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Ausgabe:

1932 Nr. 13

Spalte:

305-306

Autor/Hrsg.:

Fick, R.

Titel/Untertitel:

Briefe an Ewald. Aus seinem Nachlaß 1932

Rezensent:

Hempel, Johannes

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Seite 1

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305 Theologische Literaturzeitung 1932 Nr. 13. 306

Schreibers, der ohne Genauigkeit in der Forschung, ohne 1 in der die Deutsche Morgenländische Gesellschaft mit
große Tiefe und in den seltensten Fällen mit einem nach- diesem von Lassen vorgeschlagenen Namen (S. 162)
haltigen Verdienst'- arbeitete. Nun aber weist der Ver- i ins Leben trat und durch ihr bis heute bestehendes Verfasser
nach, wie „von den Problemen vergleichender bandsorgan die von Ewald und seinem Freundes- und
Völkerkunde solche aus dem Wirtschafts- und Gesell- ; Schülerkreis getragene Zeitschrift für die Kunde des
schaftsieben und der vergleichenden Religionsgeschichte ; Morgenlandes erdrückte, in der die Entzifferung der
Meiners am stärksten anzogen und ihm hier zum Teil j Keilschrift einen neuen Zweig der Orientalistik ins
Lösungen und Hinweise glückten, die die vertiefte mo- , Leben rief. Die hier veröffentlichte Briefauswahl, deren
derne Forschung bestätigt hat" (S. 138). So drängte ; Abgrenzung im Vorwort näher begründet wird, gibt
sich ihm schon von ferne der Gedanke der Konvergenz ! einen guten Einblick in diese Entwicklung zwischen
auf — wobei er freilich das Wort nicht gebraucht — 1827 und 1870. Menschliches, Allzumenschliches, (von
bei der Beobachtung auffälliger Übeinstimmungen zweier dem sich der charakterlich wundervolle Absagebrief

Völker im Kulturbesitz, ohne daß irgendwelche Beziehungen
erweisbar wären; und er erklärte sie aus der

Theodor Nöldekes an Ewald (S. 188) leuchtend abhebt),
und damit nach den besonderen Lebensschicksalen

Physischen Bedingtheit der Kultur überhaupt (S. 108f.). | Ewalds eng verbunden Politisches; Persönliches, wie die
Den seltsamen Brauch des Männerkindbetts (Couvade) j Urteile von v. d. Gabelentz (S. 20) und Lassen (S. 129
erklärt er bereits aus magischen Auffassungen (S. 26) i 131 f. 136 t'.) über die Göttinger Sieben oder wie die
wie er auch das Schamanentum aus ekstatisch-epilep- j Verhandlungen mit Haug über den Druck einer Bronchen
Zuständen herleitet (S. 31 f., s. auch S. 67f., j schüre E. nach seiner Absetzung 1867; Angelegenheiten

101 f. und 141). In dankenswerter Weise geht der
Verfasser auf die Bedeutung Chr. Meiners für die
vergleichende Religionswissenschaft ein, deren „Probleme
ihn immer wieder besonders anzogen" und er ergänzt
damit aufs Glücklichste die 1917 als Preisschrift
der Universität Berlin erschienene Arbeit von Herbert
Wenzel „Christoph Meiners als Religionshistoriker",
die damals eine anerkennenswerte Leistung war, heute
aber einer Neubearbeitung sehr bedarf. Für Meiners bil-

der Fakultäten, wissenschaftlichen Gesellschaften (vor
allem der Göttinger Akademie), Bibliotheken (namentlich
wieder der Göttinger, aber auch der Tübinger) und Zeitschriften
, in erster Linie aber wissenschaftliche Fragen
ziehen in bunter Fülle an uns vorbei. Soll ich für die
Leser dieser Zeitschrift Wichtiges herausheben, so würde
ich etwa J. Grimms Frage nach dem Sinn des Plurals
„Adam ist worden als unser einer" in Gen. 3, 22 (S. 25)
oder Haugs Schilderung eines für ihn nach dem Aitareja

dete „die Geschichte der Religionen einen der wichtig- I Brahmana veranstalteten Opfer (S. 80 ff.) oder auch
sten Abschnitte der Geschichte der Menschheit" und j Max Müllers außerordentlich warmes Urteil über den
darum wollte er sie schon als besonderes Wissensgebiet J Menschen und Christen Stanley (S. 167), vor allem aber
von den übrigen Disziplinen absondern. Die Ergebnisse | Lassens ganz „modern" anmutende Ahnung einer Ver-

seiner zahlreichen Untersuchungen hat Meiners erstmals
in seinem „Grundriß der Geschichte aller Religionen"
(1785/1787) zusammengefaßt, um dann gegen Ende
seines Lebens in der zweibändigen „Allgemeinen kritischen
Geschichte der Religionen" (1806/07) die Resultate
seiner früheren Studien, die Ihle auf S. 136
Anm. 144 aufführt, nochmals eingehend darzulegen. Ist
Meiners ablehnende Stellung zur chinesischen Kultur —
er hält „die Chinesen für ein ungebildetes und unkünstlerisches
Volk" — aus einer gewissen Reaktion gegen die
Chinoiserie des 17./18. Jahrhunderts zu erklären, so
geht sein scharfer Gegensatz gegen Rousseau und dessen
Ideen aus einer gründlichen Kenntnis des „wahren Zu-
standes der Wildheit" der Naturvölker hervor; denn er

wandtschaft in der Art der Sagenüberlieferung in Israel
und in Indien (S. 157) nennen. Wir haben alle Ursache
, dem verdienten Direktor der Göttinger Bibliothek
und dem Universitätsbund als Herausgeber der „Vorarbeiten
" zu danken, daß sie diese schönen Schätze zugänglich
und durch biographische wie sachliche Anmerkungen
(die nur für die Korrespondenten Ewalds selbst
ein wenig zu knapp sind), verständlicher gemacht haben.
Das Bild, das kein geringerer als Julius Wellhausen von
seinem zweiten Vorgänger entworfen und Brockelmann
ihm nachgezeichnet hat, wird jetzt durch diese Veröffentlichung
in wertvoller Weise ergänzt. Die starke
verpflichtende Kraft, die von diesem Briefwechsel für
jeden Göttinger ausgeht, sachlich wie menschlich, sei nur

war wohl in seiner Zeit der beste Kenner der zahlreichen j gestreift. Mächte er auch die, die es angeht, an ihre
Reisebeschreibungen der Aufklärungszeit. Es ist ein Ver- i Pflicht gegen die Göttinger Bibliothek erinnern, die einen

dienst des Verfassers, das zerstreute Material uns in seiner
Arbeit vorgelegt zu haben, es wird eine weitere Aufgabe
bleiben, die mannigfachen Anregungen jener Geistesepoche
einem größeren Ganzen einzufügen.
München. _R. F. Merkel.

P'ck, R., und Q. v. Seile: Briefe an Ewald. Aus seinem Nachlaß
. Güttingen: Vandenhoeck & Ruprecht in Komm. 1932. (VIII,
223 S.) gr. 8". = Vorarbeiten z. Gesch. d. Göttinger Univ. u. Bibliothek
, hrsg. v. Universitätsbund Göttingen, 13. H. RM 12-.
Es ist nicht nur für die einmal zu schreibende Ge-

Lassen nach Göttingen zog (S. 148) und ein Nöldeke in
Kiel „schmerzlich entbehrt" (S. 187).

Papier und Register könnten dem wertvollen Inhalt angemessener
sein; in letzterem ergänze z. B. s. v. Aitareia Brahmana S. 80. 190
s. v. Altes Testament S. 153, 157, 187.

Göttingen. j0h. Hempel.

Schmiechen, Lic. Ernst: Schleiermachers Glaubensgedanken
in Theologie und Predigt. Göttingen: Vandenhoeck &
Ruprecht 1932. (120 S.) gr. 8° = Stud. z. systemat. Theologie, hrsg
v. A. Titius u. G. Wobbermin, H. 9. jj^ 5 g0°

schichte der Universität Göttingen von besonderem j Daß zum Verständnis Schleiermachers die Predigten
werte, daß unter den ihr voraufgehenden „Vorarbeiten" j heranzuziehen sind, ja zur Korrektur z. B. der einseirioen
auch diese Briefe an Ewald veröffentlicht sind, die von i Darstellung des Verhältnisses von Religion und Sittlich-

Bollensen, Bopp, Burnouf, v. d. Gabelentz, Gildemeister,
J- Grimm, Haug, Lagarde, Lassen, Max Müller, Neumann
, K. u. Th. Nöldeke sowie von Roth herrühren.
Wir tun hier einen Blick in die entscheidenden Entwicklungsjahre
der deutschen Orientalistik, in denen sie sich

keit in den „Reden über die Religion" berücksichtigt werden
müssen, hatte schon Dilthey 1870 gezeigt In
besonders hohem Maße hatte der Referent in seiner
Darstellung der „religiösen Entwicklung Schl.s" 1915 die
Predigten herangezogen. Der einzige, der die Berück-

in steigendem Maße von der alttestamentlichen Wissen- j sichtigung der Predigten noch beharrlich verweigert ist

Schaft löste, verselbständigte und zugleich spezialisierte; i E. Brun ner. Doch muß dieser notgedrungen zugeben ■

jene Periode, die sich vor allem in dem Auseinanderstre- „Das Bild des Mannes Schi, wird allerdings durch diese

°en der Schüler Ewalds spiegelt, während der Mei- j Weglassung einseitig und insofern unrichtW Das müs-

ster selbst bemüht war, Indologie und Semitistik so zu j sen wir in Kauf nehmen". („Die Mystik usw " 19282 S

verbinden, daß er „freilich ohne dauernden Ertrag, be- i 366.) Richtiger wäre die Folgerung- Eine solche Un-

müht (war), seine indische Gelehrsamkeit für die semi- j richtigkeit und Ungerechtigkeit dürfen wir nicht begehen

«sehe Sprachwissenschaft dienstbar zu machen" (Brockel- — Schmiechen kennt das Buch des Referenten nicht

mann, ZDMG. 1922, 7). Es ist zugleich die Periode, kommt aber in erfreulicher Weise in allen Hauptpunkten