Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1931 Nr. 2

Spalte:

45

Autor/Hrsg.:

Schneider, Johannes

Titel/Untertitel:

Friedrich Naumanns soziale Gedankenwelt 1931

Rezensent:

Schian, Martin

Ansicht Scan:

Seite 1

Download Scan:

PDF

46

Theologische Literaturzeitung 1931 Nr. 2.

46

theologie der vordialektischen Phase der Theologie aus- i
gegeben sind. Das Aufgreifen des Gedankens von der
Existentialität des religiös-theologischen Erkennens in l
der Entwicklung der dialektischen Theologie erscheint |
in letzterem Falle nur als eine Selbstkorrektur an ihrem
ursprünglichen starren Objektivismus, als eine Konzession
an die Erfahrungstheologie. Der V. sieht ganz .
richtig, daß mit der Aufnahme des Existenzbegriffs |
nur halbe Arbeit geleistet wird, übersieht aber, daß sein
Vorschlag eines Umbaus an der dialektischen Theologie |
im Grunde genommen ein Plan für einen Neubau auf |
einem ganz anderen Boden ist.

Heidelberg. Robert Winkler. j

Schneider, Lic. theol., Dr. rer. pol. Johannes: Friedrich Naumanns
soziale Gedankenwelt. Berlin: Furche-Verlag o. J.
(173 S.) gr. 8°. RM 5- ; geb. 6—.

Friedrich Naumann, gest. 24. Aug. 1919, bedeutet
der jüngeren Generation nicht mehr viel. Seine Mit- j
arbeit an der Entwicklung sozialer Gesinnung innerhalb
der evangelischen Kirche war ja längst in den Hinter- |
grund getreten; N. war wesentlich der liberale Politiker
geworden; als demokratischer Führer ist er gestorben. !
Dennoch ist es sehr zu begrüßen, daß ein Jüngerer sich
die Mühe nimmt, N.s soziale Gedankenwelt zusammenfassend
darzustellen; das hat N. wahrlich verdient.
Sehn, hat sich viel Mühe gegeben; N.s eigene Schriften
und viele Äußerungen über ihn hat er sorgsam verwertet
, den umfangreichen Stoff gut gegliedert. Sehn
schildert zuerst den „Menschen", soll heißen die Persönlichkeit
. Hier kommt auch der Theologe N. zur Besprechung
. Den Hauptteil aber bildet der 2. Teil: Der
Sozialpolitiker. Es ist sicherlich richtig, daß Sehn, hierfür
eine Grundlegung gibt: die geschichtlichen Voraussetzungen
der sozialpolitischen Anschauungen N.s; freilich
bietet dieses Kapitel dem, der in der Geschichte
der sozialen Bewegungen des 18. Jahrhunderts Bescheid
weiß, wenig Neues. Da N.s Anschauungen sich sehr
vielfach gewandelt haben, mußte unbedingt eine Darstellung
dieser Entwicklung folgen; sie ist gegliedert in fünf
Perioden: Innere Mission; Christlich-Sozial; National-
Sozial; Politisch-Liberal; Staatssozialistisch. Nun erst
kommt die systematische Zusammenstellung; hier werden
Arbeiterfrage, Mittelstandsfrage, Frauenfrage unterschieden
. Der ersteren gehört natürlich der größte
Raum. Berührungen zwischen der Schilderung der Entwicklung
und der systematischen Überschau waren unvermeidlich
; doch hat Sehn, versucht, nach Möglichkeit
ohne Wiederholungen beide Abschnitte auf gegenseitige
Ergänzung abzustellen. Sehr zahlreiche Anmerkungen
bringen Belege, Nachweise usw. Naumannliteratur und
Register machen den Schluß. Das Buch kann als gute
Einführung und verständnisvolle Würdigung begrüßt
werden. Kritik findet sich wenig, war ja auch nicht
beabsichtigt. Bemerkenswert ist der, freilich nicht näher
ausgeführte, Schlußsatz, wonach N.s Lebensarbeit vielleicht
um deswillen nicht die rechte und volle Frucht gebracht
hat, weil sein Werk bei aller religiösen Grundlage
doch nicht alle Zeit tief genug im Evangelium wurzelte
(S. 144). Aber wenn ein solches Urteil gegeben
wurde, hätte auch der Beweis angetreten werden
müssen; so, wie es dasteht, macht es mehr den Eindruck
einer theologischen Zensurierung. Vielleicht wird
manchem N.-Verehrer (es leben ihrer noch viele) der
ganze Ton des Buchs zu kühl erscheinen; aber es handelte
sich nicht um einen Hymnus, sondern um Darstellung
. Diese Darstellung selbst aber läßt es ganz
klar werden, daß N.s Bedeutung nicht in seinen sozialpolitischen
Anschauungen ruht, sondern in seiner
„prophetischen" Persönlichkeit. Gerade diese Tatsache
tritt freilich in Spannung mit dem eigentlichen Thema
des Buchs; aus dieser Spannung erklärt es sich, daß das
Buch, so verdienstlich es ist, innerlich nicht mitreißt.
Breslau. M. Schi an.

Wildfeuer, Dr. Gerhard: Die religiöse Innenwelt des Industriearbeiters
. Eine soziologische Untersuchung. Leipzig: Emil
Gräfe 1929. (66 S.) 8°. RM 1.80.

Allmählich sammelt sich eine ganze Literatur zur
Erforschung der Arbeiterseele. Sehr viel Neues bringt
W. nicht; seine Ausführungen ruhen z. T. auf der
Leipziger Enquete von 1924 (veröffentlicht von G.
Hermes 1926). Doch kommen eigene Dresdener Beobachtungen
hinzu. Piechowski, Proletarischer Glaube,
scheint nicht benutzt; wohl, weil W. vor allem den
sächsischen Arbeiter im Auge hat. Seine Untersuchung
bedient sich soziologischer Termini und Kategorieen,
bleibt aber erfreulicherweise bei schlichter, klarer Darstellung
; sie disponiert sehr übersichtlich, urteilt besonnen
und geht den Dingen bei aller Knappheit auf
den Grund. Er zeichnet (wie könnte es anders sein?)
ein dunkles Bild; da er den „sozialen Typ des marxistischen
Arbeiters" schildern will, wird man es nicht zu
dunkel nennen dürfen. Aber er kennt anscheinend
nicht die Übergänge von diesem Typ zum Typ des
evangelischen Arbeitervereinlers (vgl. S. 8); hier hat
er eine Lücke gelassen. Was er über Einwirkung der
Kirche sagt, ist resigniert, aber nicht auf den Ton
quietistischen Gehenlassens gestimmt; die Kirche muß
des Gewissens wegen alles tun, was sie zu tun schuldig
ist. Daß in diesem Zusammenhang die alten Forderungen
auf Beseitigung unsozialer Einrichtungen wiederkommen
, als sei bisher in dieser Richtung nichts geschehen
, ist merkwürdig; inzwischen sind wir in dieser
Hinsicht doch ein gut Stück vorangekommen!
Breslau. m. S c h i a n.

Sie non23rof. D.5L£. 6d)mibt, 23onn, tjrsg. „Sijeologifcben«lütter"
bradyten uerftärkte Sonbernummern in. 23erid)tcn über f olgenbe Tagungen:

«ritif<h=§cutfrhc Sbeoloaenhonfecenj in Ganterburm (2lprü

1927): Sas 2Befcn bes 93 cid) es ©ottes unb
feine 23e(1iebungen sur mcnfdjlidjen ©efellfdjaft.
«orträge non 6. G. Sioskirus. — 3L £. Sdjmtbt. — G.
S). Sobb. — ©. Svittel. — 21. 03. 3. 93aiülinfon. - 933.
«ollratb. - 3. Jv. OTostet). - f). 3n<k. - G. ©. Beinum.

— 5p. 2lltf)ous. - 2B. ötählin. 23reis 9393t. 1.50.

33titifd) • ©eutfdje Sl)eol>menUon?ercn* auf bec 2Dnrlburg

(2Iuguft 1928): Gijriftologie.

«otträge non 3. SC. 2Ju>äiet). - 3.937.. Greeb. — S). 3ridt.

©. 2!ulen. - ©. Äittel. G. S> Sobb. — 9t. 9Jiidüem.

— 5v. £. 6d)inibt. G. G. ftoskijus. - ©. 2lul6n. — 43.
2llthaus. - S). ©äffe. — 21. 03. 3- 93arolinfon. — 9J5.
«ollratl). - ©. Ä. 21. 23cll. — Gröffnungsgrebigt non
9J3. 93eicharbt, Gifenad), unb 2lnbad)tcn Don 23.21ltl)nus.

— Ä. £. Bcbnübt. — ©. Littel. - $). Srick. — 97.
Böberbiom. 93rcis 93937. 2.-.

ßfbsucftlhUe Sheologenftonfetens in SKouifnb (2luguft 1929):
Ser93hiliggerbrief. Sie 23orgefd)id)lc ber fton»
ferens. Ser 93ni)men ber Konferenz Sie 2lrbeit ber
Konferenz (23erid)t über bie 23-orträge unb bie 2lusfgrad)e).
«orträge oon 937. Sibelius. - 23. «ratfiotis. — Sv. £.
Sdgnibt. - 5?. 23eti). — 9t. ©lubokorofkt). — Glaoier.
- G. S). Sobb. — 6. «efobrafoff. — 3=. 23cbnäf. - 3B.
93tid)aelis. - 93ifd)of 3renäus. 23reis 9393t. 1.50.

Oft»meftlid)e Sh-eoloncnhonferens in 23ecn (Bcgtember 1930):
Ser Ggheferbrief. Ser 93al)inen ber Äonfercnj.
Sic 2lrbeit ber Äonferenj (23erid)t über bie 23orträge).
«eridjte unb Stimmen über bie ftonferenj.
«orträge oon 9J3. 93ttcbaeli5. — 23. ©l)eorgt)iu. — G.
©augler. - 9t. ©lubokoroskn. - 933. 3- fjoiuarb. —
3?. £. 6d)mibt. - S. Stefanooic. - S). £. 23ak. —
23. «ratfiotis. — 3- Eieb. — 93t. Sibelius. - S> Glaoier.
9t. d. 2lrfcnieto. — S). 9teanber. — 3Jh. Dbenmalb.

23rets 9391t. 2.-.

VERLAG DER J. C. HINRICHS'SCHEN
BUCHHANDLUNG IN LEIPZIG C1