Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1931 Nr. 5

Spalte:

109

Autor/Hrsg.:

Greiner, Karl

Titel/Untertitel:

Kloster Hirsaus Geschichte durch 11 Jahrhunderte 1931

Rezensent:

Lempp, Eduard

Ansicht Scan:

Seite 1

Download Scan:

PDF

109

Theologische Literaturzeitung 1931 Nr. 5.

110

reitung zur Taufe führte, worauf Klöster angelegt,
Pfarreien gegründet, eine Kirche organisiert wurde, deren
Organen dann erst überlassen wurde, das vom Christentum
kaum oberflächlich berührte Volk zu einem
wirklich christlichen zu machen. Diese Missionsmethode
war nur möglich, wo der Schutz der weltlichen Gewalt,
die schließlich „mit eisernen Zungen predigte" (S. 10 f.),
hinter dem Missionar stand, und sie mußte die Mission
in eine gewisse Abhängigkeit von der weltlichen Gewalt
bringen, die Bonifatius nicht selten zu spüren bekam.
„An den Pfählen des Frankenreiches fand das Bekehrungswerk
seine Grenze. Alles Mühen um die Gewinnung
der Sachsen war vergeblich, weil und so lange der
Arm des Fürsten noch nicht bis zur Diemel, Hase und
Aller ausgreifen konnte" (S. 15).

Da zeigt sich deutlich der Unterschied dieser
Missionsmethode von der der ersten christlichen Sendboten
, die von unten nach oben und von innen nach
außen ging.

Stuttgart.___Ed. Lempp.

Grein er, Karl: Kloster Hirsaus Geschichte durch 11 Jahrhunderte
. Calw: Georg Essig 1929. (121 S. mit 1 Abb.) 8°. RM2-.
Das Büchlein ist keine Arbeit von Gelehrten für
Gelehrte, sondern eine populäre Darstellung der Geschichte
des Klosters Hirsau bis in die Gegenwart. Die
vorhandenen Quellen sind fleißig benützt, selbständige
Forschung oder neue Ergebnisse darf man nicht erwarten
; nur in der Deutung der Figuren des Eulenturmes
geht der Verfasser eigene Wege. Die Absicht, Verständnis
und Liebe für das altehrwürdige Kloster in
weiteren Kreisen zu wecken, wird das geschickt geschriebene
Büchlein gewiß erreichen.
Stuttgart._Ed. Lempp.

Buch wald, D. Oeorg: Luther-Kalendarium. Verzeichnis von
Luthers Schriften v. D. Gustav Kawerau. 2., durchges. Aufl. Leipzig:
M. Heinsius Nachf., Eger & Sievers 1929. (VII, 206 S.) gr. 8". =
Schriften d. Ver. f. Reformationsgesch. Jahrg. 47, H. 2. RM 5.40.
Kaweraus Verzeichnis von Luthers Schriften ist jedem über Luther
Arbeitenden bekannt. Es hat hier eine Neuauflage gefunden, die auf
den gegenwärtigen Stand gebracht und insofern verbessert ist, freilich
durch Preisgabe des übersichtlichen ins Auge fallenden Frakturdrucks im
Gebrauche längst nicht so angenehm und leicht ist wie die erste
Ausgabe.

Vorangestellt ist ein 15S Seiten langes Lutherkalendarium, welches
an Hand vor allem der Weimarer Ausgabe und des Briefwechsels alle
gesicherten Daten aus Luthers Leben, wichtige wie unwichtige, bieten
möchte. Predigten, Schriftstellerei und Reisen sind durch Fettdruck-
Siegel herausgehoben, sodaß man hinsichtlich ihrer auch leicht unter
Verzicht auf das Durchlesen des übrigen Materials alles Nötige zusammenstellen
kann. Die Bedeutung des Ganzen macht man sich an
einem Beispiel klar. Die Weimarer Ausgabe hat bekanntlich bei ihren
Register über alle Predigten Luthers nur nach Schriftstellen, nicht nach
der Entstehungszeit geordnet. Das Fehlende, das sonst aus vielen Bänden
der Weimarer Ausgabe zusammengesucht werden müßte, ist hier
bequem, und aus dem Gesamtmaterial herausgehoben, beieinander.

Die Grenzen liegen in der Beschränkung auf das unbedingt Biographische
, und in der notwendigen schematischen Wiedergabe vieler
Einzelheiten. Es ist zum Beispiel nicht möglich, mit Hilfe des Kalen-
dariums festzustellen, ob und wann Luther für fürstliche Persönlichkeiten
Leichenpredigten gehalten habe. Alle Predigten sind auf Ort,
Zeit und Text reduziert, vom Anlaß oder besondren Überschriften ist
nichts aufgenommen. Nur wenn man den Todestag Friedrich des Weisen
zum Beispiel im Kopfe hat — er ist als nicht zur Lutherbiographie
gehörendes Datum nicht mit aufgenommen — und dann die nächsten
nach diesem Datum genannten Predigten in der Weimarer Ausgabe
nachschlägt, findet man das Gewünschte.

Das kann nicht anders sein, und auf alle Fälle ist das von Buchwald
Geleistete ein Hilfsmittel zur Benutzung der Weimarer Ausgabe,
wie man es bisher nicht hatte. Am meisten wird es benutzt werden
zur Beantwortung der Frage: was bietet mir die Weimarer Ausgabe an
Stoff für die und die von mir gerade zu untersuchende Zeit?

Göttingen.___E. Hirsch.

Volz, Hans: Die Lutherpredigten des Johannes Mathesius.

Kritische Untersuchgn. z. Geschichtsschreibung im Zeitalter der Reformation
. Leipzig: M. Heinsius Nachf. Eger & Sievers 1930. (XV,
292 S.) gr. 8°. = Quellen u. Forschgn. z. Reformationsgesch. Hrsg.
v. Ver. f. Reformationsgesch. Bd. XII. RM 20-.

Die auf umfassender Kenntnis der Lutherliteratur
beruhende, lehrreiche Studie von Volz stellt sich die

Aufgabe, über die Ergebnisse der Mathesiusbiographie
von Georg Loesche (1895) hinaus (S. 4), „das eigentliche
kritische Hauptproblem, nämlich die Untersuchung
des Verhältnisses des Selbsterlebten zu dem aus fremden
Quellen entlehnten Material", die bei Loesche „völlig
unberücksichtigt geblieben" war, in den Vordergrund zu
rücken und, soweit das mit unserem heutigen Material
noch möglich ist, zu einer endgültigen Lösung zu bringen
. Man wird sagen dürfen: eine lohnende und notwendige
Aufgabe, denn die Predigten von Mathesius
über Luthers Leben sind seit ihrem Erscheinen im Jahre
1566 fast bis auf unsere Tage, bis auf Julius Köstlin,
eine allzu gläubig und kritiklos hingenommene Quelle
für die Lutherbiographen gewesen; nicht als ob der
Verf. darauf ausginge, grundsätzlich des Mathesius Angaben
zu diskreditieren; keineswegs; er legt aber an
jede Mitteilung die kritische Sonde an und stellt besonders
fest, inwieweit Mathesius überhaupt in der
Lage war, aus eigener Anschauung Richtiges zu bieten,
inwieweit er gezwungen war, fremden Gewährsmännern
zu folgen, und inwieweit er diesen gegenüber die notwendige
selbständige und objektive Stellung des Historikers
eingenommen hat.

Im ganzen ist das Ergebnis für Mathesius ein
recht günstiges: kleine Versehen, selbst da, wo er aus
eigener Anschauung auf Grund seiner persönlichen Bekanntschaft
mit Luther das Richtige hätte wissen und
bringen können, kann man ihm nachweisen, grobe,
gar bewußte Verstöße gegen die Wahrheit jedoch in
keinem einzigen Fall. Die Liebe und Verehrung, mit
welcher er Luthers ganze Persönlichkeit umfaßt hat,
haben seinen Predigten über den Reformator den charakteristischen
Stempel aufgedrückt.

Mit Recht lehnt der Verf. den Versuch G. Loesches
ab, die Lutherpredigten des Mathesius mit den Heiligenpredigten
des Mittelalters auf eine Stufe zu stellen, da
bei diesen das biographische Moment fast immer fehlt,
es vornehmlich auf die durch das Wunder bewirkte
oder noch zu bewirkende Erbauung ankommt; sucht
man für die Lutherpredigten nach einem Vorbild, so
wird man es bis zu einem gewissen Grade in den Biographien
des 16. Jahrhunderts finden, wie sie auch in
Deutschland der Einfluß des italienischen Humanismus
hervorgerufen hatte; weshalb aber hat der Verf. (S.
35 f.) bei der Erwähnung der sonstigen sog. Luther-
biographien des 16. Jahrhunderts (Melanchthon, Ratzeberger
, Spangenberg) Sleidans biographische Mitteilungen
über den Reformator in seinen Kommentarien
(ed. am Ende Bd. II [ 1786] S. 431—434) wenigstens
nicht kurz erwähnt? während man das bekannte Werk
des Veit Ludwig von Seckendorf: Commentarius criticus
et apologeticus de Lutheranismo (1692), das eine aktenmäßige
Darstellung der durch Luther hervorgerufenen
politischen und religiösen Bewegung ist, doch unmöglich
, wie es der Verf. (S. 37) tut, eine Lutherbiographie
nennen darf.

Daß die wissenschaftliche Leistung des Mathesius
ihre ziemlich eng gezogenen Grenzen hat, ist selbstverständlich
; nicht nur, daß er, darin durchaus ein Kind
seiner Zeit, die Geschichte lediglich oder doch überwiegend
vom theologischen Standpunkt auffaßt, daß er,
wie so manche Humanisten, sich gern in ethymologir
sehen Spielereien ergeht; wichtiger ist der Standpunkt,
von dem aus er Luther betrachtet; nur seine eigene Anschauung
, sein persönliches Erlebnis gilt hier in erster
Linie: so wie er Luther als älteren Mann bei seinem
mehrfachen Aufenthalt in Wittenberg — 1529—1530
und besonders 1539—1541, während dessen er dem

I Reformator hauptsächlich näher trat, und 1545 — gesehen
hat, und vielleicht sind hier die letzten Eindrücke
die nachhaltigsten geblieben —, so schildert er ihn
seinen Hörern und Lesern in seinen Predigten; dadurch
fällt aber das Entwicklungsmoment, das geistige Werden
des Reformators, völlig fort: „mit denselben Äugen, mit

[ denen er ihn damals sah, ist er geneigt, auch den jungen