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Ausgabe:

1932 Nr. 13

Spalte:

297-299

Autor/Hrsg.:

Fritsch, Erdmann

Titel/Untertitel:

Islam und Christentum im Mittelalter 1932

Rezensent:

Hartmann, Richard

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Theologische Literaturzeitung 1932 Nr. 13.

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inhaltlose Wendung: „Mit diesem letzten Zeugnis sind
wir bereits an der Schwelle einer neuen Zeit angelangt",
und ein paar Zeilen später macht der Verf. darauf aufmerksam
, daß er nun „den Schritt ins eigentliche Mittelalter
hinein" tue. Hier ist verkannt, daß die auch im
Titel der Schrift benutzten Wendungen „altkirchlich"
und „frühmittelalterlich" Beziehungsbegriffe sind, die
man sinnvoll nur anwenden kann, wenn zwei große
historische Komplexe konstruiert und gegeneinander abgegrenzt
werden, was vornehmlich bei geistesgeschichtlicher
Betrachtung der großen Kulturphasen der Fall
sein wird. Sonst haben die Kategorien Altertum, Frühmittelalter
usw. keine Berechtigung, vor allem nicht
innerhalb einer Monographie, die gerade den Zusammenhang
verschiedener zwischen 400 und 700 auftauchender
Erscheinungen zeigen will; hier sind sie volle metabasis
eis allo genos, störendes Beiwerk, das einer ganz anderen
als in dieser Monographie befolgten Gedankenstruktur
entstammt und das man einfach wegdenken muß, wenn
man die Wirklichkeit sehen will. Die historische Einzelarbeit
an Größen zwischen 400 und 700 zeigt nirgends
einen solchen Einschnitt, eine solche „Schwelle einer
neuen Zeit", sondern, wie bei jeder anderen geschichtlichen
Periode, den durchgängigen, fortgesetzt sich vollziehenden
, unaufhaltsamen Wandel, Fluß und Übergang
zu neuem.

Im Schlußsatz (S. 31) nennt der Verf. die asketische
Heimatlosigkeit, der er so viel Fleiß gewidmet hat, „eine
zwar großartige und furchtbare, aber im Grunde doch
dämonische und verzweifelte Verzerrung dessen, was
christlich ist". Nun ist es gewiß richtig, daß die mönchische
Xeniteia eine Vereinseitigung des genuin Christlichen
darstellt. Ich möchte aber wissen, was aus der
Disziplin der Kirchengeschichte werden würde, wenn
man konsequent alle Erscheinungen, die einer ähnlichen
Bewertung unterliegen müssen, als „dämonisch" bezeichnen
wollte. Jene Erscheinungen sind nicht „dämonisch";
sie stellen vielmehr dar, was der tiefsten Frömmigkeit
jener Zeit möglich und gemäß war. Geschichtlich denken
heißt relativ denken.

Den Erörterungen auf S. 3f wäre eine konkretere Fassung mit
Quellenbegründung zu geben. Unerfindlich bleibt, zumal bei Berücksichtigung
der vom Verf. gemachten Einschränkung, welcher „geschichtliche
Zusammenhang" zwischen den Reisen der Apostel und der mönchischen
Wanderaskese bestehen soll (S. 5). Die Zitate in den Anm. 13,
!&, 17, 19 erschweren die Nachprüfung, da der Verf. den Fundort bei
Migne nicht nennt. Warum schreibt er durchgängig Skethis (mit th)?
Desgleichen (S. 9) Thithoe (statt Tithoe, PO 65, 428)? Warum nennt
er Nilus „den Weisen" (S. 9)? Woher weiß er, daß der Traktat Ad
Eulogium "ihm angehört? Warum wird die Behauptung der steigenden
Häufigkeit des Namens Peregrinus im 5. Jahrhundert nicht begründet?
(S. 15). Der Satz, die inclusio sei im Abendland selten vorgekommen
(S. 18), steht zu unserm bisherigen Wissen in Widerspruch; das Inklu-
sentum scheint danach in Gallien im 6. Jahrh. weit verbreitet gewesen
zu sein (R Es IX, 97). Ist wirklich anzunehmen, daß die irischen Zwölfer-
ffuppen Christus und seinen elf Jüngern entsprechen sollten (S. 20)
und nicht vielmehr einfach den Zwölf) ?
Jena. Karl Heussi.

Fritsch, Dr. Erdmann: Islam und Christentum im Mittelalter.

Beiträge z. Geschichte der muslimischen Polemik gegen das Christentum
in arabischer Sprache. Breslau: Müller & Seiffert 1930. (VII,
157 S.) gr. 8°. = Breslauer Stud. z. hist. Theologie, hrsg. v. H. Seppelt,
F.Maier, B. Altaner, Bd. 17. RM 8-.

Es ist merkwürdig, daß die mittelalterliche Polemik
des Islam gegen das Christentum im Grunde bisher so
wenig Beachtung gefunden hat. Wohl ist durch bibliographische
u. ä. Arbeiten auf diese Literatur gelegentlich
hingewiesen, auch sind vereinzelte Schriften polemischen
Charakters untersucht worden. Aber der Versuch einer
einigermaßen erschöpfenden zusammenhangenden Behandlung
des Gegenstandes aus neuerer Zeit fehlte. So
ist die auf eine Anregung C. Brockelmanns zurückgehende
Wahl des Themas für die vorliegende Dissertation
von E. Fritsch durchaus glücklich zu nennen.

Fritsch hat neben dem meist im Orient gedruckten
"nd nicht überall zugänglichen bereits vorliegenden Material
auch mehrere nur handschriftlich erhaltene Texte
benützt. Und wenn er auch — durchaus mit Recht —
nicht den Ehrgeiz hatte, restlos alle etwa vorhandenen
polemischen Schriften zu erfassen, so hat er doch 13
verschiedene Autoren seiner Arbeit zugrundegelegt. Diese
j 13 reichen zweifellos vollkommen aus, um ein ziemlich
geschlossenes, abgerundetes Bild zu geben, zumal die
Texte außerordentlich verschiedenen Charakter tragen.
Unter den Autoren sind jüdische und christliche Konvertiten
vertreten neben geborenen Muslimen; der mu'tazili-
tische schöngeistige Literat Dschahiz steht neben den
hochangesehenen strenggläubigen Theologen Ibn Hazm
und Ibn Taimlja, der sunnitische Sufl neben dem zaiditi-
schen Schi'iten. Die Schriften selbst sind teils rein apo-
; logetisch, teils ausgesprochen polemisch: wir haben wirk-
i liehe Bekehrungsschriften oder Rechtfertigungen des
Übertritts neben streng akademischen Abhandlungen aus
religionsgeschichtlichem Interesse, gelehrte Widerlegun-
| gen uns bekannter christlicher Polemiken neben fanati-
1 sehen Hetzschriften. Bemerkenswert ist dabei, daß bei
einem Vergleich der verschiedenen Leistungen weder der
berühmte Dschähiz, dessen polemische Schrift übri-
( gens inzwischen von O. R(escher), Excerpte und Übersetzungen
aus den Schriften des . . . Gähiz, I (Stuttgart
i 1931), S. 40 ff. ins Deutsche übertragen ist, am besten
abschneidet noch die großen Theologen. Am meisten
beachtenswert erscheint vielmehr auf der einen Seite die
J um 855 entstandene Schrift des vom Christentum übergetretenen
Arztes 'All b. Rabban at-Tabarl, deren Echtheit
' zwar von Bouyges fanatisch bestritten, aber von Fritsch
trotzdem angenommen, jetzt vollends nach der Unter-
j suchung von D. S. Margoliouth, On the Book of Reli-
j gion and Empire (London 1930) sehr wahrscheinlich ist:
für die weitere Entwicklung dürfte seine Arbeit beson-
! ders dadurch von Bedeutung geworden sein, daß sie der
Polemik der Muslime die große Masse ihrer Bibelzitate
i geliefert hat. Auf der anderen Seite bezeichnet Fritsch
als „die beste apologetische Leistung des Islam" die
Schrift des ägyptischen Faqlh al-Qarafi (gest. 1285),
deren „Niveau . . . trotz seiner populären Absicht für
jene Zeit anerkennenswert" sei (S. 22); seine Bibel-
i kenntnisse nennt Fritsch „gut fundiert", seinen Ton
j „frei von Gemeinheit".

Fritsch erledigt sich seiner Aufgabe in der Weise,
' daß er zunächst die polemischen Schriften, die er be-
. nützt, mit den nötigen Angaben über den Autor und
j kurzer Charakterisierung in chronologischer Ordnung
vorführt (S. 4—38) und dann systematisch die einzelnen
Kontroversgegenstände behandelt (S. 39—150), was
in der Tat dadurch geboten erscheint, daß bei allem
I Unterschied der zeitlichen und räumlichen Bedingtheit
I und des Niveaus doch eine weitgehende Gleichmäßigkeit
in der Art der Polemik vorliegt. Es ist selbstverständ-
i lieh, daß unter den dogmatischen Streitpunkten die Trini-
] tätslehre und die Christologie voranstehen, und nicht
i anders zu erwarten, als daß die sittlichen Schwächen
einzelner Christen gerne herbeigezogen werden, genau so
wie wir ja umgekehrt bis in die Gegenwart herein bei
christlicher Polemik gegen den Islam gewohnt sind, daß
j sie die Praxis im Islam mit der Theorie des Christen-
, tums vergleicht. Uns Heutigen wird bei der Lektüre von
Fritschs Arbeit sehr verständlich, daß diese Polemik
wohl ebensowenig wie die antiislamische der Christen
in die wir ja hier auch einen tiefen Blick tun, je einen
Andersgläubigen zum Übertritt bewogen haben dürfte.

Fritsch sucht zuerst nach dem leitenden Gesichtspunkt
der „Vorstellung vom Verhältnis zum Christentum
im Allgemeinen" (S. 39—54) und stellt als solchen „das
i Dogma von der Verfälschung des Christentums" heraus.

Daß dieser Gesichtspunkt den Grundton der ganzen
f Polemik bestimmt, ist zweifellos richtig. Nur scheint er
: mir zu sehr formaler Art, um so als Leitgedanke vorausgestellt
werden zu können. Er kennzeichnet die Methode
der islamischen Polemik, nicht aber das Wesen