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Ausgabe:

1932 Nr. 13

Spalte:

295-297

Autor/Hrsg.:

Campenhausen, Hans Frhr. von

Titel/Untertitel:

Die asketische Heimatlosigkeit im altkirchlichen und frühmittelalterlichen Mönchtum 1932

Rezensent:

Heussi, Karl

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Theologische Literaturzeitung 1932 Nr. 13.

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Wort von der Gottverlassenheit nicht hat, obwohl er Der Verf. verfolgt die asketische Lebensform der

sonst sagt, was L. „entfernt". Auch S. 448 bleibt Sch. 1 Xeniteia (peregrinatio) von ihrem ersten Hervortreten

einfach bei dem stehen, was „der neue Erzähler", d. h. j bis zu den Scoti peregrinantes und den Zeiten des Boni-

der von Sch. angenommene „3. Evangelist", erzählt, j fatius und sucht zu zeigen, wie hier ein großer, die

Hat ein wissenschaftlicher Kommentar, zumal, wenn er ; Jahrhunderte überspannender und Ost und West zusam-

die verschiedenen Berichte, die wir haben, vergleicht, menschließender Zusammenhang besteht. Die Unter-

nicht die Aufgabe, der Gemeinde in ihren historischen j suchung hat ihre Achse an der, wie der Verf. S. 17

Fragen zu helfen? — Daß L. die Heilung des Blinden meint, „schlagenden" Übereinstimmung der irischen pe-

von Jericho so gibt S. 115 f., daß dabei eine „neue : regrinatio mit der altkirchlichen; er spricht von dem

Fassung des Markus" herauskommt, ist richtig. Mt. mit „unmittelbaren Vorbild des Ostens und seiner Xeniteia"

seinen 2 Blinden kann hier von L. abgelehnt sein. Er
schloß sich an Mk. an. Sch. gibt hier zu L. sowohl rabb.
als aus Jos. griechisches Material. Er deutet an, daß L

für die Iren (S. 19). Ohne Frage hat der Verf. mit seiner
Untersuchung über die asketische Heimatlosigkeit ein
wirkliches Problem in Angriff genommen, und ebenso

auch hier, wie sonst, die paläst. Färbung des Mk. etwas ! fraglos hat er es auch gefördert. Die Abhandlung zeugt
abstreift. Sch. hätte noch sagen sollen, wo und ob L. ; von einem ernsten und ausgebreiteten Quellenstudium
verdeutlicht, kürzt, synonyme Ausdrücke wählt, am j und steuert zur Geschichte der Askese eine Menge interSchluß
mehr hat als Mk. und warum. Eine ganze Reihe essanter Einzelheiten bei. Wesentliche Fragen harren
von Fragen, die die historische Forschung stellt, bleiben ' aber m. E. auch nach dieser Arbeit noch der Lösung,
bei Sch. unerwähnt. Bultmann, Dibelius, Klostermann , So bedarf der Begriff der Xeniteia, so dankenswert das
usw. erörtern sie mit Recht, und für die Kirche der ! ist, was der Verf. dazu ausführt, doch noch einer
Gegenwart sind sie doch außerdem gerade besonders schärferen Fassung und weiteren Klärung. Verstanden
wichtig. I die ägyptischen Mönche, deren Gedankenwelt die Apoph-

Leipzig. Paul Fiebig. i thegmata patrum widerspiegeln, unter der Xeniteia das

Li et z mann, Prof. D. Hans: An die Korinther I. II. Erklärt. 1 Verlassen des Heimatorte s oder des Heimatlandes?
3.Aufl. Tübingen: j. C. B. Mohr 1931 (Ii, 164 s.) gr. 8°. = Hand- , Und wenn das Zweite der Fall oder auch der Fall
buch zum Neuen Testament in Verbindg. m. a. hrsg. v. H. Lietzmann, ' war, kam dies Auswandern in fremde Lander bei ihnen
9. rm 5.40; geb. 6.75. ; wirklich häufig vor und wie lange ist es im Osten nach-

Seit dem Erscheinen der zweiten Auflage dieses Korn- weisbar? Und woher haben die Mönche des Apophtheg-
mentars sind acht Jahre verflossen. Von der Weiterarbeit menkreises den Begriff der Xeniteia erhalten? Auch da-
des Verfassers an den Problemen der Korintherbriefe legt ; von verrät uns der Verf., obwohl es sich feststellen laßt,
die vorliegende dritte Auflage Zeugnis ab. Manches Ent- , nichts, und doch kann man ohne diese Feststellung z. B.
behrliche ist hier gestrichen, manches Wichtige ausführ- | nicht den richtigen Maßstab für diesen Begriff gewinnen,
licher dargelegt bzw. straffer gefaßt, manches ist neu [ ja nicht einmal verstehen, woher die Unsicherheit stammt,
hinzugetreten. Die wichtigsten Änderungen finden sich ) mit der er für jene Mönche belastet war (vgl. z. B.
im 11. Kapitel des ersten Briefes, bei dessen Exegese 1 PQ- °5, 373 B). Und weiter. Gewiß besteht die Moghch-
der Verf. seine Untersuchungen über „Messe und Herren- ! keit, daß die peregrinatio der Iren durch irgendwelche
mahl" (1926) heranziehen konnte (vgl. auch zu II K. unmittelbare Einwirkungen des Ostens teilweise oder
13, 12 f.). Auch die in den vergangenen Jahren er- 1 ausschließlich angeregt worden ist. Ich vermag aber
schienenen Arbeiten anderer Gelehrter sind verwertet; nlcht zu sehen» daß das mehr als eine Möglichkeit ist.
zu II. Kor. ist vor allem auf den Kommentar von Win- ! Daß die irische Xeniteia nicht eine einfache Wieder-
disch (1924) zu verweisen. Gegen Windisch hält L. i nolung der orientalischen ist, sondern spezifisch irische
jedoch an der Einheitlichkeit des II. Kor. fest; die j Zuge aufweist, arbeitet der Verf. selber mit aller Deut-
.Vierkapitelbrief'-Hypothese scheint ihm nicht genügend ! uchkeit heraus (S. 19 f.); warum sie da nicht ebenso
motiviert (siehe zu 10, 1 und 12, 18); auch die von gut wie durch den Osten durch die Kunde von den Aske-
Windisch empfohlene Trennung von Kap. 8 und 9 lehnt *en auf den dalmatinischen, italischen und gallischen
er ab: „damit werden mehr Schwierigkeiten aufgeworfen : Inseln oder im Abendland umlaufende mönchische Lite-
als gelöst". — Als Unterschied zur zweiten Auflage darf ratur angeregt werden konnte, ist schwer einzusehen,
ich vielleicht notieren, daß verschiedentlich die Folge- D>e Apophthegmenliteratur und andere mönchische
rungen aus religionsgeschichtlichen Analogien modifiziert > Schriften waren im 6. Jahrhundert auch im Abendlande
sind. So fällt es auf, daß im — sachlich unveränderten i weit verbreitet; die beiden uns bekannten kleineren la-
— Exkurs zu I. Kor. 10,21 (Kultmahle) der folgende teinischen Rezensionen der Apophthegmen setzt Bousset
Satz aus der zweiten Auflage fehlt: „Wer religionsge- (Apophth. patr., 1923, S. 69«) um 500. Viel wichtiger als
schichtlich zu denken gelernt hat, wird hier ebenso wie ; die Frage, auf welchem Wege der Begriff der Xeniteia
bei der Taufe . . . das Eindringen hellenistischer Mystik i zu den Iren gelangt ist, erscheint mir das Problem, aus
in das Heidenchristentum für wahrscheinlich halten". welcher konkreten Situation in Irland selber das Ein-
Ferner heißt es im Exkurs zu I. Kor. 15, 45 ff. nicht • setzen des radikalen irischen Asketismus zu verstehen
mehr: „Eingehend hat . . . Reitzenstein dies Problem be- lst- Es gl!t hier das si duo faciunt idem, non est idem.
handelt ... und den Zusammenhang mit iranischen Die Xeniteia ägyptischer Mönche um 400 war ihren
... Vorstellungen aufgezeigt", sondern „. . . und soziologischen Beziehungen nach gewiß etwas völlig
Zusammenhang mit iranischen . . . Vorstellungen ver- anderes als die peregrinatio der Iren von 650, schon um
mute t". — Aber trotz dieser Modifikationen hat der der verschiedenen kulturellen Hohe der beiden Länder
Kommentar aufs Ganze gesehen seinen Charakter kei- j willen. Eine Würdigung der Xeniteia als soziologischer
neswegs verändert. Nach wie vor ermöglicht er an I Lebensform hatte Ähnlichkeit und Unterschiede der ägyp-
allen wichtigen Stellen einen Vergleich mit den religiösen tischen und der irischen Xeniteia verdeutlichen helfen.
Vorstellungen und Gebräuchen der Umwelt. Gerade Auf d,ese Seite des Problems geht der Verf. nicht ein.
darin liegt einer seiner wesentlichsten Vorzüge. — Aber Ebenso wäre eine Heranziehung der Religionspsycho-
auch für alles übrige müssen wir dem Verfasser danken, i loSie v°n Interesse gewesen.

Der Kommentar ist ein unbedingt sicherer Führer zum Hauptanliegen des Verf.s ist, wie ich hervorhob, der

Verständnis der Korintherbriefe. Aufweis des Zusammenhangs zwischen der irischen und

Göttingen.____h. Seesemann. i der älteren Xeniteia. Umso merkwürdiger, daß er die

Campe nhaiTsTn, Hans Frhr. von: Die asketischeiiteuTmtlo: j künstlich ge schaffen« Barriere zwischen Altertum" und
sigkeit im altkirchlichen u. frühmittelalterlichen Mönchturn. „Fruhmittelalter" m seine Darlegung hineinbringt, als
Tübingen: J. C. B.Mohr 1930. (31 S.) gr. 8°. = Sammig. gemein- ot> diese Barriere objektiv vorhanden und für jede die
verständl. Vortr. u. Schriften a. d. Gebiet d. Theologie u. Religionsgesch., j Zeit zwischen 400 und 700 behandelnde geschichtliche
149. rm 1.80; in Subskr. 1.50. Betrachtung unumgänglich wäre. S. 15 lesen wir die