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Ausgabe:

1932 Nr. 1

Spalte:

14-15

Autor/Hrsg.:

Balmus, Constantin J.

Titel/Untertitel:

Étude sur le Style de Saint Augustin dans les Confessions et la Cité de Dieu 1932

Rezensent:

Koch, Hugo

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Theologische Literaturzeitung 1932 Nr. 1.

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die verschiedenen Gruppen nach ihrem jeweiligen Gedankengehalt
durchgeht und dem die kirchliche Widerlegung
folgen läßt. Er unterscheidet dabei nach G.
Bardys Vorgang (Revue biblique 1926, S. 496ff., 1927, I
S. 25 ff.), bzw. nach der Einteilung des Epiphanias (Pan. i
55) zwischen Leuten, die in Melchisedek (=M.) eine
„Kraft" Gottes, den hl. Geist, den Sohn Gottes, Gott
selbst sehen. Doch ich habe gegen eine derartige Schei- I
düng Bedenken. Berücksichtigt man, daß wir hier vor- !
nehmlich auf Epiphanius angewiesen sind, der als i
Quelle immerhin etwas verdächtig ist und der seine Bemerkungen
z. B. mit einem ganz vagen: t|M)e öe redtav
ei? nM^S (S. 336, 14 Holl) einleitet, so wird man zurückhaltend
sein müssen, weil dieser Ketzerbestreiter gleich
seinen Vorgängern das Bestreben hat, möglichst viele,
sich widersprechende Gruppen hervortreten zu lassen,
die schon durch ihre Mannigfaltigkeit widerlegt sind.
Daß es sich hier gar nicht um mehrere, einander ausschließende
Gruppen gehandelt hat, kann man an Ambrosius
sehen, der selbst mehrere Ansichten über M.
vertrat (cf. Verf. selbst S. 55), und mustert man die
Argumente der einzelnen Ansichten, so findet man auch
hier auffallende Verwandtschaft und ein ständiges Inein-
anderübergleiten. Leider hat sich Verf. darum nicht
weiter gekümmert, obwohl dogmengeschichtliche Erwägungen
diesen Tatbestand hätten erklären können.
Was man unter der Bezeichnung M.s als einer „Kraft"
Gottes verstehen muß, hat v. Harnack gezeigt (D. G. I,
713 f.), und er hat dabei in der Christologie eine Linie j
vom „Hirten" zum dynamistischen Monarchianismus gezogen
, d. h. war der geschichtliche Jesus ein Mensch,
der mit der Kraft des hl. Geistes gesalbt wurde,
so sei M. dieser hl. Geist selbst, der mit dem Sohne
Gottes identisch ist. Gibt man dies zu, so wird man die
Auffassung, daß M. der hl. Geist sei, nicht als „von der
ersten gänzlich verschieden" (S. 35) bezeichnen. Vollends
die Annahme, daß M. der Sohn Gottes sei, ist
nichts. Selbständiges neben den beiden anderen, sondern
ständig gehen bei den Kirchenvätern die Meinungen
nebeneinander her, wonach bald der Logos, bald der
hl. Geist im A. T. als wirksam gedacht werden, die Propheten
inspirierend, Gläubigen erscheinend. Aus dieser
allgemeinen Ansicht bilden die Anschauungen über M.
nur einen kleinen Ausschnitt, für den in gleicher Weise
dies Schwanken zutrifft, was für die Auffassung vom
Wirken der göttlichen Personen im A. T. überhaupt
charakteristisch ist. Erst eine besondere Zuspitzung
machte diese Anschauungen häretisch und führte dazu,
daß solche Leute aus der Kirche gedrängt wurden.

Diese Erwägungen führen mich dazu, dem cap. III
z. T. zu widersprechen (die dogmengeschichtliche Entwicklung
der M. Spekulationen, S. 72—82). Zwar
stimme ich mit Verf. in der Ablehnung der gnostischen
Einflüsse überein, sehe mit ihm die M. auch nicht von
Anfang an als Sekte an, glaube auch, daß die M.-Speku-
lation anfangs nichts anderes sein sollte „als ein neuer
exegetischer Versuch, die christologischen Anschauungen
der Theodotianer zu stützen" (S. 78; so übrigens auch
v. Harnack, a. a. O. S. 714, anders Wuttke, M. der
Priesterkönig von Salem, 1927, S. 30 ff., 32, A. 1). Aber
darin glaube ich vom Verf. abweichen zu müssen, wenn
er versucht, hier verschiedene „Gedankengruppen" herauszuarbeiten
, „die ihren inneren Zusammenhang durch
das gemeinsame Problem erhielten" (S. 81), und wenn
er von einer allmählichen „Verkirchlichung" (S. 80 f.)
dieses Problems spricht. Was wir erkennen können, ist
lediglich das Vorhandensein gewisser Spekulationen über
M. teils im Rahmen der Kirche, teils außerhalb ihrer
Mauern, von Spekulationen, die bei aller äußerlichen Verschiedenheit
im Grunde doch alle dasselbe meinen. Sie
können sich mit anderen Anschauungen verbinden, und
sie entstehen unabhängig voneinander, „isoles et inde-
pendants", wie Bardy mit Recht sagt (Rev. bibl. 1927,
S. 37), so daß von einer dogmengeschichtlichen Entwicklung
, von einem „inneren Zusammenhang" in der

gedanklichen Entwicklung des „Problems" überhaupt
nicht gesprochen werden kann.

Verf. hat also mehr erkennen wollen als die fragmentarischen
Quellen erlauben, er hat alles viel zu straff
systematisiert, und er hat nicht versucht, die einzelnen
„üedankengruppen" als eine Einheit zu schauen, und
deren verschiedene Ausprägung in all ihrem Schwanken
als lehrreichen Teilausschnitt aus einem größeren Ganzen
zu würdigen.
Halle/Saale._Walther Völker.

Balm us, Constantin J.: Etüde sur le Style de Saint Augustin
dans les Confessions et la Citö de Dieu. Paris: Societe"
d'Edition „Les Beiles Lettres" u. Leipzig: O. Harrassowitz 1930.
(327 S.) 8°. = Collection d' Etudes Anciennes, hrsg. v. l'Association
Ouillaume Bude.

Da in der letzten Zeit, und zwar von amerikanischer
Seite, nur die Syntax der beiden augustinischen Hauptwerke
behandelt wurde (in De Civitate Dei von Sister
Mary Columkille Colbert, Washington 1923 und in den
Confessiones von Sister Mary Raphael Arts 1927, beides
unter der Leitung des gelehrten M. Roy J. De-
ferrari), so war eine Gesamtdarstellung des Stils dieses
großen Sprachmeisters wohl angezeigt. Bedauern kann
man nur, daß auch Baimus sich auf die beiden Hauptwerke
beschränkt und nicht wenigstens die Sermones
noch herangezogen hat, um so mehr, als die Arbeit
von A. Regnier über das Latein dieser Predigten (Paris
1886) für heute nicht mehr genügt (S. 9), und die
Studie der Sister M. Inviolata Barry (St. Augustine,
The Orator, Washington 1924) — Baimus erwähnt
sie zweimal nebenbei S. 179 A. 1 u. S. 297 A. 1 — nur
ihre eigentlich rednerischen Eigenschaften ins Auge faßt.

Im Übrigen hat aber der Rumäne seine Untersuchung
nach der neuesten, seelenkundlich vertieften
Methode angestellt und den Stoff nach guten Mustern
zweckmäßig gegliedert in die 6 Kapitel: Wahl der Wörter
, Wortstellung, Satzbau, Stilabwechslung, Streben nach
Breite, rednerische und dichterische Farbe, je mit zahlreichen
, glücklich gewählten Unterabteilungen. Die Stilunterschiede
der beiden Werke treten in der ganzen
Untersuchung deutlich hervor. In den Confessiones sind
die Zeitwörter viel häufiger an den Anfang des Satzes
gestellt als in De civitate Dei (S. 99). Dort überwiegen
die kurzen, nebeneinandergestellten (parataktischen)
Sätze, hier erscheinen häufiger, freilich nicht sehr gelungene
, längere Satzgefüge (Perioden, S. 130). Dort
herrscht die Fülle der Verbindungen (das Polysyndeton),
hier der Mangel an solchen (das Asyndeton, S. 316).
Dort die Übertragung (die Metapher), hier der Vergleich
(S. 267). Jenes Werk ist eben „affektgeladen,
pathetisch", dieses „kälter, verstandesmäßiger" (S. 99).
Jenes ist „ein Kunstwerk, ein wahrhaft dichterisches
Werk", dieses ein „lehrhaftes, philosophisches Werk"
S. 142). Zum Schluß sind S. 315 ff. die Haupteigentümlichkeiten
des augustinischen Stils kurz zusammengefaßt
. Im Ganzen ist er gekennzeichnet durch Vorliebe
für Gegensätzlichkeiten (Antithesen) und gleichmäßige,
nebeneinander laufende Satzglieder, mit Wiederholungen
desselben Wortes am Anfang (Anaphora), Stabreim
(Alliteration), Endreim und bald silbenmessenden, bald
silbenbetonenden Satzfluß (quantitierenden und akzentuierenden
Rhythmus), ferner durch eine Fülle von
Wort- und Sinnspielen, dann aber auch wieder durch
eine gewisse absichtliche Eintönigkeit. Augustin erscheint
so als Vertreter des sog. asianischen Stils, der
achthundert Jahre vor ihm von Gorgias geschaffen, von
den griechischen Rednern gepflegt, von den kleinasiatischen
Schulen des 3. Jahrhunderts vor Chr. übernommen
, von den griechischen Sophisten zur Zeit der
Antonine erneuert wurde und dann, ins Lateinische übertragen
, im römischen Afrika, in den blühenden Schulen
von Leptis, Madaura, Oea und Karthago eine Heimstätte
fand.

Ein Fehler der Arbeit liegt darin, daß die Vorgänger
Augustins in der lateinisch-christlichen Sprache,