Recherche – Detailansicht
Ausgabe: | 1931 Nr. 6 |
Spalte: | 134-135 |
Titel/Untertitel: | Festschrift für Hans von Schubert zu seinem 70. Geburtstag 1931 |
Rezensent: | Wolf, Ernst |
Ansicht Scan: | |
Download Scan: |
133
Theologische Literaturzeitung 1931 Nr. 6.
134
Ich glaube nicht allein zu stehen mit dem Urteil, daß
die Konstruktion, die dieses Buch vertritt, nur auf j
Grund von sehr anfechtbaren Interpretationen möglich
ist. Wenn ich trotzdem so ausführlich über das Buch
berichte, so hat das drei Gründe. Einmal erwachsen
dem Leser allerlei fruchtbare Nebenergebnisse. Zweitens
ist die Hypothese eines Zusammenhangs zwischen Johannestaufe
und Taufgemeinschaften des Ostjordanlan- ,
des, deren versprengte Nachfahren die Mandäer wären,
nicht etwa erledigt! Mißglückt ist nur dieser Versuch j
ihrer exakten Begründung. Es bleibt auch meiner Meinung
nach das Wahrscheinlichste, daß Johannes den j
genuin-jüdischem Denken fremden Taufritus von solch |
einer Gemeinschaft übernommen hat. Der dritte Grund
aber für die Ausführlichkeit dieser Anzeige ist der
bleibende und dankbare Respekt vor dem Mann, den
die Gefahr, einmal (wie hier) zu irren, noch nie abgehalten
hat, mit der Fülle seiner Kenntnisse und der
Kühnheit seiner Kombinationsgabe in unbekannte Gebiete
vorzustoßen.
Korrekturnote: Inzwischen hat in den Sitzungsberichten der
Berliner Akademie 1Q30, 596ff. Hans Lietzmann eine Abhandlung
erscheinen lassen „Ein Beitrag zur Mandäerfrage". Er weist nach, dall
„die Figur Johannes des Täufers der jüngsten Schicht der mandäischen
Literatur angehört und ihr von Hause aus fremd" ist. Er weist weiter
nach, daß „der gesamte Ritenkomplex der mandäischen Taufe eine Nachbildung
des Taufrituals der christlichen Syrer ist". Von einer direkten
Ahnenreite, die Täuferjünger und Mandäer verbände, kann danach nicht
die Rede sein. Aber die Herkunft der Mandäer aus dem Ostjordanland
scheint mir damit nicht widerlegt. Dann aber ist die Frage nach wie vor
so zu stellen, wie ich sie oben angedeutet habe: sind die Mandäer nicht
versprengte Nachfahren von Taufgemeinschaften des Ostjordanlandes,
durch deren Praxis angeregt Johannes der „Täufer" die Taufe übernahm
und in den Zusammenhang seiner eschatologischen Predigt stellte? Man
würde diese Frage nicht so ernst zu nehmen haben, wenn nicht die
christlichen Texte selbst mit ihren Ausführungen zur Taufe gelegentlich
über den Bereich christlicher Gedanken hinauswiesen. Da dies aber der
Fall ist, wie ich oben dargetan zu haben glaube, so ist jene Frage
noch keineswegs erledigt.
Heidelberg. Martin D i b e 1 i u s.
Quasten, Dr. theol. Johannes: Musik und Gesang in den
Kulten der heidnischen Antike und christlichen Frühzeit.
Münster Lt.! Aschendorff 1930. (XII, 274 S. m. 1. Textabb. u.
38 Taf.) gr. 8°. = Liturgiegeschichtl. Quellen ü. Forschgn., hrsg. v.
P. K. Mohlberg u. A. Rücker, H. 25. RM 17.25; geb. 19-.
Das aus F. J. Dölgers Schule hervorgegangene
Buch stellt in übersichtlichen Abschnitten, denen eine
gute Stoffeinteilung angenehme Kürze verleiht, dar,
welche Bedeutung Musik und Gesang in alter Zeit bei
Heiden, Juden und Christen gehabt haben. Das mittlere
der drei Glieder tritt begreiflicher Weise zurück,
und ebenso spielt die profane Tonkunst eine geringe
Rolle gegenüber der religiösen.
Die ersten Kapitel handeln von der heidnischen
Musik beim Opfer (I), in den Mysterienkulten (II) und
in ihrer Beziehung zur Mystik (III). Die folgenden
legen den Nachdruck auf das Christentum und sind
überschrieben: Musik und Gesang in der christlichen
Liturgie der Frühzeit (IV), Musik und Gesang im christlichen
Privatleben (V), Musik und Gesang im heidnischen
und christlichen Totenkult (VI).
Das Buch ist sehr inhaltreich und offenbart eine
gute Kenntnis der Quellen, auch soweit sie in Bildwerken
bestehen. 38 Tafeln sind beigegeben, ebenso
sorgfältige Register. Unter Heranziehung eines weitschichtigen
modernen Schrifttums müht sich Verf. um
die Deutung der Überlieferung. Führt sie bei den Monumenten
nicht immer zu sicheren Ergebnissen, so
sucht Q. bei den literarischen Quellen ein Mißverstände
nis dadurch möglichst auszuschließen, daß er nicht nur
den fremdsprachigen Text druckt und es dem Leser
überläßt, was er etwa damit anzufangen weiß, sondern
stets eine wohlgelungene Übersetzung beifügt. Das ist
heute gewiß der einzige erfolgversprechende "Weg, weiteren
Kreisen einen derartigen Gegenstand näherzubringen
.
Es würde nicht schwierig sein, das Material zu vermehren
, vor allem, wenn man den nichtgriechischen
Osten, der neben dem lateinischen und griechischen
Sprachgebiet zurücktritt, planmäßig durchforschen
wollte. Jedoch erhebliche neue Gesichtspunkte würde
man schwerlich gewinnen. Daß die Christen eine Tonkunst
, die derart mit dem heidnischen Kult verflochten
war und sich oft genug in den Dienst der sittlichen Verwilderung
stellte, ablehnen mußten, ist klar. Sie waren
genötigt, eigene Wege zu gehen. Doch ist ihre abweichende
Haltung nicht lediglich als Protest aufzufassen
. Auch ihre eigene religiöse Anschauung konnte
sich nicht einfach mit den außerchristlichen Mustern zufrieden
geben, sondern rang nach einem bestimmten
Ausdruck, etwa die Idee der göttlichen Einheit und seelischen
Gemeinschaftliche sie zu Gegnern der Hetero-
phonie und PolyphonieXmacht (S. 92 f.) oder die Anschauung
vom Tode, die das Trauerritual beeinflussen
muß.
Manchmal, scheint mir, interpretiert Verf., um seine
Beweisstücke zu mehren, etwas zu entschieden. So sind
die Stellen, die den Ausdruck iv qxovf] /tut enthalten,
gewiß nicht alle musikalisch zu deuten. Wenn bei Chry-
sostomus, horn. 36 in 1. Cor. (s. S. 115) ,«/a (pwvrj das
Ausdrucksmittel für ptla ilwyji und '/-«gdta /.u'a darstellt,
hat das mit Musik und Gesang ebenso wenig etwas zu
schaffen, als wenn wir heute einen „einstimmigen" Beschluß
fassen.
Göttingen. V. Bauer.
Festschrift für Hans von Schubert zu seinem 70. Geburtstag.
In Verbindg. in. W. Friedensburg hrsg. v. Otto Scheel. Leipzig:
M. Heinsius Nachf. Eger fcv. Sievers 1929. (VII, 187 S.) gr. 8°. sss
Archiv f. Reformationsgesch., Ergänztingsbd. V. RM 10 —.
Inhalt: 1) O. Scheel: Wann wurde Luther rezipiert
und zur Profeß zugelassen? S. 1—16.
Scheel begründet fast zu breit und in zu scharfer Polemik gegen
A. V. Müller seinen Satz, „daß Luther nach einem vollen Probejahr,
also etwa im Sept. 1506 in die Zahl der Professen aufgenommen wurde".
S. 10: „Diese Entdeckung (näml. daß Luther Ende 1505 rezipiert worden
sei) hat E.Wolf übernommen". wäre bei der Generalabrechnung,
die Vf. vornimmt, durch ein „entsprechend auch E. Hirsch, Th.St. Kr.
95, S. 158" zu ergänzen gewesen.
2) O. C 1 e m e n, Melanchthon und Alexander Ale-
sius. S. 17—34.
Gemen weist nach, daß Melanchthon der Verfasser der unter des
Alesius Namen gestellten Epistola contra decretum quoddam Episcoporum
in Scotia, quod prohibet legere novi Testamenti libros lingua vernacula
1533 sei und der die Gegenschrift des Cochläus beantwortenden Alex.
Alesii Scoti responsio ad Cochlaei calumnias ; u. zw. um in Schottland
für das Luthertum zu werben „wie er es damals auffaßte ... als sich
deckend mit dem alten noch nicht entarteten Christentum, das übereinstimmt
mit der Bibel und den Kirchenvätern". Der Anhang bringt drei
Briefe des Alesius (an Paul Eber, London 1535?; an Fr. Mykonius,
Wittenberg 1539; an Joh. Agricola, Leipzig 1545?) und einen Melanch-
thons an Alesius, Leipzig 1559.
3) Gg. Buchwald, Melanchthoniana. Aus Rechnungsbüchern
des Thür. Staatsarchivs in Weimar. S.
35—45.
Gesammelte Notizen, namentlich zu Melanchthons Reisen.
4) G. Anrieh, Ein Bedacht Bucers über die Einrichtung
„Christlicher Gemeinschaften". S. 46—70.
Durch Zwischengeschäftes Regest verkürzter Textabdruck eines Gutachtens
wohl von 1546, in dem Bucer in der Frage der Kirchenzucht
von seinem bisherigen — in der angeschlossenen Untersuchung beschriebenen
— Weg abgeht und die Bildnng von „Kerngemeinden" vorschlägt
, die sich freiwillig in die kirchliche Zucht stellen, wobei dann
die Außenstehenden, sofern sie notorisch Sünder sind, vom Abendmahl
bittweise ferngehalten werden sollen. Die Verwirklichung des Vorschlags
blieb im Versuch stecken, aber Spener hat auf ein ihm verwandtes Bedenken
Bucers von 1547 zurückgegriffen.
5) K. Sc hotten loher, Erfurter und Wittenberger
Berichte aus den Frühjahren der Reformation
nach Tegernseer Überlieferung. S. 71—91.
Mit Einleitung verbundener Abdruck aus Cod. germ. Monac. 1585:
a) Brief des Zeitzer Statthalters des Bischofs Philipp von Freising und
Naumburg und zugleich Marschalls des Klosters Tegernsee Eberhard