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Ausgabe:

1932 Nr. 1

Spalte:

349-350

Autor/Hrsg.:

Nygren, Anders

Titel/Untertitel:

Eros und Agape. Gestaltwandlungen der christlichen Liebe. 1. Teil 1932

Rezensent:

Kesseler, Kurt

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349

Theologische Literaturzeitung 1932 Nr. 15/16.

350

thode ermutigen dazu, daß ein Ausbau der Methode die
Quellenanalyse klarer und einfacher gestalten wird, die
auch schon in der jetzigen Form, wie die vorliegende
Arbeit zeigt, zu dem Urteil berechtigt, daß die herkömmliche
Methodik der synoptischen Quellenscheidung grundsätzlicher
Revision "bedarf.
Greifswald. Joachim Jeremias.

Turner, Cuthbert Hamilton: The oldest Manuscript of the Vul-
gate Gospels. Deciphered and edited with an Introduction and
Appendix. Oxford : Clarendon Press 1931. (LXIII, 217 S.) gr. 8°. 21 sh.
Die Stiftsbibliothek von St. Gallen besitzt unter Nr. 1395
einen Sammelband, in dem sich neben anderen Stücken
Fragmente eines Vulgatatextes der Evangelien befinden.
Turner möchte der Handschrift, die diese enthält (= 2),
ein höheres Alter geben, als es bis dahin geschehen ist.
Er setzt ihre Entstehung um 500 an. Damit wird sie
zur ältesten Evangelienhandschrift der Vulgata, die wir
besitzen. Dieser Umstand rechtfertigt die jahrzehntelange
Bemühung T.s um den Kodex. Doch war es ihm
nicht vergönnt, sein Werk zum Abschluß zu bringen.
Was bei seinem Tode, am 10. Oktober 1930, vorhanden
war, hat A. Souter der Öffentlichkeit übergeben.

Der Schrifttext beginnt mitten in der Brotbitte des
Vaterunsers Mt. 6, 11. Einige Blätter, die sich in fremde
Bibliotheken verloren hatten oder zum Einbinden anderer
Kodizes verwendet worden waren, hat T. in seiner Ausgabe
ihrem ursprünglichen Zusammenhang zurückgegeben
.

Dem Abdruck des lateinischen Wortlautes, der von
erklärenden Bemerkungen begleitet ist, gehen eine
Schriftprobe und eine Einleitung voraus, die sich teils
mit der Vulgata im Ganzen, teils mit unserer Handschrift
im Besonderen beschäftigt. Doch ist offenbar
die Wiedergabe des Textes die eigentlich starke Seite
des Buches. Die Noten sind zum guten Teil schon vor
zwanzig Jahren gedruckt gewesen, und die zusammenfassenden
Darlegungen der Einführung sind ungewöhnlich
inhaltsarm. Von der Heranziehung der Fachliteratur
wird fast völlig abgesehen. Selbst die „Vulgatastudien"
von H. J. Vogels (Neutestamentliche Abhandlungen XIV
2. 3) 1928, in denen doch gerade die Evangelien der
Vulgata untersucht worden sind, üben keinen Einfluß.
So ist es schwer sich dem Bedauern des Herausgebers
Souter anzuschließen, daß nicht mehr von T.s Meinung
über den echten Vulgatatext mitgeteilt werden konnte.
Denn diese scheint mindestens nicht dem gegenwärtigen
Stand der Vulgataforschung entsprochen zu haben.

Doch bleibt die saubere Ausgabe ein Verdienst, für
das wir dem verewigten Verfasser unseren Dank
schulden.

Göttinnen. W.Bauer.

Nygren, Prof. Anders: Eros und Agape. Gestaltwandlungen d.
Christi. Liebe. [. Tl. Gütersloh: C. Bertelsmann 1930. (216 S.)
gr. 8°. = Studien d. apologet. Seminars, hrsg. v. C. Stange, 28. H.

RM 7—; geb. 8.50.

Das Buch gehört in den Zusammenhang der gegenwärtigen
großen Auseinandersetzung zwischen Idealismus
und Christentum. Nachdem Heinrich Scholz kurz
vorher in philosophischer Auseinandersetzung die Kontrapunktik
zwischen platonischer und christlicher Liebe
herausgearbeitet hatte, führt jetzt dies ausgesprochen
theologische Buch die Problematik bis ins neue Testament
zurück. N. behandelt den Agapegedanken als das
große Grundmotiv des Christentums: Auf Gottes selbstlos
schenkender, ganz unmotivierter, spontaner Liebe
ruht unsere Liebe zu Gott und unsere Liebe zum
Nächsten, immer so daß Agape als göttliche Macht, als
Ausfluß göttlichen Lebens in aller unserer Liebe zu Gott
und den Brüdern gegenwärtig ist. In diesem Sinne wird
auch die exegetische Diskussion über I. Cor. 13 gegen
Harnack und auch gegen Reitzenstein entschieden.

Bei Paulus erscheint der Agapegedanke systematisch
aufgegipfelt zum Gedanken der Agape des Kreuzes und
der durch sie bedingten Bruderliebe, während bei ihm

der Gedanke der Liebe zu Gort durch den Gedanken
des Glaubens überdeckt wird, nach dem Verf. deshalb,
weil die Unmotiviertheit und Spontaneität der Agape

| diesen Begriff zur Bezeichnung für das Verhältnis
des Menschen zu Gott, das niemals spontan ist, un-

( möglich machen. Dagegen erscheint bei Paulus die

I Nächstenliebe als Agape, weil es sich dem Quellgrund
nach auch hier um Gottes Agape handelt. Bei Johannes

! findet dann das Agapemotiv seinen „höchsten Ausdruck
": Gott ist Agape. Dadurch prägt Johannes die
Formel, in der das Agapemotiv durch die Geschichte
gegangen ist. Johannes schwächt aber das Agapemotiv,

j weil er es in die Nähe der motivierten, begehrenden
Liebe bringt, und schafft dadurch die Brücke für das
Eindringen des Erosmotivs in den Agapegedanken.

Jenes verfolgt der Verfasser durch die antike Geistesgeschichte
, besonders bei Plato, Aristoteles und im Neu-
platonismus. Die Eroslehre erscheint als Heilslehre und
tritt in ihrem wesensmäßigen Anderssein bei scheinbarem
Entgegenkommen als gefährliche Konkurrentin neben

j das Christentum. Eine wirkliche innere Verbindung kann
es bei dieser wesensmäßigen Verschiedenheit nicht geben
: „Eros, der aus dem Gefühl seiner Armut und Leere
sich an Gott bereichern will, und Agape, die durch
Gottes Gnade reich gemacht, sich in Liebe selbst

j hingibt."

Im geschichtlichen Christentum sind nun aber der
Agapekomplex und das Erosmotiv doch oft einen „wider-
j spruchsvollen Kompromiß" eingegangen, der „schon von
j Anfang an seine eigene Auflösung in sich trägt". Jede
gelungene Synthese zwischen beiden wäre Verrat am
Agapegedanken, daher kam es in der Geschichte des
christlichen Agapegedankens immer wieder zu Gegenbewegungen
gegen die Verknüpfung mit dem Eros.
Unsere Zeit ist dann wohl im Sinne des Verf. solche
Gegenbewegung.
Düsseldorf. Kurt K e s s e 1 e r.

Bruyne, D. de: Saint Augustin reviseur de la Bible. Rom

[Via S. Ufficio, N. 25]: Economo Generale degli Agostiniani 1931.
(85 S.) Lex. 8°. = Sonderdruck aus Miscellanea Agostiniana, Vol. II.

Unter den Veröffentlichungen des Augustinereremitenordens
zum 1500Jahrgedächtnis Augustins befindet sich
die Arbeit von de Bruyne, welcher den großen Kirchenlehrer
von einer weniger beachteten Seite, als „un grand
modele de critique textuel" (S. 606) zeigt. Der Verf.
| hatte schon 1921 bei der Herausgabe der Freisinger
] Fragmente (r) [in den Collectanea biblica latina 5] die
Überzeugung gewonnen, daß der Text von r auf Augustin
zurückgehe; er faßt seine Gründe jetzt noch einmal zusammen
: kein Schriftsteller vor Augustin zitiert diese
Textform; in Augustins Schriften sieht man sie allmählich
sich entwickeln; wo Aug. bei Erörterung einzelner
Stellen einen bessern Ausdruck vorschlägt, findet sich
j dieser in r. Er ist seither der Geschichte der lateinischen
Bibel in zahlreichen Aufsätzen weiter nachgegangen
(z. B. auch ZNW. 1929, 1—13) und findet
j jetzt bei Untersuchung der verschiedensten biblischen
I Bücher bestätigt, daß Augustin in großem Umfang an
j der Revision des lateinischen Textes gearbeitet hat.
j In der vorliegenden Arbeit stellt er zunächst zu den
I Paulusbriefen fest, daß Aug. bis 389 einen Prä-vulgata-
l text gebraucht; das spricht gegen die gewöhnliche An-
, sieht, daß Hieronymus 384 das ganze N.T. revidiert
| habe; vielmehr vertritt der Verf. seit 1915 immer wieder
die Überzeugung, daß sich die Arbeit des Hieronymus
' auf die Evangelien beschränkt habe. In den späteren
Augustinschriften taucht der Text auf, der sich auch in
r findet; er ist bezeichnet durch Rückgang aufs Griechische
und zwar nicht den von DG vertretenen, sondern
einen ägyptischen Text; ferner durch Streben nach möglichster
Deutlichkeit: z. B. 1. Kor. 1, 25 will Aug. „sa-
pientius est quam homines" statt „sap. est hominibus",
weil letzteres auch als Dativ mißverstanden werden
i könnte (De doctr. ehr. 2, 20); auch r hat quam homines.