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Ausgabe:

1932 Nr. 14

Spalte:

319-320

Autor/Hrsg.:

Leipoldt, Johannes

Titel/Untertitel:

Dionysos 1932

Rezensent:

Bauer, Walter

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319

Theologische Literaturzeitung 1932 Nr. 14.

320

Vielmehr gehört Kinn (besser LXX ijWn) n'vn zusammen
und leitet V. 4a ein. — Und wenn Hiob weiter
die Nacht verwünscht „weil sie nicht das Thor meines
Mutterleibs verschlossen und also Mühsal vor meinen
Augen verborgen hat" (V. 10), so gibt das einen guten
Sinn. Die Änderung des Verfassers von so = „nicht" in
Kb = „oh daß doch" nach dem begründenden "O ist
doch ganz unmöglich. — Gewiß der Hiobtext nötigt
zu Konjekturen. Aber man muß dann doch erwarten,
daß die Konjekturen einen besseren Sinn geben als der
masor. Text und nicht wider Sprache und Grammatik
sündigen. Das ist bei dem Verf. — aber nicht bloß bei
diesem Hiobkommentator — nicht immer der Fall. Es
ist wahr die Klage Hiobs (19,17):daß sein Atem seinem
Weibe zum Ekel wurde, daß „er den Söhnen seines
Leibes übel rieche"? hat mit Recht Anlaß zu Fragen
gegeben. Hiobs Kinder sind doch alle umgekommen!
(K. 1). Hat also der Dichter hier geschlafen? Oder
ist ,bene bitni' als Söhne meines Mutterleibes d.h. also
als meine leiblichen Brüder zu verstehen, oder auch als
Geschlechtsgenossen 0*» = Stamm, Geschlecht nach
dem Arabischen)? Verf. übersetzt: ein Ekel ist „meine
Geneigtheit denen, die auf meine Schüssel achteten".
Er denkt dabei an die „Armen, Witwen und Waisen,
denen Hiob stets von seinem Essen etwas zukommen
ließ" (Hiob 31, 16 f.) und liest: bäne betan'i (= ^cn ^33)
eigentlich die auf meinen Korb (Deut. 26,2; 28,5) d. h.
Eßkorb, Tischschüssel (Sir. 31, 14) achteten. Aber das
Partizipium des Kai kommt von T4 nicht vor, auch
nicht Jer. 49, 7. Außerdem handelt es sich im Zusammenhang
hier doch wohl um die Mißachtung von Seiten
der in Hiobs Hause Wohnenden oder dort freundschaftlich
Verkehrenden, kaum der Bettler auf den Straßen.
— Ebenso anfechtbar ist in V. 20 desselben Kapitels
die Übersetzung:
„in meiner Haut und meinem Fleisch ist Moder,
Ob mit meinem Gebein ich doch mich retten werde?"
Aber das kann nb'bahNl nicht bedeuten. —

Ich breche hier ab. Es tut mir leid, daß ich gegen
die fleißige Arbeit des Verf. so Vieles einzuwenden habe.
Das liegt doch zum Teil auch an der Schwierigkeit des
Stoffes und Textes, an dem sich viele Forscher vor ihm
den Kopf und die Zähne zerbrochen haben und auch
noch zerbrechen werden. Es ist zu hoffen, daß er bei
weiterem Arbeiten im A. T. uns noch manchen tüchtigen
Beitrag liefern wird. Selbständig genug ist er dazu.

Bonn. J. Mein hold.

Lei pol dt, Johannes: Dionysos. Leipzig: Ed. Pfeiffer 1931. (VIII,
75 S. m. 11 Lichtdrucktaf). Lex. 8°. = AITEAOS. Archiv f. neu-
fest. Zeitgeschichte u. Kulturkunde. Beihefte, hrsg. v. Q. Polster, H. 3.

RM 10-.

L. handelt in einer mit elf großen und belehrenden
Tafeln ausgestatteten Schrift über Dionysos. Es kommt
ihm nicht so sehr darauf an, die Sagen von Dionysos zu
untersuchen und ihren mehr oder minder bekannten Inhalt
erneut vorzuführen. Vielmehr beschäftigt ihn der
Gegenstand als Erforscher des Urchristentums. Er
schließt aus der gewaltigen Fülle der dem Dionysos gewidmeten
Kunstwerke auf die weite Verbreitung seiner
Verehrung in der alten Mittel meerweit und erblickt in
ihm den heidnischen Gott, mit dem sich das Christentum
der ersten Zeit besonders auseinanderzusetzen hatte.
Hier hätte wohl gezeigt werden können, wo innerhalb
des altchristlichen Schrifttums eine aus dem wirklichen
Leben, nicht aus apologetischer Überlieferung schöpfende
Bekämpfung des Dionysos und seines Kultes stattfindet.

L. begnügt sich, die Ausbreitung des dionysischen
Gottesdienstes in Morgen- und Abendland zu schildern
und auf die Gegnerschaft zu verweisen, die er bei Heiden
und Juden gefunden. Daran schließt sich die Darstellung
der eigenartigen Frömmigkeit, die in den Kreisen
der Dionysosverehrer gepflegt worden ist. Hauptquellen
sind Euripides mit seinen Bakchen, Livius, der

von den ältesten Geheimfeiern in Rom erzählt, sodann
die Denkmäler.

Die trotz allerlei Hemmungen in der gesamten Mit-
j telmeerwelt entstehenden Gemeinden bieten einen sehr
, verschiedenartigen Anblick. Doch werden die Grundtatsachen
des Gottesdienstes letzten Endes davon nicht
betroffen; nur muß man Mischerzeugnisse als solche
erkennen und fremden Zuwachs richtig zu behandeln verstehen
. Der tragende Gedanke der dionysischen Frömmigkeit
ist die Gottesnähe, Gottesgemeinschaft, die Ein-
wohnung der Gottheit, schon in der Gegenwart von dem
Gläubigen erlebt. Ihr dienen die Weihen, die heiligen
Bräuche, Tanz, Weingenuß und Theophagie.

Der letzte und umfangreichste Abschnitt stellt Dionysos
und Christus gegenüber. Er beginnt mit einem
Vergleich der Missionserfahrungen der Dionysos- und
Isiskulte, des Judentums, wobei mir allerdings das Wort
j von dem „Siegeszug" des Judentums „nach allen Himmelsrichtungen
" (S. 45) und von dem Gewinn „immer
neuer Scharen von Anhängern, besonders in der aramäisch
und griechisch redenden Welt" (46) problematisch
bleibt, so oft man auch ähnliche Urteile hört.

Den Sieg des Christus über Dionysos erklärt L.
aus der größeren Lebensnähe des Christentums (50),
die er an drei Gedankenreihen zu veranschaulichen sucht.
Er vergleicht Leben und Art beider, stellt die Ähnlichkeiten
heraus und betont die Unterschiede. Dann mißt
er die Sittlichkeit der Dionysosverehrer an der Christen
, auch jenen gegenüber zur Anerkennung bereit.
Endlich fragt er nach der Stellung beider Religionen
zum Sinn des Leidens im Menschenleben.

Die Schrift ist, wie alle Arbeiten L.s sorgfältig und
stoffreich. Da er sich selbst bewußt ist, nur eine Auswahl
aus viel reicherer Fülle zu bieten, hat es keinen
Sinn, ihn „ergänzen" zu wollen. Gewundert habe ich
mich nur, bei der Behandlung der Stellung der Juden
zu Dionysos dem Jerusalemer Sarkophag nicht zu begegnen
, über den nach anderen (Revue biblique 1913,
106. 111) H. Thiersch gehandelt hat (Z. des Deutschen
Pal.-Vereins 1914). Vgl. auch R. Reitzenstein, D. hellenistischen
Mysterienreligionen 3 1927, 146 f.
Göttingen. W. Bauer.

Wendland, Dr. theol. Heinz - Dietrich: Die Eschatologle des
Reiches Gottes bei Jesus. Eine Studie über den Zusammenhang
von Eschatologie, Ethik und Kirchenproblem. Gütersloh: C. Bertelsmann
1931. (VIII, 255 S.) gr. 8°. RM 10—; geb. 12—.
Die Problematik des Reichs-Gottes-Glaubens in der
Theologie und den kirchlichen Bewegungen der Gegenwart
, besonders der ökumenischen, verlangt immer wieder
eine Auseinandersetzung mit der Reichserwartung
des Neuen Testaments. Die neutestamentliche Forschung
der letzten Jahre (Schlatter, Bultmann, Dibelius, K. L.
Schmidt, Joachim Jeremias, Michaelis, Gloege u. a.) hat
z. T. in scharfer Auseinandersetzung mit früheren Forschungsergebnissen
den eschatologischen Charakter des
Reichsbegriffs der Jesusüberlieferung herausgearbeitet:
aber es bleibt immer noch viel zu tun, um die Eigenart der
Reichs-Gottes-Predigt Jesu festzustellen, ihre Stellung in
dem Gesamtbestand seiner Verkündigung zu bestimmen
und ihre Bedeutung für die neutestamentliche Offenbarung
und die Geschichte der Kirche aufzuzeigen.

Der Verfasser der vorliegenden Arbeit, die von der
Theologischen Fakultät der Universität Heidelberg als
i Habilitationsschrift angenommen worden ist, unternimmt
es, in fortlaufender Auseinandersetzung mit den Vor-
j gängern und förderlicher Weiterführung der bisherigen
i Forschung die Reichs-Gottes-Predigt Jesu im Zusam-
j menhang mit seinen Worten und Taten darzustellen und
das Problem des Verhältnisses von Reichs-Gottes-Ver-
j kündigung und Person Jesu zu erhellen. Als festes Ergebnis
der bisherigen Arbeit betrachtet er dabei mit
Recht die Erkenntnis, daß es falsch ist, den Reichs-
Begriff von der späteren kirchlichen Entwicklung aus
i unter ethischen und soziologischen Kategorien zu fassen