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Ausgabe:

1932 Nr. 13

Spalte:

304-305

Autor/Hrsg.:

Jhle, Alexander

Titel/Untertitel:

Christoph Meiners und die Völkerkunde 1932

Rezensent:

Merkel, Franz Rudolf

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Theologische Literaturzeitung 1932 Nr. 13.

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seine umfangreiche Einleitung dem Verständnis erschlossen
wird. Von den Basler und Züricher Vorbildern
nicht ganz unabhängig, wie bei den damals engen Beziehungen
zu diesen Städten fast selbstverständlich ist,
zeigt die Konstanzer Zuchtordnung doch einen durchaus
selbständigen Charakter in der Verbindung einer nur geringen
Zahl kirchlicher Verordnungen, die sich im Wesentlichen
auf große Richtlinien beschränken, mit zahlreichen
, ausführlichen Sittengeboten für das praktische
Leben. Die für die Konstanzer Reformatoren bezeichnende
Auffassung, daß die Liebe der Lehre vorangehen
müsse, hat der Zuchtordnung ihren Stempel aufgeprägt.
Ambrosius Blarer war wohl der führende Geist bei
ihrer Ausgestaltung. Daß die Durchführung der Ordnung
auf Schwierigkeiten stieß, lag hauptsächlich an
mangelnder Berücksichtigung der Anforderungen des
wirklichen Lebens. Zwischen politischem und kirchlichem
hatte man, ganz von dem herrschenden Gedanken der
christlichen Liebe beseelt, keinen Unterschied gemacht.
Spätere Versuche, diesen Mangel zu beheben und eine
neue, allen Ansprüchen genügende Form zu finden, erregten
Zwiespalt in Rat und Bürgerschaft und waren
dadurch zum Scheitern verurteilt. Niemals ganz verwirklicht
, ist die Zuchtordnung nach dem Übergang der
Stadt an das Haus Habsburg alsbald aufgehoben worden
. Sie ist weniger ein Denkmal dessen, was die Männer
der Reformation in Konstanz erreicht, als dessen, was sie
gewollt haben und als solches darf sie die Beachtung beanspruchen
, die in der Veranstaltung einer besonderen Ausgabe
zum Ausdruck kommt. In einem Anhang bringt
der Hsg. noch eine Reihe von Aktenstücken zum Abdruck
, die den Anteil des Konrad Zwick an der Durchführung
der Zuchtordnung erhellen und überhaupt für
das Verständnis seiner Persönlichkeit von wesentlicher
Bedeutung sind. Es wäre zu begrüßen, wenn Hauß
seiner Ausgabe eine Biographie der Brüder Zwick folgen
lassen würde, die bisher neben dem — freilich bedeutender
hervortretenden — Blarerschen Brüderpaar etwas
zu sehr in den Hintergrund gedrängt worden sind.
Karlsruhe. M. Krebs.

Koch, L. J.: Salmedigteren Brorson. En Mindebog til Tohundred-
aaret for hans Julesalmer. Kopenhagen: O. Lohse 1931. (320 S.) 8°.
Vor zweihundert Jahren, kurz vor Weihnachten
1732 gab Hans Adolf Brorson in der Stadt Tondern ein
kleines Heft dänischer Weihnachtslieder heraus, offenbar
angeregt durch das große Tonderische Gesangbuch des
Pröpsten Schräder, das ein Jahr vorher erschienen war.
Das vorliegende Buch des Rektors der Kopenhagener
Diakonissenanstalt ist durch das bevorstehende Jubiläum
des ersten kleinen Liederbuches des dänischen
Kirchenliederdichters veranlaßt, aber es ist mehr als ein
bloßes Jubiläumsbuch, das etwa die Ergebnisse der bisherigen
Forschung in gefälliger Form zusammenstellte
— dann würde davon an dieser Stelle nicht zu sprechen
sein. Schon 1918 hatte Koch ein Buch über Brorson
geschrieben, das neue Werk beruht völlig auf selbständigen
Forschungen. Es gelang Koch, in den reichen Handschriftensammlungen
der kgl. Bibliothek in Kopenhagen
eine bisher merkwürdiger Weise völlig übersehene Vita
Brorsons zu finden, die sich als Abschrift einer Autobiographie
, welche bei der Einsetzung als Bischof in
Ripen verlesen wurde, erweist. Ein wertvoller Fund, der
vielfach das bisherige Bild vom Lebensgange Brorsons
verändert! Auch sonst hat der kritische Sinn des Verfassers
in glücklicher Weise zu manchen neuen Erkenntnissen
geführt. Namentlich auf das Verhältnis zu der
sich ausbreitenden Brüdergemeinde S. 120 ff. sei hingewiesen
. Koch wundert sich S. 126, daß Kastrup in
Stepping trotz Herrenhutischer Neigungen unangefochten
blieb; der Generalsuperintendent Conradi hielt die Hand
über ihn.

Zwei Drittel des Buches sind der Biographie gewidmet
, ein Drittel den Kirchenliedern, deren religiöser
Gehalt klargelegt wird.

Leider fehlt ein Register; hätte Koch das Inhaltsverzeichnis
auf die Rückseite des Titelblattes setzen
lassen und das für die meisten Leser unwichtige, für die
übrigen unnötige Literaturverzeichnis S. 228—229 fortgelassen
, so hätte ohne Papiervergeudung ein Verzeichnis
der Personen- und Ortsnamen hinzugefügt werden
können. — Der Verleger hat eine Anzahl Bilder beigegeben
, statt der zwei von der Kirche im Lügumkloster

: (S- 43, 45) hätte man lieber Kirche und Schloß in

I Lügumkloster gesehen.

Hadersleben. Th. O. A c h e 1 i s.

Hauptmann, Hans: Erneuerung aus Blut und Boden. Die

Lappo-Bewegung der finnischen Bauernschaft, ein Weg z. Befreiung
vom Bolschewismus. München : J. F. Lehmann 1932. (76 S.) 8°. RM 1.80.
Über die evangelisch-christlichen Grundlagen der Lappobewegung
hat der Referent unter Anführung von Quellen gehandelt in der Allg.
Ev. Luth. Kirchenzeitung 1931, Nr. 38, Sp. 904 — 907. Daß die Lappo-
| bewegung in erster Linie eine kirchliche war, ist seitdem immer mehr
erkannt. Die finnische Landeskirche hat diese Bewegung tragen können,
weil sie eine wahrhafte Volkskirche ist, weil die Verbindung von Staat
und Kirche nicht äußerlich und lediglich juristisch, sondern völkisch ist.
Die Broschüre Hauptmanns bringt den Kern der Lappobewegung auch
anderen wie kirchlichen Kreisen nahe, ohne auf eine freilich nicht ganz
nachdrückliche Darstellung der kirchlichen Grundlage zu verzichten. Unzweifelhaft
hat die Lappobewegung die Wege nationaler Selbsthilfe in
Finnland gezeigt: sie könnte Vorbild sein. Aber die Ereignisse dieser
Tage machen bedenklich, denn man kann nicht bei jeder Gelegenheit
Revolution spielen und man kann nicht fortwährend die Kirche als vornehmsten
Faktor in die politischen Auseinandersetzungen einsetzen.
Die Kirche ist nicht gleich bei jeder parteipolitischen Änderung der
Regierung in Gefahr, auch wenn die Regierung einmal nicht kirchenfreundlich
ist. So wie der Ton der Hauptmannschen Broschüre, die
sachlich durchaus richtig und berechtigt ist, übertrieben und gewaltsam
anmutet, so sehr wird durch die Ereignisse unserer Tage in Finnland —
Anfang März 1932 — dargetan, daß man in nationalen Forderungen
Maß halten muß und den Blick für das Erreichbare nicht verlieren darf.
In beider Hinsicht lassen es aber sowohl die Lappobewegung wie die
Ausführungen Hauptmanns fehlen. Bezeichnend ist, daß eine der Lappobewegung
freundliche Regierung die Lappoorganisation jetzt auflösen
mußte.

Leipzig. Otto Lerche.

Bibl, Viktor: Lügen der Geschichte. Hellerau: Avalun-Verlag
[1931]. (311 S.) 8°. RM 5.50; geb. 6.50.

Wenn von Lügen der Geschichte die Rede ist, denkt man an große

| geschichtliche Schau. Was ist um die Päpste, was um Luther herum
gelogen! Döllingers Papstfabeln und die ganze Lutherliteratur könnten
da immer wieder ergänzt werden. In dieser Hinsicht enttäuscht das Buch
Bibls sehr. Das Mittelalter ist mit wenigen Seiten abgemacht und auch
Stoffe wie Bonifaz VIII. laden nicht zum längeren Verweilen ein. Die

I wenigen Proben aus der Lüge um Luther bereichern das Bild nicht.

| Was uns in diesem Jahre besonders interessiert, die Gestalt Gustav Adolfs,
auch das wird kaum berührt. Wer nicht a priori weiss, was von der
nachschaffenden Fama aus dem Schwedenkönig gemacht ist, der wird
durch Bibls Ausführungen nicht in der einen oder anderen Richtung
eines Besseren belehrt. Das Buch ist im Wesentlichen (d. h. zur Hälfte)
den Problemen des Weltkriegs gewidmet. Probe: „In dem viel bespöt-

j telten Ausruf, den der Abgeordnete Scheidemann an dem Schicksalstage
9.November 1918 vor einer tausendköpfigen Menge tat ,Das deutsche
Volk hat auf der ganzen Linie gesiegt!', liegt doch etwas rührend-schönes:
der Glaube an die Vernunft und Logik der Geschichte, das Vertrauen
auf die Gerechtigkeit und Weisheit der Sieger über ein unbesiegtes Heer."
Leipzig. Otto Lerche.

Jhle, Alexander: Christoph Meiners und die Völkerkunde.

Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 1931. (152 S. m. 1 Bildn.)
gr. 8°. RM 8.50.

Die vorliegende Schrift ist als 9. Heft der vom Universitätsbund
Göttingen herausgegebenen „Vorarbeiten
zur Geschichte der Göttinger Universität und Bibliothek
" erschienen und darf in dieser Form als ein beachtlicher
Beitrag zur Geschichte des völkerkundlichen Studiums
an einer deutschen Universität um 1800 ange-
j sehen werden. Die Arbeit hat aber auch insofern weiter-
! gehende Bedeutung, als sie sich mit einem Gelehrten
! beschäftigt, der trotz staunenswerter literarischer Pro-
| duktionskraft und ungewöhnlicher Vielseitigkeit von der
| Forschung bisher kaum gewürdigt wurde. Chr. Meiners
| galt eben als der „Typus des wenig originellen Viel-