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Ausgabe:

1932 Nr. 1

Spalte:

366-368

Autor/Hrsg.:

Hildebrandt, Franz

Titel/Untertitel:

Est. Das lutherische Prinzip 1932

Rezensent:

Hoffmann, Gustav

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Theologische Literaturzeitung 1932 Nr. 15/16.

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gegenüber zu bedenken, daß es auch ohne Kantischen
oder Fichteschen Idealismus und aller verschwindenden
Kleinheit des Menschen zum Trotz eine Gewißheit des
Geistigen gibt, die — gegen ihre naturalistische Deutung,
auf die auch Heim in diesem Zusammenhange hinweist,
und gegen allen beweissüchtigen Skeptizismus — klar
in ihrer Besonderheit zu erfassen, eine ernsthafte Aufgabe
philosophischen und so auch theologischen Denkens
bleibt.

Eine eigene Auseinandersetzung mit T.s Theorie
von „einer Art übersinnlicher Wahrnehmung", wie Heim
sich ausdrückt, als Grundlage der besonderen religiösen
Wirklichkeitsgewißheit, würde hier zu weit führen. Es
handelt sich dabei ja nicht um das eigentliche Thema
seines Buches.

Herrnhut. Th. St ein mann.

Schowalter, A.: Evangelisches Christentum. (Unser Christenglaube
.) Ein Lebensbuch. Göttingen : Vandenhoeck& Ruprecht 1929.
(II, 157 S.) 8°. geb. RM 4-20.

Der als praktischer Theologe in einem langen Amtsleben
erfahrene und oftmals schriftstellerisch hervorgetretene
Verfasser hat in diesem Buch, dessen gediegene
Ausstattung besonders hervorgehoben sei, einen Grundriß
für den Konfirmandenunterricht vorgelegt. Das
Buch ist entstanden aus dem Bedürfnis des praktischen
Amtes. Wir haben die Konfirmanden nur 1 Jahr. In
diesem Jahr fallen manche Stunden durch Amtshandlungen
und sonstige Verhinderungen des Pfarrers aus,
durch Krankheit und Fehlen der Kinder gehen
wieder Stunden verloren. So ist der einjährige Konfirmandenunterricht
für uns alle eine innere Not geworden.
Schowalter will mit seinem Buch helfen. Der Wissensstoff
ist sehr gering, den unsere Kinder mitbringen.
Einmal bedingt der moderne Schulbetrieb ganz naturgemäß
mangelhafte Kenntnisse in Bibelkunde, Sprüchen
und Liedern. Der Konfirmandenunterricht kann aber
ohne solche Kenntnisse nicht auskommen. Ferner bringen
unsere Kinder es nicht mehr fertig, richtig auswendig
zu lernen. Daher können wir ihnen im Konfirmandenunterricht
nur wenig Memorierstoff mitgeben. So erscheint
mir Schowalter's Buch als eine außerordentlich
Wertwolle Gabe für den Konfirmandenunterricht. Wenn
«s möglich ist, sollten die Konfirmanden sich dies Buch
anschaffen. In den Berliner Massengemeinden ist es
nicht möglich, in Tegel hat Herr D. Schowalter, soweit
mir bekannt ist, das durchgeführt, daß jeder Konfirmand
dies Buch auf seinen Lebensweg mitbekommt.
So hat er die Möglichkeit, sich über den Stoff des Konfirmandenunterrichts
immer wieder neu zu orientieren.
Ich benutze seit längerer Zeit dies Buch für meine
Vorbereitung.

Das Buch gliedert sich in 6 Abschnitte: 1. Die
Bibel, 2. Unsere Kirche, 3. Der Glaube der Kirche, 4.
Die Weihehandlungen unserer Kirche, 5. Die Liebespflicht
und die Liebeswerke der Kirche, 6. Bekenntnisse
und Geständnisse aus den letzten Jahrhunderten. Mir
scheint der 6. Abschnitt, den ich als einen Anhang
lieber bezeichnet sähe, fast das Wertvollste an dem
Buch. Er teilt sich in 3 Teile: 1. Für die Bibel, 2. Für
den Gottesglauben, 3. Für Christus und Christentum.
In diesen Seiten stellt Herr D. Schowalter aus den
letzten Jahrhunderten Zeugnisse von bedeutenden Menschen
über evangelisches Glauben zusammen. Man findet
dort fast alle uns bekannten und geläufigen Worte
von Dichtern und Gelehrten verzeichnet, aber wohl mancher
im deutschen Schrifttum gut beschlagene Theologe
wird darin Worte finden, die er noch nicht kannte und
für welche er dankbar ist.

Das Buch geht vom Kirchen-Christentum aus und
will ins Kirchen-Christentum einführen. Damit stellt es
sich über den Parteistandpunkt auch in theologischer
Beziehung, was ich als großen Vorzug empfinde. Es
führt aber in alle Gebiete ein, welche ein evangelischer
Christ kennen muß, und betont den Gedanken der

I Kirche. Das wird jedes Buch tun müssen, welches für
unsere Konfirmanden brauchbar sein soll. Der Kon-

; firmandenunterricht ist ja kirchlicher Unterricht in dem
Sinne, daß er zum Leben in und zum Dienst an der
Kirche befähigen und das dazu nötige Wissen mitteilen
soll. Ich halte es für einen Vorzug, daß keine Lehre

, von der Kirche vorangestellt und eingehend entwickelt
ist. Das Buch bringt Material und überläßt die Verarbeitung
und Zusammenfassung dem Leser bzw. dem
Lehrer. Natürlich erkennt der kundige Leser den theologischen
und kirchlichen Standpunkt des gebildeten

! Theologen aus dem Lager der Vermittlungstheologie.
Mir scheint das Buch für die Bedürfnisse einer
Massengemeinde der Großstadt vielleicht etwas umfangreich
. Ich kann mit meinen Konfirmanden nicht alle
diese Gebiete durchsprechen. Ich beschränke mich auf
die Entstehung der Kirche und Wesen und Glauben der
Kirche, bespreche dann noch Gottesdienst und Sakramente
. Mehr habe ich in den letzten Jahren nicht erreichen
können. Es wird andern Pfarrern nicht viel
anders gehen. So helfe ich mir durch Empfehlung von

! Schowalter's Buch, und kann nur wünschen, daß es in
die Hand recht vieler Konfirmanden komme. Wir Pfarrer
können es kaum entbehren für unsere Vorbereitung. Ich
kenne kein anderes Buch, das so geeignet wäre, uns in
den Nöten des Konfirmandenunterrichtes zu helfen.
Berlin. M. Kracht.

Hildebrandt, Lic. Franz: Est. Das lutherische Prinzip. Göttingen :
Vandenhoeck&Ruprecht 1931. (126 S.) gr. 8°. = Stud. z. syst. Theologie
, hrsg. v. A. Titius u. G. Wobbermin, 7. H. RM 6.80.
Um H.s Schrift recht zu würdigen, muß man sich an
den Untertitel halten. Es handelt sich in ihr nicht um
das Abendmahl als historische oder dogmatische Ein-
i zelfrage, sondern um das „Lutherische Prinzip"
schlechthin, wie es in dem Est zum Ausdruck kommt,
j Zwar knüpft H. an das Marburger Religionsgespräch an,
um von hier aus die Lutherische Abendmahlslehre zu
entwickeln, aber er tut es in der Voraussetzung, daß die
Situation von Marburg auch heute noch die unsrige ist,
und wir „in der Geburt des Luthertums aus dem Abendmahlsstreit
zugleich sein Wesen" erkennen können (S. 8).
Die Abendmahlslehre ist mithin nur das Kampffeld, auf
i dem die Auseinandersetzung zwischen Luthertum und
; Reformiertentum überhaupt erfolgt. Dabei wird beim
! Reformiertentum weniger an Luthers altreformierte Geg-
! ner gedacht, als an die moderne reformierte Theologie
! Karl Barths.

Luthers Haltung im Abendmahlsstreit hat einen drei-
[ fachen Einwand hervorgerufen: sie entbehre des Zusammenhangs
mit der Wirklichkeit (Scholastik), mit der
Wahrheit (Verständnislosigkeit), mit dem Worte Gottes
(einseitiger Biblizismus). In Widerlegung dieser Einwände
baut H. seine Arbeit in drei Teilen auf: Das Est
als Wirklichkeit, das Est als Wahrheit, das Est als
Wort Gottes.

Die beiderseitige Einstellung ist nach H. durch das
Grundverständnis des Christentums bedingt. Der reformierte
Standpunkt wird durch das Fragezeichen gekenn-
i zeichnet, durch die Gebrochenheit und Unruhe der Re-
! flexion, den letzten Vorbehalt, die ängstliche Wahrung
| des Abstands gegenüber Gott und dem Göttlichen.

Darum gehört zum Reformiertentum das Significat das
1 Symbol, das über sich hinaus auf einen da hinterliegenden
Sinn weist. Demgegenüber behauptet das Luthertum
j das Est, für das kennzeichnend ist, daß es von vorn-
! herein feststeht; hier handelt es sich um unmittelbares,
nicht weiter ableitbares Gegebensein, um eine Gewißheit,
' in der alle Reflexion schon aufgehoben ist. Gerade darin
erweist sich Gottes Ehre, daß er den Abstand über-
; windet und vorbehaltlos in die Menschheit eingeht.
Auch Luther nimmt seinen Standpunkt im Glauben, aber
das „Nur im Glauben" bezeichnet hier den Grund, nicht
wie bei den Reformierten die Grenze der Objektivität.
Unter fortlaufender Bezugnahme auf das Abendmahl