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Ausgabe:

1931 Nr. 7

Spalte:

151-153

Autor/Hrsg.:

Lösch, Stefan

Titel/Untertitel:

Epistula Claudiana 1931

Rezensent:

Bauer, Walter

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151

Theologische Literaturzeitung 1931 Nr. 7.

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Jesu als Gottesoffenbarung. Die Lebendigkeit, Kraft
und Einfachheit des offenbarungsgeschichtlichen Verständnisses
macht Schi. Auslegung des Mtths.-Evgl.
eigenartig und grade in der gegenwärtigen Lage der
Evgl.-rForschung bedeutungsvoll. Da unsere Evgl.-For-
schung durch das Problematisieren der religiösen Skepsis
und eine Überfeinerung des historischen Verfahrens
stark beeinflußt ist, wird die Art, wie Schi, mit hingegebener
Entschlossenheit des Glaubens und mit der
herben Kraft bewußt gewahrter Natürlichkeit das Ziel,
seiner exegetischen Arbeit sich bestimmt und verfolgt
manchen als zu einfach, als Verkümmerung der exegetischen
Aufgabe erscheinen. Es soll auch nicht geleugnet
werden, daß für manche Aufgaben der Evgl.-For-
schung mehr zu tun ist, als Schi, getan hat. Aber das
gilt nur für periphere, nicht für die zentralen Aufgaben.
Und es geht heute in der Theologie um die zentralen
Aufgaben der Forschung.
Rostock._Friedrich B ü c h s e 1.

Lösch. Stephan: Eplstula Claudiana. Der neuentdeckte Brief d.
Kaisers Claudius vom J. 41 n. Chr. u. d. Urchristentum. Eine exe-
getisch-hist. Untersuchg. Rottenburg a. N.: Badersche Verlh. 1930.
(48 S.) gr. 8°. RM 3.60.

Lösch widmet dem berühmten, seit 1924 bekannten
Brief, den Kaiser Claudius im ersten Jahre seiner Regierung
an den Präfekten von Ägypten L. Aemilius
Rectus gerichtet hat (P. Lond. Nr. 1912), eine Untersuchung
vornehmlich in Hinsicht seiner Ergiebigkeit als
Quelle der Geschichte des Urchristentums, d. h. er
hat es wesentlich mit dem dritten Teil des Erlasses zu
tun, den er griechisch und deutsch mitteilt und exegetisch
-historisch beleuchtet. Das Heft, dessen wenige
Druckfehler wohl mehr Rottenburg als Tübingen zur
Last fallen, ist besonders brauchbar als übersichtliche
Einführung in den bisherigen Gang der Forschung.
Verf. hat auch gewiß Recht, wenn er die Meinung ablehnt
, der Brief bewiese etwas für ein bereits erfolgtes
Eindringen des Christentums in Ägypten. Diese Auffassung
scheitert m. E. allein schon an Philo, der seltsamer
Weise in unserer Schrift nur zweimal angegangen
wird, und zwar um eine sprachliche Entscheidung. Sachlich
gehört doch der Papyrus aufs engste zusammen
mit den Judenhetzen aus der Zeit Caligulas, von denen
Philo, in Flacc. und legat. ad Gaium erzählt. Der gelehrte
Alexandriner, der im Mittelpunkt der Begebenheiten
steht, weiß gar nichts von einer Beteiligung oder
auch nur von dem Vorhandensein von Christen in seiner
Heimatstadt.

Darauf muß ich nun aber meine Zustimmung beschränken
. Ich vermag es schon nicht zu billigen, daß
L. nicht alles, was er zu sagen hat, auf einmal vorbringt
, sondern eine weitere Untersuchung, über Teil 1
des Claudiusbriefes, in Aussicht stellt (S. 7, 2). Ist denn
die Literatur über unseren Gegenstand nicht schon ohnehin
genügend zersplittert?

Dann aber finde ich die Art, wie er dem Kaiserbrief
eine dem Urchristentum zugewandte Seite abgewinnen
will, etwas gewaltsam, doppelt unannehmbar, wenn sie
sich mit dem Bestreben verbindet, das N.T. als irrtumslos
hochzuhalten. Es geht nicht an, sich von der
Erwägung, daß Apg. 11, 28 der Fortsetzung halber
das oiy.ovf.iivr] nicht gut die Welt oder das Römische
Reich sein kann, zu der Versicherung anregen zu lassen,
daß „oiyovfiivrj eine nicht selten verwendete Bezeichnung
für das betreffende einzelne Land" sei (S.
23). Wer so etwas behauptet und sich dabei auch
durch das olr] nicht stören läßt, muß den sprachlichen
Beweis dafür antreten — mit besseren Belegen freilich
als 3. Esra 2, 3, wo dem großsprecherischen Cyrus
bei seiner Erklärung, Gott hätte ihn zum ßaoikevg trß
oiyovfiivrjg gemacht, ganz gewiß nicht die räumliche
Begrenzung seines Reiches ins Bewußtsein getreten ist.
Dem Autor ad Theophilum bedeutet Apg. 11, 28 ökt]
r) olx. nichts anderes als icäaa i olx. Lk. 2, 1,
also das Römische Reich, wenn nicht gar mehr.

Auch die Auslegung der bekannten Tacitusstelle
; mit ihrem rursum erumpebat befriedigt mich nicht (S.
| 23). L. meint zwar mit Recht, rursum weise auf ein
früheres Hervortreten des Christentums zurück. Aber,
wenn er dann der Frage gegenüber, ob dabei an das
Jahr 41 zu denken sei oder an das Jahr 50/51, für seine
: Person der zweiten Seite der Alternative zuneigt, so hat
er sich die ganze Fragestellung von dem Papyrus und
( von Sueton zuschieben lassen. Tacitus selbst Läßt keinen
i Zweifel darüber, was er meint: das Christentum hat
sich zuerst einmal in Judäa bemerkbar gemacht. Damals
hat Pontius Pilatus den Brand ausgetreten, leider
nur für den Augenblick (in praesens). Jetzt, zur Zeit
Neros ist er wieder ausgebrochen, diesmal nicht nur in
Judäa, sondern auch in der Welthauptstadt.

Am wenigsten aber vermag ich mit dem anzu-
' fangen, worauf Verf. den größten Wert legt, seiner Fest-
! Stellung, die er abschließend (S. 44) so formuliert:
„Der Auffassung von einer im Kern ihres Wesens nicht
erst seit den Tagen des 1. Clemensbriefes, sondern
schon zu Beginn der paulinischen Mission juristisch-
j soziologisch aufgebauten ecclesia christiana hätte kein
stärkerer Bundesgenosse erstehen können, als er in
der Bildersprache von der exxlrjoia - ito'Ug - Harmo-
! nie und von der vöaog - oräocg - Idee durch die epistula
1 Claudiana ihr geworden ist." Um was handelt es sich?
j In Alexandria ist es wegen des Gegensatzes von Heiden
und Juden zu Unruhen gekommen, die der Kaiser als
i TaQaXr, GTctoig, ja nokt-fiog bezeichnet. Falls die Juden
| in Zukunft nicht guttun, will er sie behandeln xa&ärceo
j xoivrjv ziva rrtg oixovfiivrjg vöoov igeyeigovrag. Hier
i glaubt L. der hellenistisch-römischen Rechts- und Ver-
j waltungssprache auf der Spur zu sein (S. 25), die er
bis Plato und Demosthenes, ja Herodot zurückverfolgt,
| um ihr dann im Urchristentum von Paulus an über
| die Pastoralbriefe, deren Echtheit durch diesen Fund
i noch weiter zu sichern ist (S. 35, 3), die Apostelge-
j schichte, die für den Prozeßbericht in Sachen des Pau-
i lus Licht empfängt (S. 33, 2), den 1. Clemensbrief
i hin bis zu den Kirchenvätern immer wieder zu begegnen
. Tatsächlich finden wir oft die Uneinigkeit der
Bürger oder der Gemeindeglieder als Krankheit bezeichnet
. Aber genügt dies naheliegende Bild wirklich
zur Stütze der Behauptung, daß die Sprache des römischen
Rechtes von Anfang an die christliche Ausdrucksweise
gefärbt habe? Und, wenn ja, ist eine solche
Beobachtung ausreichend, weitergehende Folgerungen
zu gestatten ?

Es mag sein, daß in den von L. angeführten
Beispielen „sowohl in amtlichen Kundgebungen als in
politisch gerichteten historischen Berichten oder Reden
(das Bild von der aräatg-vöoog) stets auf die Vorstellung
vom Raum der /cökig hingeordnet" ist (S. 33).
Aber was beweist das im Grunde für das N. T. mit
seinem andersartigen Inhalt? Es genügt doch nicht,
zu zeigen, wie auch Christen über Zerklüftung in der
; Gemeinde klagen und Kranksein bildlich gebrauchen.

1. Tim. 6, 3 krankt nicht die Gemeinde, sondern der
| Ketzer, wie ähnlich Ignat. ad Pol. 2, 1, und Apg. 24, 5
J kann ich gleichfalls ohne allerlei gedankliche Zwischen-
■ glieder, die einzufügen keine Nötigung vorliegt, die
Richtung auf die Ixxknoia-noUg nicht gewinnen. Was
jedoch den eigentlich tragenden Pfeiler der Gedanken-
I führung anbetrifft, den 1. Clem., so hilft kein Wortreichtum
an dem Umstand vorbei, daß sein Autor, so
oft er die Zerspaltung der Kirche beklagt, doch m. W.
niemals einen dem Bilderkreis der Krankheit entnommenen
Ausdruck gebraucht. L. möchte diesem Mangel
abhelfen durch wiederholten Hinweis auf Kap. 55, 1
(S. 37—43). Das aber ist ein durchaus ungeeigneter
Versuch, Bundesgenossen zu werben. Denn dort ist
j zwar von Pestzeit die Rede, aber im eigentlichen Sinn,
! und dazu tritt dann als zweites eine Not anderer Art,
} die andere Menschen drückt und in der Uneinigkeit be-
1 steht. Ich würde diesen Tatbestand nicht so beschreiben,