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Ausgabe:

1932 Nr. 1

Spalte:

347-349

Titel/Untertitel:

Der apostolische Ursprung der vier Evangelien. Mit einer kurzgefaßten Einleitung in die neueste Geschichte der Schallanalyse 1932

Rezensent:

Jeremias, Joachim

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Theologische Literaturzeitung 1932 Nr. 15/16.

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Er hält den Dichter für einen Zeitgenossen etwa des
Ptolemäus Euergetes und sicherlich für einen jüdischen
Alexandriner. Man sieht an ihm die Wirkung der ethischen
Kunst, besonders des Euripides. Sein Wortschatz
enthält viele poetische, besonders tragische Ausdrücke,
aber auch eigenartige. Das Register derselben S. 128 ff.
ist nicht unwichtig. — Ganz zufällig kann ich zu der
S. 109 besprochenen, Wieneke sonst nicht bekannten,
Anrede y.puT«rre eine Parallele bringen in der Anrede an
Christus bei der Auferweckung des Lazarus, die Johannes
der Euchit [ in Paul de Lagarde, Johannis Eu-
chaitarum metropolitae quae in codice Vaticano graeco
676 supersunt, S. 4 Nr. 5 Et? töv Aatapov, v. 16; in Abhandlungen
d. Königl. Ges. d. Wiss. zu Göttingen,
28. Bd., 1881 (Göttingen 1882), Hist.-philos. Kl.] gebraucht
: növ eqyov co xpatiats. xi ßlirai? dvco; Diese Anrede
scheint mir nicht merkwürdig; sie paßte eben beide
Male in den Vers, wo ßilxime o. ä. unmöglich war.

Für die ältere Dramatik interessant sind die Ausführungen
Wienekes S. 59—63 über die Verwendung
des Traums als Kunstmittel. Die ganze Arbeit zeugt von
viel Fleiß und Verständnis.
Berlin. Bruno V i o 1 e t.

Nachmanson, Prof. Dr. Ernst: Nya Testamentet. En översikt
av dess yttre historia. Stockholm: H. Gebers Verl. 1931. (164 S.
m. 25 Abb.) gr. 8°.
Der Verfasser, Professor des Griechischen an der
Hochschule in Gothenburg, legt hier gedruckt vor seine
Vorlesungen für angehende Theologen und interessierte
Laien über die Geschichte des neutestamentlichen Textes.
Das Büchlein ist in angenehmem Plauderton gehalten,
die Darstellung mit Anekdoten gewürzt und von einem
ansprechenden Bildmaterial belebt. Das Hauptgewicht
liegt auf den buch- und schreibtechnischen Verhältnissen,
die durch antike und moderne Parallelen beleuchtet werden
. Von den Problemen und Anschauungen der modernen
neutestamentlichen Textgeschichte gibt das Buch
leider keine Vorstellung; die Auktorität des Verfassers
ist von Soden, dessen I-Rezension er unbedenklich
übernimmt. Die Bedeutung der alten Übersetzungen für
die Textkritik und die wichtigen Perspektive, die sich
durch die Arbeit am Text der Evangelien (0 usw.) eröffnen
, werden nicht oder nur nebenbei berührt.

Uppsala. Anton Fridrichsen.

Jeremias, D. Dr. Johannes: Der apostolische Ursprung der
vier Evangelien. Mit einer kurzgefaßten Einleitung in die neueste
Geschichte der Schallanalyse. Leipzig: Dörffling 8c Franke 1932.
(VII, 165 S.) gr. 8°. RM 6—.

Im Juli 1931 hat der kürzlich verstorbene Eduard Sievers
seine schallanalytische Bearbeitung der Evangelien
herausgegeben (Der Textaufbau der griechischen Evangelien
. Klanglich untersucht. 41. Bd. d. Abh. d. Sächs.
Akad. d. Wiss., Leipzig 1931). In diesem Werke wird
die schallanalytische Untersuchung der vier Evangelien
durchgeführt und außerdem werden zwei neue Hifsmittel,
Querindex und Stimmsprung, in die Methodik der Schallanalyse
eingegliedert. Namentlich der im Januar 1931
von Sievers entdeckte Stimmsprung, ein sich mit physiologischer
Notwendigkeit bei bestimmten Anlässen (z. B.
vor der Nennung des eigenen Namens) vollziehender
Stimmwechsel, ist ein neues heuristisches Prinzip, dessen
Bedeutung auch dem Laien einleuchten muß: man denke
z. B. an die charakterologische Bedeutung der Niederschrift
des eigenen Namens.

Die Anerkennung, die die schallanalytische Methode
in steigendem Maße namentlich von germanistischer
Seite erfahren hat, zwingt die theologische Forschung,
aus ihrer — m. E. mit guten Gründen — überwiegend
beobachteten Zurückhaltung herauszugehen und zum mindesten
Kenntnis zu nehmen von den Ergebnissen der
schallanalytischen Bearbeitung des N.T. Es ist daher
lebhaft zu begrüßen, daß so schnell nach dem Erscheinen
des S.schen Werkes eine Arbeit erscheint, die die

Ergebnisse der klanglichen Analyse der Evangelien zu-
! sammenfaßt, sachkritisch nachprüft und theologisch aus-
; baut, und die es auch dem motorisch Unbegabten und
: dem der Technik der Schallanalyse fremd Gegenüber-
i stehenden ermöglicht, sich Kenntnis ihrer Ergebnisse
zu verschaffen und zu diesen Stellung zu nehmen.

Nach einer einführenden Einleitung, die die neueste
! Geschichte der Klangforschung darstellt (S. 1—28), werden
zwei führende Stimmen des Mk. Evangeliums (P
und A) in rhythmischer Übersetzung im Wortlaut (S.
31—52) vorgeführt; da beide bei der Namensnennung
des Petrus Stimmsprung aufweisen, werden beide auf
ihn zurückgeführt: P (1. Pt. 1, 1 mit Stimmsprung wiederkehrend
, jüdische Personalkurve) auf Petrus direkt, A
j (griechische Personalkurve) auf die Übersetzung einer
[ aramäischen Petrusüberlieferung. In ähnlicher Weise
I werden auf grund sowohl klanglich-technischer wie sachlicher
, über Sievers hinausführender Erwägungen fol-
; gende Stimmen bestimmt und in ihrer Eigenart gesehil-
j dert: J i und J i (Jude) Stimme des Zebedaiden Jo-
; hannes; B (Grieche) Übersetzer einer aramäischen Jo-
j hannesüberlieferung; m (Grieche) und C (Grieche)
i Übersetzer aramäischer Jakobusüberlieferungen; xt 1
(Grieche) Übersetzer des Andreasberichtes; L 3 (Grie-
i che) Übersetzer eines aramäischen Philippusevangeliums;
t E (Grieche) Übersetzer einer aramäischen Thomasüber-
j lieferung; L i_3 (Grieche) Stimme des Lukas; pi—>
! (Grieche) Stimme des Markus; M i—4 (Jude) Herausgeber
des ersten Evangeliums; xc 1—2 (Grieche) Stimme
des „Presbyters" Johannes (vgl. die Liste S. 161—163).

Das Ergebnis ist ein Gesamtbild von eindrucksvoller
Geschlossenheit. Alle vier Evangelien fußen auf unmittelbaren
Berichten apostolischer Augen- und Ohrenzeugen
; ihre Glaubwürdigkeit ist durch die apostolischen
Gewährsleute bis in kleinste Einzelheiten gesichert,
i Apostel, von denen teilweise wenig mehr als der Name
bekannt ist, werden in sorgfältigen Einzeluntersuchungen
in ihrer persönlichen Eigenart lebendig dargestellt. Eine
Fülle von Einzelfolgerungen ergeben sich. Nur einige
Beispiele: die Hypothese einer Logienquelle Q ist unhaltbar
, vielmehr hat Mth. die Logien aus J B E P C L 2,
Lk. aus BL2 JP (die Anordnung nach der Häufigkeit
der Benutzung) geschöpft (S. 123). Der Zebadaide Johannes
ist die führende Stimme in allen vier Evangelien
(S. 138). Die Erweckung der Tochter des Jairus, die
[ Verklärungsgeschichte, die Gethsemanegeschichte werden
i uns durch die Stimmen der drei von Jesus erwählten
Zeugen Petrus (P, A), Jakobus (u.» C) und Johannes
(J .—2) überliefert (S. 72 f.). Der Rahmen der Geschichte
Jesu ist fast ausnahmslos nicht Redaktorenarbeit
, sondern den einzelnen apostolischen Quellen
) selbst entnommen (S. 129).

Freilich — Voraussetzung für die Zustimmung zu
' diesen Ergebnissen ist die Zustimmung zu der klanglichen
Analyse der Evangelien durch Sievers. Und da
erheben sich doch ernste Bedenken. Von Einzelheiten
sei abgesehen, nur erwähnt, daß schwerlich zu recht
mit S. angenommen wird, die Stimme U 4 k q biete
griechisch gesprochene Worte Jesu (u. a. Vater-Unser
nach Lk., Deutworte beim Abendmahl) in der Urform
(S. 124—127); dann das Logion Mk. 14, 38 b mit dem
paulinischen Gegensatzpaar xcreOpa-aop? kann in der
überlieferten Form nicht ipsissima vox sein: palästinensischer
Redeweise entspricht der Gegensatz guter Trieb
— böser Trieb. Das entscheidende Bedenken betrifft die
I Analyse des N.T. als Ganzen. Man muß, wenn man
sie in der vorliegenden Form bejaht, annehmen, daß
! weite Teile nicht nur der Evg., sondern beispielsweise
; auch des Römerbriefs ein Mosaik kleiner und kleinster
1 Quellenteilchen sind, die von den verschiedensten Au-
i toren stammen und künstlich zu einem einheitlichen
i Text verarbeitet wurden; ich bezweifle, daß dieses Bedenken
nur ein Werturteil (S. 154) darstellt. Wohl aber
! darf man erwarten, und gerade die eingangs erwähnten
'[ allerneusten Fortbildungen der schallanalytischen Me-