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Ausgabe:

1931 Nr. 7

Spalte:

148-151

Autor/Hrsg.:

Schlatter, Adolf

Titel/Untertitel:

Der Evangelist Matthäus 1931

Rezensent:

Büchsel, Friedrich

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Theologische Literaturzeitung 1931 Nr. 7.

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sächsische Gymnasiallehrer gehalten hat. Schon der
Verstorbene hatte sie zur Veröffentlichung bestimmt,
glaubte dem großen Publikum aber noch gründliche j
Überarbeitung schuldig zu sein. Dazu ist es nicht mehr j
gekommen; aber niemand, der das hübsche Buch liest,
wird es Körte verübeln, daß er alle Bedenken beiseite
setzte und dem vorhandenen Manuskript zum Drucke
verhalf. . j

Die Kultur des augusteischen Zeitalters — die (
Kultur von Rom und Italien — wird mit der durch den i
besonderen Zweck erzwungenen Kürze, aber doch nach
allen Richtungen hin behandelt. Zehn Abschnitte, die
teils sachliche Überschriften, teils auch Personennamen
an der Spitze tragen, bilden den Inhalt. Am Schluß steht
eine Zeittafel von Caesars Tod (44 v.) bis zu dem des
Ovid (18 n.), die man bei der Lektüre mit Nutzen zu
Rate zieht.

Auch dem Theologen ist dringend zu raten, sich
dieses Buch nicht entgehen zu lassen. Es führt ihm
nicht nur allgemeine Bildungswerte zu, sondern betrifft
den Kaiser, von dem das Gebot ausging, daß alle ;
Welt geschätzet würde. Es ist wichtig, zu erfahren, wie l
es damals in Rom um Religion und Sittlichkeit bestellt
war. Stichworte wie die: Epikur, Stoa, Diatrite, Magie
und Astrologie, orientalische Gottheiten mit ihren My- 1
sterien, vierte Ekloge Virgils, römisches Bürgerrecht
sagen genug. An der Art, wie Livius seine Quellen be- ;
nutzt, kann man die Gepflogenheiten des antiken Ge- |
schichtschreibers studieren — zum Nutzen auch für die
Deutung des N.Ts.

Das alles ist um so lehrreicher, als H. die Nutzanwendung
dem Leser überläßt. Er schreibt angenehm
und leicht verständlich, übersetzt auch die fremdsprachi- J
gen Texte. Es ist wirklich kein Grund vorhanden, zag- |
hafte Zurückhaltung zu üben.
Göttingen. W. Bauer.

Brandt, Lic. Th.: Das Lutherwort zum Psalter. Eine Auswahl ;

aus D.M. Luthers Psalmen-Auslegung. Leipzig: Vlg. des Mädchen- I

Bibelkreises 1930. (271 S.).

Das vorliegende Büchlein will im Dienst echter Er- j
bauung stehen. Wer es allein unter diesem Gesichtspunkt
zur Hand nimmt, wird ungetrübte Freude daran |
haben können: er findet eine kräftige Speise darin, j
Der Herausgeber hat Wert darauf gelegt, nicht zu allen,
wohl aber zu den wesentlichsten Psalterstellen eine
kurze Auslegung Luthers zu geben. Die Kürze möchte i
ich zum guten Teil als Vorzug werten; schon Luther
selbst hat die prolixitas und verbositas mancher seiner
Psalmerklärungen getadelt (W. 5, 673, 9). Zu jedem
kleinen Abschnitt wird eine zumeist treffend gewählte j
Überschrift gegeben, oft aus einer eigenartig Luther- |
sehen Wendung herausgeschält (z. B. „Erträumtes Leben
". „Das heimliche Register". „Getroste Verzweif- j
lung". „Aufrichtende Gerechtigkeit" u. ä.). Ein nach
sachlichen Gesichtspunkten geordnetes Register erleichtert
den Gebrauch. In Summa: Eine treffliche Aus- j
lese aus Luthers Psalmendeutung, wohl geeignet, in die j
Tiefe der Glaubenswelt Luthers zu führen.

Leider ganz anders sieht sich das Büchlein in den
Augen des Historikers an. Schon die D/t Seiten um- |
fassende Einleitung hat wenig historisch zutreffende j
Angaben: Weder ist Luthers 1. Ps.-Auslegung nur auf
1513/14 zu datieren, noch Weim. Ausg. II (!)— IV zu
finden, noch auch ist Luthers Römerbrief von Ellwein j
herausgegeben. Ebenso gehört die Auslegung von Ps. ,
51 (W. 40 II 315) nicht zu den Veröffentlichungen, j
die später als das Sammelwerk von Chr. G. Eberle,
Luthers Psalmenauslegung (1873) erschienen sind; hat |
doch Eberle selbst sie mitverwertet (vgl. Eberle Bd. I
613 = W. 40 II 333, 23 = Brandt S. 129).

Brandts Zusammenstellung ist kaum mehr als eine
Auswahl aus dem genannten Werk von Eberle (außer
ganz wenigen Stellen aus der 1. Ps.-Vorlesung: z. B.
S. 154 = W. 3, 549, 26; S. 219 = W. 4, 364, 5). Die Ab- !

hängigkeit von Eberle geht bis ins Kleinste. Angesichts
der praktisch erbaulichen Abzielung des Buches wäre
das gewiß zu tragen, wenn — die Vorlage Eberle selbst
zuverlässig wäre. Das ist aber leider nicht der Fall: 1.
Eberle hat sein Werk nach der Walch'schen und Erlanger
Ausgabe zusammen gestellt; dabei hat er nicht
nur aus Luthers zusammenhängenden Psalmenauslegungen
(diese wären für vorliegenden Zweck heute relativ
leicht kritisch zu sichten), sondern aus allen katechetischen
, polemischen, erbaulichen usw. Schriften Luthers
gelegentliche Bemerkungen zu Psalmstellen zusammen
getragen und zu einem einheitlichen Werk verarbeitet
. Wieviel Überlieferung zweiter und dritter Hand
darin steckt, hat die Weim. Ausg. uns doch wahrlich
gelehrt. 2. Wenn Eberle Luthers Auslegungen aus den
Jahren 1513—1545 oft satzweise eigenmächtig ineinander
gewirkt hat, so hat er damit bisweilen die verschiedensten
sachlichen Gesichtspunkte (historische, allegorische
, christologische Deutung!) zu einer Erklärung
zusammengewoben. 3. Eberle hat Luthers deutsche
Psalmenauslegungen ins Schuldeutsch übertragen und
dadurch die Sprachgestalt weithin verdorben (vgl. z. B.
W. 17 I 234ff. (Predigt 1525 = Eberle I 453ff. =
Brandt S. 87ff.; die 7 Bußpsalmen u. a.).

Alle Fehler seiner Vorlage ahmt Brandt genauestens
nach, ja bisweilen verschlimmert er sie, vor allem
durch unverständliche Kürzungen.

Beispiele: ad 1) Zu Ps. 51 gibt Brandt ungewöhnlich viel Stoff.
Bei Eberle liegt zu Grunde die Veit Dietrich'sche Bearbeitung, welche,
an Rörers Nachschrift gemessen, sich zu etwa 80 % als freie Paraphrase
erweist, gegen die sogar schon Melanchthon Bedenken äußerte (vgl.
W. 40 II 189). Diesen sehr unzuverlässigen Text hat Eberle dann noch
freier gestaltet (z. B. W. 40 II 333,27 vicit Spiritus sanetus übersetzt:
ich habe mich durch Hilfe des hl. Geistes überwunden). Man fragt sich
unwillkürlich: warum hat der heutige Herausgeber nicht diesen fragwürdigen
Text durch Stücke aus den 7 Bußpsalmen oder der zu Ps. 51
schon sehr reformatorischen 1. Ps.-Vorlesung ersetzt? — ad 2) Eberles
freie Bearbeitungsweise wirkt sich in Brandts Kürzungsverfahren bisweilen
bis zur Unkenntlichkeit des Ursprünglichen aus. So sind die Bruchstücke
der Erklärung von Ps. 22,2; 22,9; 51,6 b; 116,11 u.a. (ich
nenne nur für Luther zentrale Stellen) an dem Ursprünglichen gemessen
unverständlich. Wenn Luther im Verlauf seiner Gedankenentwicklung
sich selbst einen Einwand macht, so kann man nicht diesen Einwand
isolieren und als „das Lutherwort zum Psalter" (zu Ps. 116,11) hinstellen
; oder wenn Luther eine sich steigernde Folge von sechs Anfechtungen
und ihre Lösung (zu Ps. 22,9) beschreibt, so kann man
nicht gut mit der 4. Stufe abbrechen und die Lösung überhaupt übergehen
. Ob bei den Kürzungen bisweilen auch theologische Absicht
mitspricht? So finde ich z. B. nicht nur an der letztgenannten Stelle,
sondern auch sonst den in der 2. Ps.-Vorlesung kräftig sich aussprechenden
Prädestinationsgedanken übersprungen, vor allem bei der schon im
16. Jahrh. berühmten und oft nachgedruckten Auslegung von Ps. 5, 12
(W. 5, 172 ff.) und bei der von Luther selbst als wichtig herausgehobenen
Erklärung von Ps. 21, 10 (W. 5, 590L).

Wäre es nicht möglich bei solchen der Erbauung
dienenden Ausgaben mit der praktisch religiösen Zielsetzung
zugleich wissenschaftlich kritischen Sinn zu
verbinden ?

Königsberg i. Pr. E. V o g e 1 s a n g.

Schlatter, Prof. D. A.: Der Evangelist Matthäus. Seine

Sprache, sein Ziel, seine Selbständigkeit. Ein Kommentar z. ersten
Evangelium. Stuttgart: Calwer Vereinsbuchh. 1929. (XII, 812 S.)
gr. 8°. RM 20-; geb. 25—.

Von andern Kommentaren unterscheidet sich Schi.
Werk dadurch, daß es das Interesse sammelt auf die
Frage: „was war und wollte der Evangelist?" VIII.
Alle Fragen der Wort- und Satzerklärung, der Text- und
Literarkritik, der Zeitgeschichte, der Theologie sind dieser
Frage untergeordnet. Dadurch erreicht Schi, eine
Entlastung seines Werks von vielem, was sich herkömmlicherweise
in den Kommentaren findet, und zugleich
eine Geschlossenheit der Untersuchung, deren Mangel
die Lektüre so mancher Kommentare zu einer unangenehmen
Arbeit werden läßt. Ein Nachschlagewerk,
in dem man Material zur Beantwortung all der Fragen
findet, die bei der Lektüre des ersten Evgl. aufsteigen,
ist sein Buch freilich nicht. Die Antwort auf die ge-