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Ausgabe:

1932 Nr. 8

Spalte:

184-186

Autor/Hrsg.:

Bauhofer, Oskar

Titel/Untertitel:

Das Metareligiöse. Eine kritische Religionsphilosophie 1932

Rezensent:

Wobbermin, Georg

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Theologische Literaturzeitung 1932 Nr. 8.

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Reformation in dem Niedergang der Theologie 15./16.
Jahrhunderts sieht, in der aushöhlenden Aktion des Nominalismus
eines Okkam, in dem Leerlauf der Spätscholastik
, so darf man ihm nicht verdenken, wenn er
nach der Theologie des Kardinals forscht. Denn Glaube
und' kirchliches Leben ist nicht Theologie. Die Frage:
war Kardinal Hosius Theologe? klingt fast so zynisch
wie die: war Bonifaz VIII. ein Ketzer? Die römische
Theologie muß die Fragen im Falle des Kardinals und
des Papstes verneinen. Hosius hatte nicht Theologie
studiert, er hatte sich aber als Jurist und Diplomat kirchenpolitische
und kirchenrechtliche Kenntnisse sowie
kirchenregimentliche Pragmatik angeeignet. Sein ganzes
Leben entsprach dem eines ernsten, arbeitsamen, vorbildlichen
Priesters; sein eiserner Fleiß eröffnete ihm einen
tiefen Einblick in die Welt der Kirchenväter, der Tradition;
die theologische Kontroversliteratur seiner Zeit war ihm
geläufig. So nahm er die Weihen und hielt pflichtgemäß
Residenz. Als Landesherr war er Priester, als Priester
Katholik und Theologe. Aber seine Theologie blieb einseitig
auf die Praxis beschränkt: Systematik und Dogmatil
lagen ihm nicht, eine Auseinandersetzung mit Me-
Ianchthon konnte er nicht führen. So ging seine pasto-
rale Wirkung im Polizeiregiment des Landesherrn auf,
da urteilen Benrath und Eisner objektiver und richtiger
als Lortz (S. 173). Große pastorale Erfolge blieben
H. darum versagt; peinliche Mißerfolge auf diesem
Wege sind bezeichnend (Bürgermeister und Rat von
Elbing, Kaiser Maximilian IL).

Der Kernpunkt aller Theologie damals wie heute
ist die Stellung zur Schrift. Wir sahen, daß H. und mit
ihm L. die Tradition weit über den Schriftbeweis stellt,
denn die Kirche und ihre Tradition ist älter als die Schrift.
L. versucht einer klaren Stellungnahme möglichst auszuweichen
. Schließlich sagt er in einer Auseinandersetzung
mit K. Holl (S. 121): „es liegt im Wesen des Schriftbeweises
, daß er sich selbst aufhebt" — und dann zieht
er sich mit H. auf den festen Grund des verburn dei
expressum zurück. Auch da fehlt L. jede Kenntnis des
lutherischen Schriftbeweises, und von der lebendigen
Kraft des aufwühlenden und erschütternden „Ja — Nein"
hat er keinen Hauch verspürt. Er spricht von dem
„Ja — Nein" und von dem „Zwar — Aber" als einer peinlichen
Methode, (S. 206), peinlich besonders darum,
weil die Spannung in H. allzu gering war — in Hosius,
der das gegebene, nicht erst zu erringende Ziel in der
ausgeglichenen Weltherrschaft der sichtbaren Kirche erblickte
. Unser Leben aber schwingt in der ungeheuersten
Polarität, in der unerhörtesten, unüberbrückbarsten Spannung
zwischen Reich Gottes und dunkler Erde. Dieser
Mangel an Spannung und Polarität ist in besonderem
Maße bezeichnend für Hosius; gab es für ihn überhaupt
Probleme? war er überhaupt schöpferisch? Es
bleibl glatte Relieflosigkeit, ohne Anstoß, ohne Individualität
— famoses Jesuitenmaterial — eine ruhige vernünftige
Kühle, ein exakt funktionierender Beamter, ein
fleißiger Stubengelehrter. Wenn L. ihn besonders herausstreichen
will, nennt er ihn evangelisch (S. 140, 180,
182) — sollen wir darum mit ihm rechten? Hier und
da drängt sich der Vergleich mit Melanchthon — den
L. darum noch nicht katholisch nennt — auf (so S. 148,
176, besonders aber S. 211): da lohnte sich vielleicht
ein tieferes Nachspüren. L. hatte beabsichtigt, H. zu
schildern mit d^nrfEiv ev ÜY«jqi; das ist ihm aber nicht
ohne das peinliche „Ja — Nein" und „Zwar —Aber"
gelungen. Er faßt sein Urteil zusammen: (S. 14):

„In allem Entscheidenden ist H. gekennzeichnet durch einen das
ganze Leben tragenden schweren Ernst, durch denkbar strenge Kirchlichkeit
, tiefe Religiosität und makellose Sittlichkeit. Ein Gesamtbild,
zu dessen Erklärung alle Einzelheiten der Bildungs- und ersten Berufsjahre
daheim und in Italien nicht im Entferntesten ausreichen. Vielmehr
Ausstrahlung einer weitgehend unableitbaren Grundtatsache: einer
katholischen Ur vera n 1 agu n g." Und S. 27: „Humanismus,
Jurisprudenz und Theologie bildeten die geistige Ausrüstung des H.
In keiner dieser drei Sparten hat er Leistungen angestrebt, die ihr Wesen
in eindeutiger Weise rein darstellten: seine eigentlich humanistischen

' Versuche sind gering an Zahl, liegen nur am Beginn seiner geistigen
Entwicklung und dienen bereits in nicht unwichtiger Weise einem nicht
I humanistischen Inhalt: der Theologie; rein juristische Leistungen fehlen
' ganz; in der Theologie kommt es ausschließlich zu polemischen Leistungen
. Das alles ist höchst bedeutsam für die Erkenntnis der geistigen
Art des Hosius, ja für ihn direkt symbolisch : formal genommen kennzeichnet
sich seine Art als ein Mittleres, inhaltlich als ein Praktisches."

Der Leser vermißt zur charakterologischen Vertiefung
Bild und Handschriftenprobe.

Doch wichtiger als Hosius ist für uns die Art, wie
Lortz ihn darstellt und uns nahe zu bringen sucht. Für
dies Buch wird man ihm auch da danken, wo man durchaus
nicht auf den Boden des Tridentinums steht.
Leipzig. Otto Lerche.

Pastor, Ludwig Freiherr von: Geschichte der Päpste im Zeitalter
des fürstl. Absolutismus von der Wahl Benedikts XIV. bis z.
Tode Pius' VI. (1740—1799). 1. Abt.: Benedikt XIV. u. Klemens
XIII. (1740 —1769) 1 —7. Aufl. Freiburg i. Br.: Herder & Co. 1931.
(XXI, 1011 S.) 8°. = Geschichte d. Päpste seit dem Ausgang d.
Mittelalters. Mit Benutzung d. Päpstl. Geheim-Archives u. vieler and.
Archive bearb. v. L. Frhr. v. Pastor, 16. Bd.

RM 23 -; Lwd. 27-; Hldr. 30—.
Wie stets ist auch dieser neue Band des großen
Werkes durch eine Fülle des Neuen ausgezeichnet. Wie
I stets bleiben aber auch die Grundanschauungen des
Autors unerschüttert. Sie kommen teilweise vielleicht
j schon darin zum Ausdruck, daß Pastor die Überschrift
| über die ganze Periode nicht der Geschichte des Papsttums
, sondern dem „fürstlichen Absolutismus" entnimmt,
zu dessen unbefangener Würdigung er jedoch nicht
imstande ist. Ein Hauptinteresse des Bandes ist auf
den Kampf gegen den Jesuitenorden gerichtet, dessen
Phasen in den einzelnen Ländern sehr lehrreich gezeichnet
werden. Dabei werden die verschiedenen Feinde der
Papstkirche mit Einschluß natürlich der Jansenisten eingehend
berücksichtigt. Auch für die Freimaurer fällt
manches ab. Wer endlich die Vorgeschichte der späteren
, noch die Gegenwart beherrschenden katholischen
Restaurationen gründlicher erforschen will, wird ebenfalls
aus dem überaus stoffreichen Bande großen Nutzen
ziehen.

Hamburg. J. Hashagen.

Red er n, H. v.: Segensspuren im Leben von Gräfin Elisabeth
von Waldersee. Nach ihren eigenen Aufzeichnungen. Leipzig:
A. Anger [1931]. (223 S. m. Abb.) kl. 8°. kart. RM 3.50 ; geb. 4.50.
Gräfin Elisabeth von Waldersee, in weiteren Kreisen bekannt geworden
durch die Biographie der Gräfin Mary Waldersee „Von Klarheit
zu Klarheit", war entscheidend tätig in den ersten Jahren des Deutschen
Frauen-Missionsbundes neben Frau v. Bethmann-Hollweg, sowie in den
Anfängen des Christlichen Vereins der Freundinnen junger Mädchen.
In beiden Fällen hatte die Gräfin Waldersee mit vielen Schwierigkeiten

I zu kämpfen und gehörige Posten weiblicher Eitelkeit zu überwinden —
nicht nur bei anderen. Interessant ist, wie die Gräfin W. das lang-

] same Reifen ihres Entschlusses zur Verkündigung des Wortes schildert:
es war die Zeit, da im Anfange des Jahrhunderts durch Zungenreden
und besondere Offenbarungen mancherlei Unruhe entstand. Im Allgemeinen
möchte man hoffen, daß all solche Arbeit, wie sie hier geschildert
und wie sie noch heute im engeren oder lockereren Zusammenhange
mit der Kirche getrieben wird und wohl auch getrieben werden muß,
ruhiger, sachlicher, ohne persönliche Empfindsamkeit und ohne die hier
ganz unerträgliche Sprunghaftigkeit erfolgt. Das Buch ist als ein Dokument
der Arbeit der Frau in der Kirche nicht unwesentlich.

Leipzig. Otto Lerche.

Bauhofer, Oskar: Das Metareligiöse. Eine kritische Religionsphilosophie
. Leipzig: J. C. Hinrichs 1930. (IV, 271 S.) gr. 8°.

RM 11—; geb. 13.50.
Ein in sich selbst zwiespältiges Buch. Ein Teil seiner
Ausführungen erheischt lebhafte Zustimmung, d'er
andere um so schärfere Zurückweisung. Schon hierin
! bekundet sich die enge Beziehung zur sog. dialektischen
i Theologie.

Verdienstlich ist zunächst B.'s Bemühen, in Analogie
zu der sog. Wesensschau der philosophischen Phänomenologie
Edmund Husserls den spezifisch religiösen Sinn-
i gehalt der als Religion bzw. als Christentum bezeich-
j neten geschichtlichen Gebilde herauszuarbeiten. Soweit