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Ausgabe:

1932 Nr. 9

Spalte:

207-208

Autor/Hrsg.:

Mandel, Hermann

Titel/Untertitel:

Wirklichkeitsreligion 1932

Rezensent:

Wobbermin, Georg

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Seite 1

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207

Theologische Literaturzeitung 1932 Nr. 9.

208

den Aussatz „seines Fleisches" zeigt; daneben steht derselbe noch einmal
, dem Bilde der Maria zugewandt, betend. Maria endlich heilt den
Mercurius durch Berührung mit ihrer Hand. Das hier beschriebene
Wunder ist nachzulesen bei E. A. W. Budge Miracles Cap. 23, auch in
dem vom Verfasser herangezogenen Werk von Grohmann Seite 273.

Bei der zweiten Darstellung handelt es sich um ein bei Budge
a. a. O. Cap. 33 mitgeteiltes Wunder. Maria gibt dort einem durstigen
Hunde, den die Wasser schöpfenden Jungfrauen vom Wasser weggetrieben
hatten, aus ihrem Schuh zu trinken. Rechts unten sind 2 der Jungfrauen
dargestellt, von denen eine mit einem Stock den Hund, der an das von
oben geschöpfte Wasser heranwill und dessen Durst durch die heraushängende
Zunge charakterisiert wird, vertreiben. Oben sind die übrigen
Jungfrauen dargestellt, wie sie ein Schöpfgerät an einem langen Stiel
herablassen und Wasser emporheben. Zu Füßen Maria stehen die Krüge
der Jungfrauen. Maria hält in der Rechten ein Schöpfgerät ebenfalls
an einem langen Stiel, mit der Linken hat sie ihren Schuh umfaßt und
hält ihn dem Hunde hin, der gierig daraus schlürft.

Abbildung 70 bringt eine Gebetskrücke, amharisch mequämijä genannt
. Der Verfasser wundert sich, daß, während in der koptischen
Kirche nur die alten Mönche solche tragen dürfen, bei den Abessiniern
sie von allen gebraucht wird. Die vom Verfasser gegebene Erklärung
ist sicher nicht zutreffend, vielmehr ist der Gebrauch einfach bedingt
durch die große Länge der abessinischen Messe, die eine Übermüdung
herbeiführen würde.

Man wird es dem Verfasser danken, daß er eine an zwei schwer
zugänglichen Stellen veröffentlichte Zeichnung des Sturmes auf dem
Meeie aus dem Museo Archeologie in Florenz nochmal reproduziert und
besprochen hat.

Im Vorwort korrigiert der Verfasser ein früher auf 512 angegebenes
Todesjahr des Severus von Antiochia dahin, daß er gegen Ende der
zwanziger Jahre gestorben ist. Schon Fabricius hat in seiner Bibliotheca
Graeca Band X Seite 615 das Todesjahr auf 539 berechnet. Der Todestag
wird nach einem alten Zeugnis dort auf den 8. Februar, hernach
auf den 28. Februar gesetzt. Hierzu ist zu bemerken, daß im arabischen
Synaxar der koptischen Kirche der Todestag auf den 14. Amschir = 8.
Februar gesetzt wird.

Auf diesem erst anbruchsweise bearbeiteten Gebiete
ist die Materialbeschaffung vorerst die wichtigste Aufgabe
. Sie hat Herzog Johann Georg in seinen drei Werken
erfolgreich in Angriff genommen, und, was er an
Abbildungen und Beschreibungen geboten hat, ist von
bleibendem Wert.
Goslar a. Harz. Hugo Duensing.

Mandel, Herrn.: Wirklichkeitsreligton. Religion als Sinngebung
d. Daseins. Kiel: W. G. Mühlau 1931. (79 S.) gr. 8° RM 2.80.
Der Verfasser legt mit dieser Schrift in kurzer Zusammenfassung
die erste Skizze eines großangelegten
Werkes vor. Infolge der äußerst gedrängten Darstellung
ist es nicht möglich, auf dem hier für die Anzeige der
vorliegenden Schrift zur Verfügung stehenden Raum
seine Gedankengänge im Einzelnen zu entwickeln. Ich
beschränke mich deshalb darauf, aus der großen Fülle
des Inhalts einige Gesichtspunkte herauszugreifen, die
für das Ganze besonders charakteristisch und bedeutsam
sind.

Als grundlegende Voraussetzung der theologischen
Gesamtposition des Verfassers kann die These gelten,
daß Theologie ohne Metaphysik bzw. Ontologie nicht
möglich ist. Diese Voraussetzung wird in tiefdringenden
und lehrreichen erkenntnistheoretisch-religionsphilosophischen
Abschnitten eingehend begründet und geschlossen
durchgeführt. Aber letzteres gilt dann nicht in gleicher
Weise für die nähere Fassung der in Frage kommenden
Metaphysik oder Ontologie. Daß nach evangelischen
Grundsätzen die Metaphysik (Ontologie) streng als
Metaphysik (Ontologie) des Glaubens zu gestalten ist,
daß sie also primär aus dem Glauben heraus d. h. durch
Analyse der letzten Motive und Tendenzen des Glaubens
selbst zu gewinnen ist, diese Einsicht wird, wenn ich
recht sehe, nicht mit gleicher Sicherheit wie die erstgenannte
festgehalten. An dem Verhältnis der Ausführungen
des Verfassers über „Wirklichkeitsmetaphysik"
und „Wirklichkeitsreligion" zu einander suche ich diesen
Sachverhalt zu verdeutlichen. Der Verfasser geht von
der Bestimmung der Religion als „L e t z t e r 1 e b e n
und Letztwertung der Wirklichkeit" aus.
Daß diese Bestimmung jedenfalls außerordentlich wichtige
, gerade heute aufs ernstlichste zu beachtende Wahr-
heitsniomente enthält, kann meines Erachtens nicht zweifelhaft
sein. In dieser Richtung scheint mir denn auch
vor allem die Bedeutung des ganzen Entwurfes zu lie-

! gen. Wenn dann aber der Verfasser die Durchführung

i dieses Programms so vornimmt, daß er mit der „Wirklichkeitsmetaphysik
" als der Voraussetzung der Wirklichkeitsreligion
beginnt, um dann weiterhin den „Übergang
von der Wirklichkeitsmetaphysik zu
einer W i r k 1 i c h k e i t s re 1 i g io n" (S. 26ff.) zu
machen, würde ich fragen, ob nicht vielmehr die umgekehrte
Reihenfolge die sachgemäße sei — und zwar gerade
auch im Hinblick auf die nur gar zu berechtigte
Forderung vollen Wirklichkeitssinnes und Wirklichkeitsverständnisses
.

An diese Überlegung schließe ich noch eine weitere
an, die sich auf den Gottesbegriff des Verfassers und
zugleich auf sein Schleiermacher-Verständnis bezieht.
Mandel befürwortet im Anschluß an Meister Eckehart
mit betontem Nachdruck den Gedanken eines in
allem einen Seins als einer all durchdringenden
Einheit und allbefassenden Ganzheit
. Dieser Einheits- und Seinsgedanke sei leider
durch die erkenntnistheoretische Philosophie des Idealismus
ganz verschüttet worden, habe sich aber doch in
der Idee des Absoluten als der Einheit des Subjektiven
und Objektiven als der letzten Gegensätze in der Welt,
wieder durchgesetzt (S. 21). Dazu wird dann auf

| Schelling-Hegel verwiesen und bezüglich Schleiermacher

j hinzugefügt: „in seiner Dialektik; in der Glaubenslehre
nur verdeckt (nämlich überdeckt durch einen sehr andersartigen
Gottesbegriff) fast nur in § 32, 2". Die
letztgenannte kurze Bemerkung enthält eine sehr richtige
Kritik der Schleiermacher-Interpretation der „Dialektiker
" (Karl Barth und Emil Brunner). Nur würde ich
den von Mandel hier richtig gekennzeichneten Tatbestand
nicht als bedauerlich, sondern als erfreulich beurteilen
und außerdem auch für die Dialektik Schleierniachers.
eine sehr starke Einschränkung hinzusetzen.

Nicht immer glücklich scheint mir die Terminologie
Mandels zu sein. Das Recht zu seinen eigenen Wortbildungen
bestreite ich ihm nicht. Aber seine Polemik gegen
die Verwendung des Begriffs „Überwelt" für die
Wesensbestimmung der Religion ist meines Erachtens
unberechtigt und irreführend. Sie beruht auf der Voraussetzung
, daß „überweltlich" notwendig und wesensmäßig
als „außerweltlich" zu fassen sei. Aber diese Voraussetzung
lehnt Mandel selbst mit Recht ab.

Zu den Vorzügen des Mandel'schen Programms gehört
, daß die refigionsgeschichtliche Forschung ganz
ernst genommen d. h. grundsätzlich schon im Ansatz der
Problemstellung, nicht erst nachträglich berücksichtigt
wird. — Am meisten Bedenken habe ich andererseits
gegen die Mandel'sche Auffassung und Beurteilung der
Sünde. Wohl muß heute die einseitige Betonung der
Sünde, die bei K. Barth und in milderer Form auch bei
K. Heim geradezu zu einer „harmatiozentrischen" Theologie
(so mit wenig schönem, aber für die Sache bezeichnendem
Ausdruck W. Schmidt und P. Althaus) führt,
zurückgewiesen werden. Aber Mandels These, das Böse
gläubig als das Nochnichtsein des Guten und als Übergang
zu ihm zu betrachten (S. 72), bleibt doch nicht
nur hinter Kants Lehre vom radikalen Bösen, sondern
auch hinter Schleiermachers Sündenlehre zurück. Denn
so gewiß die Ausführung der letzteren wenigstens teilweise
der Gefahr einer naturhaften Betrachtung nahekommt
, reicht doch ihr übergreifender Grundsatz darüber
hinaus, indem er einschärft, die Sünde so streng zu beurteilen
, wie es unter Vermeidung des Dualismus irgend

j möglich sei.

Möchte es dem Verfasser vergönnt sein, sein großes

I Werk baldmöglichst zum Abschluß zu bringen und der
Öffentlichkeit vorzulegen.

' Göttingen. G. Wobbermin.