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Ausgabe:

1931 Nr. 5

Spalte:

108-109

Autor/Hrsg.:

Flaskamp, Franz

Titel/Untertitel:

Die Missionsmethode des hl. Bonifatius 1931

Rezensent:

Lempp, Eduard

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Theologische Literaturzeitung 1931 Nr. 5.

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gel. Ich scheide von dem Buch mit dem Gefühl aufrichtigen
Dankes dafür, daß es mir, nicht am wenigsten
durch die beiden Bilder, die Gestalt des Vollendeten
noch einmal greifbar vor Augen geführt hat, Adolf von
Harnack, der auch mein Lehrer gewesen ist und von
dem ich nur Güte erfahren habe.
Göttingen. W. Bauer.

Seeberg, Erich: Adolf von Harnack. Erinnerungsworte, gesprochen
in d. Friedrich-Wilhelms-Universität zu Berlin am 12. Juli
1930 v. Erhard Schmidt. Gedächtnisrede geh. Tübingen: J. C. B.
Mohr 1930. (28 S. m. einem Bildnis) gr. 8°. = Sammig. gemein-
verständl. Vortr. u. Schriften aus d. Gebiet d. Theol. u. Religions-
gesch., 150. RM 1.80.

Das Heft enthält zuerst die Erinnerungsworte, die
der Rektor der Berliner Universität, der Balte Erhard
Schmidt seinem heimgegangenen großen Landsmanne
widmete — darunter den Satz: „Indem er jede Streitfrage
, jede Persönlichkeit von allen Seiten sah, konnte
in ihm, wie einst in Goethe, nicht die leidenschaftliche
Einseitigkeit und Ausschließlichkeit sich entwickeln,
welche andere, die im Kampfe stehen, wünschen und
verlangen zu können meinen" (S. 5)—; dann die eigentliche
Gedächtnisrede von Erich Seeberg, ebenfalls eines
Balten Sohn. Sie ist des Mannes, dem sie gilt, und der
Stätte, an der sie gehalten wurde, in hohem Maße
würdig. Wie einst Schleiermacher, so verkörperte Harnack
in sich den Geist seines Zeitalters. Seine Verbindung
mit Albrecht Ritsehl ist im Unterschied von Holl,
der an die bejahenden Seiten Ritschis, seine Rechtferti-
gungs- und Sittenlehre, anknüpfte, mehr eine Verbindung
im Verneinenden, d. h. in der Ablehnung von
Metaphysik und Mystik und in der dadurch bedingten
Anschauung vom Wesen christlicher Religion. In seiner
Gesamtanschauung fällt der Ton auf die Geschichte:
sie hat die Aufgabe, die Wahrheit zu ermitteln, indem
sie den Kern der christlichen Religion und die über ihm
zugewachsenen Veränderungen aufzeigt. Seine geschichtliche
Betrachtung aber ist bestimmt durch den Gegensatz
gegen den Erlanger Theologen Thomasius und den
Tübinger F. Chr. Baur, im tiefsten Grunde jedoch
durch den „Gegensatz einer auf das individuelle Leben
in seiner Breite und Unberechenbarkeit bezogenen geschichtlichen
Betrachtungsweise gegen eine andere Auffassung
, welche die Geschichte als Offenbarung, Erscheinung
oder Durchgang des Geistes oder der Idee
ansieht". So rückt Harnack an Dilthey heran, indem
er „ohne die Prinzipien der Geistesgeschichte faktisch
Geistesgeschichte getrieben hat". „In der Sphäre Inländischer
Traditionen" ist er „bestimmt durch die Lebensanschauung
Goethes und damit durch die organo-
logische Linie im deutschen Idealismus". „Harnack ist
christlicher Humanist gewesen", mehr noch mit Erasmus
, als mit Leibniz vergleichbar, und es genügt nicht,
ihn „als Liberalen der Wilhelminischen Ära zu charakterisieren
". Er ist „einer der protestantischen Humanisten
großen Stiles gewesen". Und doch ist es „eine stille
Liebe zu der geächteten rationalen Metaphysik, welche
der Historie Harnacks den entscheidenden Auftrieb gegeben
hat". Nachdem Seeberg so die Grundlagen und
Grundzüge des Harnack'schen Denkens gezeichnet hat,
würdigt er seine kirchengeschichtliche Forschungsarbeit,
die nicht ohne Grund vor allem das Neue Testament
und die alte Kirchengeschichte betrifft, vor allem seine
berühmte, strenge Wissenschaft mit künstlerischer Kraft
verbindende Dogmengeschichte, die „mit der Konstatierung
des Todes des Dogmas endet". „Wir Heutigen
werden manche von den Grundgedanken dieses Buches
nicht mehr vertreten können, soviel an Beobachtungen
und Resultaten anonymer Besitz der kirchengeschichtlichen
Wissenschaft geworden ist". „Wir werden auch
vielleicht die Dogmengeschichte heute methodisch anders
anfassen als Harnack". Aber „desinunt ista non
pereunt". Zum Schluß wird die Persönlichkeit Harnacks
in kurzen Strichen gezeichnet. Leider findet das
böse Beispiel Harnacks im unnötigen Fremdwörterge-

I brauch mehr Nachahmung, als das gute Beispiel Holls

i in ihrer Vermeidung. Ein Überblick über die Nachrufe

! auf Harnack, auch die in der Presse der verschiedensten

j Richtungen, ist in den Theol. Blättern 1930 Nr. 7 ge-

! geben, dazu Johannes Müller, „Grüne Blätter" 32. Bd.

j 3. Heft 1930: A. v. Harnack auf Schloß Elmau, seine

1 Briefe an Joh. Müller.

München. Hugo Koch.

Flaskamp, Dr. phil. Franz: Die Anfänge friesischen und
sächsischen Christentums. Mit Anhang: Zur Geschichte d.
Eadwaldenverehrung in Laer, Kr. Steinfurt (Quellenbild d. Entwickig.).
Als Anlage 2 Taf. Oktober- u. November-Taf. a. d. Echternacher
Kalender Wilbrords. Hildesheim.: F. Borgmeyer 1929. (XVI, 81 S.)
8°. = Geschichtliche Darstellgn. u. Quellen, hrsg. v. L. Schmitz-Kallenberg
, 9. RM 5—.
Der Bonifatiusforscher F. gibt hier eine Geschichte
der vorbonifatischen angelsächsischen Mission unter
den Friesen und Sachsen, die dem erfolgreicheren Boni-
| fatius die Wege gewiesen und geebnet hat. Seine Ausführungen
, die über das bei Hauck und in den betr.
Artikeln der RE:) z. T. hinausgehen, sind straff und
I kurz, in reichlichen Anmerkungen begründet und enthalten
wohl alles Wesentliche über die missionarische
Tätigkeit Wilfriths, Ecberhts und Wicgberhts, Wil-
I brords, Suitberhts und der beiden Ewalde. Im Gegen-
! satz zu diesem Teil ist der Anhang zur Geschichte der
j Ewaldenverehrung in Laer m. E. gar zu breit und ausführlich
, zumal er doch nur von lokal geschichtlichem
j Interesse ist. Dankenswert dagegen ist die Anlage, die
die interessanten Oktober/Novembertafeln aus Wilbrords
| Echternacher Kalender deutlich wiedergibt.

Stuttgart. Ed. Lempp.

-_

j Flaskamp, Dr. phil. Franz: Die Missionsmethode des hl.

Bonifatius. Preisgekrönte Arbeit bei d. Katholisch-Theologischen
Fakultät an d. Westfälischen Wilhelms-Univ. zu Münster i. W. 2. Aufl.
Hildesheim: F. Borgmeyer 1929. (XVIII, 63 S.) 8°. = Geschichtliche
Darstellgn. u. Quellen, hrsg. v. L. Schmitz-Kallenberg, 8. RM 5—.

Die Arbeit ist eine Sonderausgabe der vor vier
Jahren in der Ztschr. f. Missionswissenschaft erschiene-

1 nen Preisschrift. Sie schildert zuerst das Verhältnis des
Bonifatius zu den Gemeinschaften, von denen er ausging
und unterstützt wurde (Heimat, Rom, Staatsgewalt
), dann die Strategie und Taktik, die Bonifatius
in der Mission befolgte (Umschau, Plan, Gliederung,

I Niederlassung), weiter die Missionsmittel (Gebet, Wortverkündigung
, Lehrweise), die Überführung der Bekehr-

I ten in die Kirche durch die Taufe, die Vertiefung und

I Festigung in der Nacharbeit und endlich den Übergang
der Mission zur Kirche. Überall werden mit Verwertung
der sorgfältig beurteilten Quellen, besonders der Briefe
des Bonifatius die Vorgänge und Methoden durch Einzelbeispiele
in helles Licht gerückt und dabei bei aller

I Anerkennung der Größe des Heiligen doch auch seine

! Schranken und Mißerfolge nicht verschwiegen.

Der Heidenbekehrung kommt nun zwar im Leben
des Bonifatius nur ein sehr begrenzter Raum zu (S. 17),
aber dennoch ist die Darstellung seiner Missionsmethode

i schon deshalb für uns von Wert, weil diese Methode,
bewußt oder unbewußt, vorbildlich wurde für die Heidenmission
der kath. Kirche durchs ganze Mittelalter
bis in die Neue Zeit. Wir können sagen, die Missions*
methode des Bonifatius ging von oben nach unten und
von außen nach innen. Von oben nach unten: Bonifatius
suchte zuerst die führenden Kreise des Volkes, die Fürsten
und Vornehmen, zu gewinnen, dann folgte bei den
Germanen das übrige Volk gewöhnlich leicht nach
(cujus regio, ejus religio), aber er hatte selbst am Volk
der Friesen vor Augen, wie bei einem Wechsel der Fürsten
dann eben so leicht und schnell völlige Vernichtung
der Missionserfolge folgen konnte. Und Bonifatius ging
den Weg von außen nach innen: er suchte Massenerfolge
(S. 37 f.) und fand sie, indem er mit der von
der staatlichen Macht geschützten Predigt den Heiden
autoritativ gegenübertrat und sie nach kürzester Vorbe-