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Ausgabe:

1932 Nr. 13

Spalte:

293

Autor/Hrsg.:

Vannutelli, Primus

Titel/Untertitel:

Libri synoptici Veteris Testamenti seu librorum Regum et Chronicorum loci paralleli quos hebraice, graece et latine critice edidit. Tomus prior 1932

Rezensent:

Möhle, A.

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293

Theologische Literaturzeitung 1932 Nr. 13.

294

was H. nicht beachtet hat, die Sache oft einfach
so zu liegen, daß die Haltung des Trauernden bewußt
einen Gegensatz bilden soll zu der des festfeiernden
Menschen (vgl. besonders Jes. 3, 24 22, 12;
das Fasten, das häßliche Gewand, Asche auf dem Haupt,
Verzicht auf Salbung usw.; auch daß der Priester nicht
trauern darf, gehört hierher). — Die Einteilung ergibt
sich nach sachlichen Gesichtspunkten: Trauertracht,
Staub und Asche, Behandlung des Haupthaars und
Bartes usw. — Das zweite Heft spricht zunächst über
Sänger, Ort, Zeit und Vortrag der Totenklage allgemein,
wird aber zur weitaus größeren Hälfte ausgefüllt durch
eine ziemlich breite Darlegung der alttestamentlichen
Texte, die den Stil der Totenklage haben: der davidischen
Klagelieder um Abner und Saul-Jonathan sowie
der bei den Propheten verwendeten Klagelieder, wobei
Threni (vom Verf. ganz oder teilweise für jeremianisch
gehalten) und Ezechiel (19, 27, 32) besonders hervorgehoben
werden. Jes. 1, 21 ff. hat sich der Verf. dabei
entgehen lassen; bei Jeremia beschränkt er sich lediglich
auf Kap. 9; vor allem vermißt man eine Erörterung
über den Übergang von der Totenklage zur Klage allgemein
(das Klagelied bei Jeremia und in den Psalmen,
die überhaupt nicht berücksichtigt werden!). So läßt das
zweite Heft, was sein alttestamentliches Material anbelangt
, unbefriedigt Sein Verdienst ist, daß in den
vom Verf. behandelten Texten immer die Motive und
und Komponenten der Totenklage kenntlich gemacht
und durch Parallelstellen vor allem aus dem heutigen
Orient bestätigt werden.
Marburg Lahn. H. W. Hertzberg.

Vannutelli, Primus: Libri synoptici Veteris Testamenti

seu librorum Regum et Chronicoruin loci paralleli quos hebraice
graece et latine critice edidit. Tomus prior. Rom: Pontificio Institute
Biblico 1031. (VIII, 337 S.) 4°. L. 95—.

Vannutelli bietet den hebräischen und griechischen
Text der Parallelstellen der Samuel- und Königsbücher
und der Chronik in so übersichtlicher Weise neben einander
, daß die Vergleichung der verschiedenen Texte
außerordentlich erleichtert ist. Doch hat der Benutzer
zu beachten, daß der dargebotene griechische Text nicht
der älteste erreichbare ist, sondern einfach der des Codex
Vaticanus nach Swetes Ausgabe. Es müssen deshalb
ständig die kritischen Apparate verglichen werden, die
V. auf Grund der Ausgaben von Brooke-M'Lean, Hol-
mes-Parsons, Swete usw. zusammengestellt hat. Diese
Apparate sind hier viel übersichtlicher als in den früheren
Ausgaben, weil V. die zahlreichen Hss. der hexa-
plarischen, der lukianischen und einer jüngeren Rezension
nach Rahlfs' Vorbilde unter den Sigeln O, L und
R zusammengefaßt hat. Den Abdruck des hebräischen
und des griechischen Textes von IL Sam. XXIV und
der von Brooke-M'Lean zu II. Sam. XXIV 1—5 gebotenen
Varianten fand ich, abgesehen von der falschen
Setzung eines diakritischen Punktes, fehlerfrei und vollständig
. Dagegen hat V. im Apparat bei Varianten, die
von vielen Hss! bezeugt sind, häufig einzelne Hss. übersehen
oder fälschlich notiert; allein zu II. Sam. XXIV, 1
fand ich 4 solche Fehler. Unter den hebräischen Texten
sind die parallelen Stellen der Vulgata und des Josephus
Flavius abgedruckt.
Göttingen. A. Möhle.

Schlatter, D. A.: Das Evangelium des Lukas aus seinen
Quellen erklärt. Stuttgart: Calwer Vereinsbuchhdlg. 1931. (722 S.)
8°. RM 18 - ; geb. 23—.

Schi, hat nun nur noch den Kommentar zu Markus
vorzulegen, um sein Evangelienwerk abzuschließen. Für
Lukas bietet er nicht eine fortlaufende Erklärung, sondern
erläutert 1. diejenigen Abschnitte, in denen sich
Lukas an Markus anschließt, 2. dann diejenigen Stücke,
die von Schi, auf einen „dritten Evangelisten" zurückgeführt
werden, 3. diejenigen Abschnitte, in denen Lk. mit
Mt. übereinstimmt. S. 476 gibt Schi, zu, daß auf diese
Weise auch nicht alles erklärt wird, „wir übersehen ja

nur einen ganz kleinen Teil der Faktoren, die auf die
Gestaltung des Textes, den L. uns gibt, einwirkten". Die
Freiheiten ursprünglich mündlicher — sowohl griechischer
, als hebräisch-aramäischer — Überlieferung sind
durchgängig vor allem in Rechnung zu stellen. Außerdem
ist zwar Schl.s sprachliche Einzelarbeit sowohl hinsichtlich
der „palästinischen", d. h. rabbinisch-semiti-
sehen, Verwurzelung, als hinsichtlich der Sprache des
Josefus echte Forscherarbeit, aber Sch. stellt alles zu
sehr auf Redewendungen und Vokabeln ab und läßt das
Problem der Gattungen, des Lukas als eines antiken
Historikers, der „Formgeschichte", das historische Pro-
; blem am Wege liegen. Man hat L. und seine Kirche,
i seine Sprache und seine Quellen und deren Sprache, man
I hat Tendenzen in der Hand und Gedanken der Quellen
: und des L., aber: Wie steht es nun in alledem mit Jesus
selber? Mit Recht hebt Sch. hervor, daß L. mehrfach
J die „palästinische" Färbung abschwächt und abstreift
' und daß diese das Ursprüngliche ist, anderseits, daß
| diese Färbung auch bei L. oft deutlich sichtbar ist. Wie
i in sonstiger Traditionsliteratur, die auf ursprünglich
1 mündlicher Überlieferung ruht, vor allem der rabbini-
! sehen, steht man auch bei L. vor einem komplizierten
Tatbestand, für dessen Erklärung Ursprung der Tradi-
I tionen, geschichtliche Tatsächlichkeit, Autor, Tradenten,
, Publikum, mündliche und schriftliche Quellen, Jesus
| selber, Lukas, Kirche usw. in und mit einander und nach
einander, also die verschiedensten „Sitze im Leben" —
vgl. meine Schrift „Rabbinische Formgeschichte und Geschichtlichkeit
Jesu" (Leipzig, Gustav Engel) — zu beachten
sind, vgl. auch meine Kontroverse mit Dibelius,
, Theologische Blätter 1932, 1. Sch. steuert viele gute
: Einzelbeobachtungen zur „Formgeschichte" bei. Vor
| allem ist es ja so wertvoll, daß Sch. für recht viele
j wegweisend sein könnte, die noch nicht eingesehen ha-
I ben, welche sprachliche Vorbildung zur wissenschaft-
j liehen Erforschung der Evangelien und des N.T.s gehört.
| Da handelt es sich bei den Rabbinicis nicht um ein
„Randgebiet" oder ein „Zwischengebiet" oder ein „Spe-
' zialistentum" oder um etwas, was nur für die Gelehrten
' oder die Studierenden erster Klasse in Betracht kommt,
sondern um ein grundlegendes Erfordernis des akademischen
Unterrichts der neutestamentlichen Wissenschaft
für alle ohne Ausnahme.

An Einzelheiten sei erwähnt: S. 295ff. faßt Sch.
das lukanische Vaterunser als gräzisierende Kürzung auf,
die der Gebetssitte der griechisch-syrischen Kirche enü
spreche. Auch hier hat man bei Sch. Kirchen in der
j Hand und fragt: und Jesus? Es ist unmöglich, Sch.s
Einzelbehauptungen für das Vaterunser hier zu erörtern.

Ich verweise auf mein Buch „Das Vaterunser" (Güters-
j loh, Bertelsmann). — Für den Hymnus der Engel lehnt
Sch. mit Recht die optativische Fassung ab — vgl.
J Joachim Jeremias in ZNTW — faßt ihn zweigliedrig,
verweist auf T"-^ und sagt S. 189 richtig, da°ß

[ „Menschen des guten Willens" eine falsche Übersetzung
ist. — Abgesehen von Kleinigkeiten ist der Druck der
] hebräisch-aramäischen Stückchen in bewundernswerter
Weise korrekt; lies z. B. S, 203 wrffflri S. 290 tp^n.
S. 318 ifv?. Schwerlich ist S. 265 die Vokalisation

"Wa richtig; lies das Gewöhnliche ist in"1», _ s.

310 dürfte in dbwtööoiv der Plural=„man"=Gott gemeint
sein, was ja eine echt hebräische Ausdrucksweise für
Gott ist. — Textkritisches findet sich bei Sch. nur °-e-
legentlich, so zu der Geschichte von Maria und Martha.
Bei dem Abendmahlstext wagt Sch. kein sicheres Urteil.
Ich verweise für den Qidduschbecher bei L. für die „Be-
rakha", für Deutung und Gedächtnis, für'den Cod. D
usw. auf meine Abendmahlsaufsätze im Neuen Sächs.
Kirchenbl. 1931. — Rabbinische und hellenistische Vergleichsstoffe
— abgesehen von Redewendungen und Vokabeln
— sucht man bei Sch. vergeblich. — Das Problem
der Worte Jesu am Kreuz wird nicht erörtert,
obwohl doch Sch. die Quellen vergleicht. S. 143 hebt
Sch. nicht hervor, daß L. — oder seine Quelle? — das