56). Tellurisches Christentum
entfaltet sich in erheblichem Umfange aus dem Manichä-
ismus (59), dessen phantastische Spekulationen „viel
wahrer und verdienstvoller als der Jenseitsmaterialismus
der Eschatologie" sind (59). Der heutige Christ wird
keinen Sonnenmythus glauben, sondern in der teil. Religion
aus der Schöpfung dem Schöpfer nahen (61).
5. Endlich die letzte Falte: der Aeonenglaube. Nur gut,
daß es dann nicht noch weiter geht! Natur und Geschichte
fallen in Gott zusammen (67). Gott wird alles
in allem sein: das ist „die sinnvollste Angrenzung der
teil. Rel. an den Aeonenglaube, die die okzidentale
Menschheit hat" (63). Nach der Zitation von Sprüche
8, 22—31 lesen wir dann die zusammenfassenden geheimnisvollen
Worte „Spiel ist der Sinn der Aeonen,
Spiel der Sinn des Menschenlebens. Kinder spielen mit
Aeonen" (65). So müßten wir auch dies für ein Spiel
und sonst nichts, für ein Spiel der Gedanken halten.

von der Vogelweide und Luther als Schutzheilige und i Jesus Christus erscheint im Volksglauben als
die kosmische Religiosität, der als der Mystik Nikolaus Messias, im okzidentalischen Erdteil als Christus, in der
von Cues ebenso wie Eckehart, Goethe und Schleier- ; Menschheit allüberall als Heiland und Erlöser,'in der
Bacher angehören. 2. Die Lebensanschauung des Erd- ! teil. Rel. als sol salutis, im Aeonenglauben als Gottteils
, für uns das europäische Christentum, das, auf den j mensch.

Bescheidenen Rest eines persönlichen Gottesglaubens re- ! Diese eigenartigen Gedankengänge weisen auf einen
duziert, nur darum noch christlich heißt, weil es ohne j ausgeprägten mystischen Synkretismus hin, wie er uns
|~rage durch Jesu Lehre hervorgerufen sei (S. 34). 3. | heute sicher nicht möglich ist. Gedanklich bleibt vieles
Die Menschheitsreligion, die als Humanitätsreligion ; ungeklärt; so das Verhältnis der 5 Falten zueinander
allen wahren Menschen eignet. „Aus der Naturreligion j der 3 rationalen zu den 2 unfaßlichen Falten der vnn

der Menschheit wird Kulturreligion der Menschheit".
Jn ihr aber herrsche der Vatergott, der Gott der Gerech-
"gkeit und Liebe; ihr sei der Unsterblichkeitsglaube
Wesentlich. „Warum sollte man Tagore nicht Christ
Finnen?" (S. 39). 4. Tellurische Religion: wir stoßen
uber die Grenzen von Zeit und Raum heraus und versuchen
, das Überrationale der Erde und der Welten, der
^terne und der Sternensysteme zu fassen (51). Hier geht
f? um „Sternendimensionen", um tellurische Dimensionen
(51).

..Tellurisch" — vom lat. tellus die Erde — ist das, was sich auf
!.e Erde bezieht. B. bezeichnet damit gerade überirdische Zusammen-
nange. Wie ist das zu verstehen?

Der eigentliche Inhalt dieser Religion ist der Glaube
a{i den Schöpfer, und der Glaube an die Erlösung.
«Uas Lied an die Freude entsteht im Überschwang tellu-
cischer Gottnatur . . . Seid umschlungen, Millionen . . ."

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B. nicht weiter berücksichtigten Religion des Einzelnen
zu den Falten. Synkretismus ist es, weil alle Religionen
zusammengeschaut werden, Mystik, weil die Feinfühligkeit
für Sphärenmusik und für das Sternenlicht in unserer
Seele als Kern persönlicher Frömmigkeit bleibt. Wir
brauchen heute religiöse Schriftsteller, die durch unsere
gesamte wissenschaftliche Forschung hindurchgegangen
sind — aber solchen eigenwilligen und nur individualistischen
Führern wird sich niemand anvertrauen.

Ob das, was in dieser Schrift gesagt wird, noch das
Prädikat „christlich" verdient, haben Menschen letztlich
nicht zu entscheiden: an gegebene historische Formen
christlichen Glaubens indessen knüpft es nur wenig an.
Aber das kann uns ja gleich sein; denn diese Schrift
bleibt ein ganz privates Bekenntnis.

Berlin-Nikolassee. H. Benckert.

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