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Ausgabe:

1932

Spalte:

265-269

Autor/Hrsg.:

Friedländer, Paul

Titel/Untertitel:

Platon. II. Die platonischen Schriften 1932

Rezensent:

Knittermeyer, Hinrich

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Theologische Literaturzeitung

BEGRÜNDET VON EMIL SCHÜRER UND ADOLF VON HARNACK

onter Mitwirkung von Prof. D. HERMANN DÖRRIES und Prof. D. Dr. GEORG WOBBERMIN, beide in Göttingen

HERAUSGEGEBEN VON PROFESSOR D. WALTER BAUER, GÖTTINGEN

Mit Bibliographischem Beiblatt in Vierteljahrsheften. Bearbeitet von Lic. Dr. phil. REICH und Mag. theol. H. SEESEMANN, beide in Göttingen.

Jährlich 26 Nrn. — Bezugspreis: halbjährlich RM 22.50

Manuskripte nnd gelehrte Mitteilungen sind a u s s c h 1 i e 61 i ch an Professor D. BAUER in Göttingen, Düstere Eichentveg 46, zu senden,
Rezensionsexemplare ausschließlich an den Verlag. Gewähr für Besprechung oder Rücksendung von unverlangt gesandten Rezensions.
exemplaren, besonders noch bei Zusendung nach Göttingen, wird nicht übernommen.

VERLAG DER J. C. HINRICHS'SCHEN BUCHHANDLUNG, LEIPZIG C 1

57. JAHRGANG, NR. 12 4. JUNI 1932

Spalte

Birnbaum: Wider die Front des Gott-

losentums (Usener)............ 287

Franz: Goethe als religiöser Denker

(Knevels).................. 281

Friedländer: Piaton II (Knittermeyer) . 265
G o r d o n : The Rebel Prophet (Wendel) . . 269
Hagen: Der Mischehenstreit in Württemberg
(1837—1855) (Lerche)....... 279

Spalte

Jahrbuch für Brandenburgische Kirchengeschichte
(Clemen).............275

Jekeli: Die Entwicklung des siebenbür-
gisch - sächsischen höheren Schulwesens
(Achelis)..................276

Die brandenburgischen Kirchenvisitations-Ab-
schiede und -Register des 16. u. 17. Jahrhunderts
(Peper)..............276

Spalte

Nachtrag z. Grill: Gewittertheophanie(Wendel) 288
S c h i a n : Die evangelische Kirche der Neuzeit
(Usener)................277

Schnitzer: Die Erbsünde im Lichte der

Religionsgeschichte (Koch)........272

Seeberg: Christliche Dogmatik (Schulze) 282
Urkunden und Akten des Württembergischen
Staatsarchivs (Bossert)...........274

Die Preise der hier angezeigten vor dem 1. VII. 1931 erschienenen deutschen Bücher dürften inzwischen im allgemeinen entsprechend der

Notverordnung vom 8. XII. 1931 um mindestens 10% gesenkt sein.

Friedländer, Paul: Piaton II. Die platonischen Schriften.
Berlin: W. de Gruyter & Co. 1930. (VIII, 690 S.) gr. 8°.

RM 38-; geb. 40—.

Durch fast ein Jahrhundert hindurch hat die „platonische
Frage" Philologen und Philosophen in Atem
gehalten. Seit Schleiermacher und K. F. Hermann ist
von einer unübersehbaren Fülle verschiedenster Voraussetzungen
her immer wieder über Echtheit und Anordnung
der Platonischen Schriften diskutiert worden, und
noch vor zwanzig Jahren schien der Beweis für eine
durchdringende Beschäftigung mit Piaton kaum anders
als durch eine lichtvollere Darstellung seiner Entwicklung
gebracht werden zu können. Unlöslich verknüpfte
sich dem Für und Wider philologischer und literarge-
schichtlicher Argumente der nicht viel jüngere philosophische
Streit um die Bedeutung der Ideenlehre. Wenn
sprachliche Beobachtungen und geschichtliche Zeugnisse
keine eindeutigen und durchschlagenden Kriterien herausstellen
konnten, dann mochte die philosophische
Interpretation sich für ermächtigt halten, die Schritt um
Schritt vollendeter sich darstellende Ideenlehre als überlegenen
Maßstab für das Wachsen des platonischen
Werkes durchzusetzen. Auch wer nicht ganz so zuversichtlich
über die v. Arnimsche Sprachstatistik urteilt wie
Friedländer (682), wird sich doch nicht verhehlen, daß
sie der geistesgeschichtlichen Interpretation vergleichsweise
objektive Grenzen setzte und im Verein mit ihr
zu einer nahezu endgültigen Klärung der „platonischen
Frage" geführt hat. Da zugleich das ontologische Verständnis
der platonischen Idee sich gegenüber dem grob
realistischen und modern idealistischen (einschließlich
des Lotzeschen Geltens) durchgesetzt hat, mochte die
Lage für eine Gesamtdarstellung Piatons reif sein, die
mehr als rechtfertigenden Abschluß gelehrter Lebensarbeit
geben konnte und schärfer Gegliedertes und Geschichtetes
auch als das liebende Zeugnis tapferer Altersweisheit
, dem das Recht scharfer Wertung nicht verwehrt
werden kann, wo doch das dauernde Werk dem
Urteil den Zaum halten müßte.

Was aber kaum erwartet werden konnte, war eine
Gesamtdarstellung, die in der auseinanderstrebenden
Korrespondenz ihrer beiden Teile so nahe an ein Endgültiges
reicht, wie das Friedländersche Werk, dessen zweiter
Band dem vorangegangenen ersten gründend und ver-
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klammernd zur Seite tritt. Er soll sich zum ersten wie das
Besondere zum Allgemeinen verhalten. Aber dies Besondere
gibt sich nicht als eine leicht verknüpfte Folge von
Exkursen. Wenn nicht hin und wieder — insbesondere bei
der Ausdeutung der Mythen — einzelne Abschnitte des
ersten Bandes ergänzend eintreten müßten, könnte man
eher umgekehrt den ersten Band als einen frei das Ganze
der platonischen Philosophie und Lebenswirklichkeit
überschauenden Exkurs zum zweiten Bande ansehen,
der Werk um Werk, wenn auch zu Gruppen gefügt, nach
der je eigenen Gestalt befragt und das Chor auf ein „geheimes
Gesetz, auf ein heiliges Rätsel" deuten läßt.

Jetzt erst, nachdem das Wagnis gelungen ist, Piaton
„ohne eine philosophische Schulung im strengsten
Sinne" so nachzuschaffen, daß er uns mit jedem einzelnen
seiner Werke neu in Anspruch nimmt, versteht
man die Tragweite eines Satzes aus dem ersten Vorwort,
nach dem „fundamentale Rätsel des Phänomens Piaton
heut von der klassischen Philologie aus immer noch eher
als von der Philosophie überhaupt auch nur in den
Blick zu bekommen sind". Zwar zeigt der zweite Band
nicht weniger deutlich als der erste, wie ernsthaft Friedländer
nicht nur die philosophische Interpretation — insbesondere
auch Natorps — zu Rate zieht, sondern sel-
j ber als ein keinem unterlegener Wegführer zu der Ruhe
I im Festen sich bewährt, die der sokratisch-platonischen
j Dialektik transzendentale Bürgschaft ist. Aber wenn
! etwa der Menexenos und der Große Alkibiades mit der
gleichen Hingabe um ihr Wort befragt und in der gegliederten
Einheit ihres Aufbaus erschlossen werden
wie der Gorgias und der Menon, dann bekundet sich
darin ein existenzielles Verständnis der platonischen Dialoge
(231), das des philologischen Rüstzeugs bedarf,
um auch da die „verborgene Philosophie" herausstellen
! zu können, wo die überlieferten Grundbegriffe der pla-
! tonischen Ideenlehre zurücktreten oder ganz fehlen.

Dabei ist keineswegs bloß die Absicht leitend, die
für das Verständnis Piatons bislang nicht ausgeschöpften
Dialoge — und mit Bezug auf die Echtheitsfragen ist
Friedländer so weitherzig wie keiner sonst — in das Gesamtwerk
einzuordnen. Friedländer hält es grundsätzlich
für falsch, den Blick nur auf die mehr oder weniger
große „Reife" der Ideenlehre zu richten und danach den
j Wert der einzelnen Dialoge zu bemessen und ihren

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