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Ausgabe:

1931 Nr. 7

Spalte:

161

Autor/Hrsg.:

Koch, Hugo

Titel/Untertitel:

Adhuc virgo 1931

Rezensent:

Kattenbusch, Ferdinand

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Seite 1

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161

Theologische Literaturzeitung 1931 Nr. 7.

162

Wie immer, ziert auch diesen Jahrgang eine reiche j
Liste von Besprechungen und Notizen aus aller Herren
Länder, sowie eine ausgezeichnete Bibliographie.

Heidelberg. W. Köhler.

Koch, Prof. D. Dr. Hugo: Adhuc vlrgo. Märiens Jungfrauschaft
u. Ehe in d. altkirchl. Überlieferg. bis z. Ende des 4. Jahrh. Tübingen:
J. C. B. Mohr 1929. (44 S.) gr. 8°. = Beiträge z. histor. Theolo- ,
gie> 2. RM 3 -; in Subskr. 2.70. j

Ein grundgediegenes, echt Koch'sches Büchlein. Der katholische j
Gelehrte hat begreiflicherweise schärfer als unsereiner ein Auge auf die
Mariologische Literatur. In seiner Kirche gibt es da theologische Pro- |
bleme, die unsereiner kaum mit Anteilnahme verfolgen kann. Dazu gehört
die Frage nach der „Dauer" der virginitas der Maria, ob sie ein
Ende genommen, nachdem sie Jesus geboren, und wann, ob schon in
partu, oder aber post partum, oder nie. Seit dem 4. Jahrhundert gibt
es für die katholische Kirche des Westens und Ostens keinen erlaubten ;
Zweifel mehr, daß das Semper (üe() „Jungfrau" im unbedingtesten
Sunt gelte, also daß auch der Akt des „Gebärens" des vom Geiste
(durchs Ohr) „empfangenen" Kindes sie nicht im körperlichen Sinne
zur „Frau" gemacht habe. Es ist selbstverständlich, daß das sich 1
schärfende asketische Ideal das Interesse ist, das hinter den vielerlei
Prägen steht, die da angesichts der Berichte des Matthäus bezw. Lukas
über die Geburt Jesu auftauchen „können". Natürlich gehören auch
die Fragen dazu, ob Jesus „Brüder" gehabt, von Josef und Maria, oder j
bloß von Josef, nämlich aus einer ersten Ehe, ob Josef je im Vollsinn j
„Ehemann" der Maria geworden, oder als „alter Mann" sie bloß „rechtlich
" als seine „Frau" gehabt habe, ob die Brüder Jesu, von denen in
den Evangelien die Rede ist, nicht vielmehr als „Verwandte", Vettern,
von ihm gemeint seien. Kurzum, man kann als Historiker wohl, ohne
alle Weitschweifigkeit, 44 Seiten nötig haben, um das ganze „Werden"
des Dogmas in Hinsicht von „Mariens Jungfrauschaft und Ehe", die
„Überlieferung" über beide „bis zum Ende des 4. Jahrhunderts" zu I
prüfen und zu sichten. Evangelische Forscher haben nur gelegentliche
Einzelbeiträge zu dieser Forschung geliefert, katholische eine Menge,
denn es gibt da vielfach für den Exegeten kniffliche „Probleme". Koch
ist unermüdlich als unbedingt gewissenhafter „exakter" Untersucher der
in Betracht kommenden Autoren. Er setzt ein bei Tertullian, der noch
„offenkundlich" bloß an eine Virginität Mariens „ante" partum gedacht
hat, wie das auch dem Symbol entspricht, und er beweist dann,
daß es bei Irenäus nicht anders stehe: von Irenäus entnimmt K- das j
Stichwort „adhuc" virgo, das dieser geprägt, indem er Maria mit der I
„rudis terra" als „noch (adhuc) Jungfrau" da, wo Adam von Gott
aus ihr gebildet worden, in Parallele stellt. K. schließt ab mit Hieronymus
und Ambrosius im Westen, Epiphanius im Osten, die der „Perpetua
" virginitas Mariens zum Siege verholfen haben. Um aller Gerechtigkeit
zu genügen, untersucht K. in einem zweiten Teile (S. 32-44)
auch eigens mit welchen Ausdrücken Matthäus und Lukas von Maria
im Verhältnis zu Jesus und Josef sprechen.

Halle a. S. F. Katten busch.

Halkin, Francois, S. J.: L'Histoire Lausiaque et les Vies
grecques de S. Pachöme. Bruxelles: SodeTe" des Bollandistes
u. Paris: A. Picard 1930. (S. 257—301) gr. 8°. = Analecta Bollan-
diana, XLVIIL

Die Anschauung Reitzensteins auf die capp. 32 u. 33
der Historia Lausiaca anwendend, glaubte Bousset durch
Streichung der „Wir-Stücke" in diesen von Pachomius
und den Tabennisioten handelnden Kapiteln die Quelle des
Palladius gefunden zu haben. Abt Butler, der Herausgeber
der Historia Lausiaca, zeigte sodann, daß die von
Bousset gestrichenen Stücke in der Tat bei drei Zeugen,
nämlich in einer syrischen Übersetzung und zwei griechischen
Handschriften (Nr. 33 u. 47), fehlen. Damit
schien die Ansicht Boussets eine urkundliche Grundlage
erhalten zu haben, wobei allerdings die Ähnlichkeiten
und Verschiedenheiten dieser drei Zeugen unter
sich sowohl wie im Verhältnis zur Hist. Laus, unerklärt
blieben. Nunmehr untersucht der Bollandist Halkin,
dessen Vitae Graecae S. Pachomü demnächst erscheinen
werden (siehe diese Ztg. 1930, Nr. 15/16, Sp. 352), diese
Frage mit dem vollen Rüstzeug seiner Gelehrsamkeit
und seines Scharfsinns aufs Neue und kommt dabei zu
einem entgegengesetzten Ergebnis. Er druckt zu diesem
Zwecke den Text der besagten Kapitel der Hist. Laus,
in doppelter Fassung, oben nach der anscheinend ursprünglicheren
Rezension G., wobei von den Handschriften
, in denen sie vorliegt, für diese Kapitel die Turiner
den Vorzug verdient, unten nach der Rezension B. mit
Zuhilfenahme von 40 Handschriften, die sich in sieben

Gruppen gliedern lassen. Hierauf den Text des Stückes
Ilepi rov äßßä naxw/.dov nach den von Butler mit
Nr. 33 u. 47 bezeichneten zwei Pariser Handschriften.
Endlich nebeneinander einerseits die entsprechenden Abschnitte
aus der nur in einer Hdschr. vorliegenden sog.
Vita Sexta ('(")> mit der die ebenfalls nur in einer
Hdschr. überlieferte sog. Vita Tertia <ri) fast vollständig
übereinstimmt, andererseits die der Vita Quarta
(/'), die in zwei Handschriften erhalten ist, mit Berücksichtigung
der Lesarten der ebenfalls in zwei Handschriften
gebotenen sog. Vita Quinta. So legt H. dem
Leser die Texte zur Prüfung und Vergleichung vor,
und man wird den Schlüssen, die H. selber daraus
zieht, vollständig beipflichten müssen. Sind auch die
Handschriften 33 u. 47 ziemlich jung (13. u. 14. Jahrh.),
so zeigt ihr Text doch eine solche Ähnlichkeit mit der
syrischen Übersetzung von Anan Isho (7. Jahrh.), daß
man mit Butler einen gemeinsamen Stamm annehmen
darf, und zwar stand dieser der Rez. G. der Hist. Laus,
näher als der zweiten (B.). Von beiden unterscheidet
er sich aber durch das Fehlen der Stellen, worin Palladius
seine eigenen Erinnerungen erzählt. Jedoch ist in
§ 10 die Stelle stehen geblieben: tv xovroig twpaxa
(tdrerag, vixeovag xtL, was einen Auszug aus Palladius
mit dabei unterlaufenem Versehen verrät, wie denn
auch in den beiden Handschriften und in der syrischen
Übersetzung die genannten Stücke sich als ein Kapitel
der Hist. Laus, einführen oder unter andern Auszügen
aus ihr stehen. Dazu kommt, daß die beiden Handschriften
, wie Butler auch an andern Kapiteln gezeigt
hat, manchmal einen abgekürzten Text bieten. Da ist
es doch das Natürlichste, die Auslassungen ihnen zuzuschreiben
, zumal da die Gründe hierzu bei den persönlichen
Anspielungen des Palladius oder bei einem
Abschnitt wie dem von der Schweinezucht (§ 11) oder
dem Begräbnis der Nonnen durch die Mönche (§ 14)
auf der Hand liegen. In dieselbe Richtung weist es
auch, wenn statt ungewöhnlicher Wörter einfachere gewählt
, an die Stelle von Gefangenen Arme als Almosenempfänger
getreten sind und aus einer Verpflegung der
Nonnenklöster (oixirvofiowctg) eine Errichtung solcher
(dvoixodouoüai) geworden ist (§ 10). Was die herangezogenen
drei griechischen vitae Pachomü betrifft, so
ist nicht etwa die eine aus der andern geflossen; sie
müssen aber wegen einer stattlichen Zahl besonderer
Züge, die sie mit einander gemein haben und die sich
in keiner der beiden Fassungen der Hist. Laus, finden,
auf eine von dieser verschiedene Quelle zurückgehen,
die in // und T am besten erhalten ist, während r im
Streben nach sprachlicher Feinheit die Wendungen umschrieben
hat. Doch sind dort, offenbar aus Furcht,
beim Leser anzustoßen, die beiden Erzählungen von
! der Schweinezucht und vom Selbstmord zweier Nonnen
j (§§ 11 u. 15) ausgelassen und müssen in den Text der
I Vita Sexta eingefügt werden, um den vollen Inhalt der
gemeinsamen Quelle zu bekommen. In dieser fehlten
aber schon die persönlichen Erinnerungen des Palladius,
die demnach nicht erst von den Lebensbeschreibern
unterdrückt wurden. Handelt es sich nun hier um einen
Auszug aus der Hist. Laus, oder um eine alte, von
Palladius benützte pachomianische Urkunde? Die von
Bousset für diese zweite Ansicht vorgebrachten Gründe
sind, wie H. zeigt, nicht stichhaltig. Dagegen sprechen
für die andere Lösung zwar keine entscheidenden Beweise
, aber doch nicht zu verachtende Anzeichen: so
sind die Handwerker, die Palladius an zwei Stellen
(§§ 10 u- 13) aufzählt, in eine Liste zusammengefaßt,
und es ist nicht einzusehen, warum Palladius diese Liste,
wenn er sie vorgefunden hätte, zerteilt haben sollte. Aus
| Gefangenen, die von den Mönchen den Unterhalt emp-
| fangen, sind durch Accentvertauschung (tpvKaxdg, qyv-
laxag) Wächter geworden (§ 10). Sehr auffallend ist
die Bestimmung, daß jeder einzelne Mönch zu einer
in seinem Belieben liegenden Stunde seine Mahlzeit
I einnehmen dürfe (§ 12), während bei Palladius diese